PARP-Inhibitor verlängert PFS unabhängig von der BRCA-Mutation

Der Ende vergangenen Jahres zugelassene PARP (Poly-ADP-Ribose-Polymerase)-Inhibitor Niraparib verlängert beim Platin-sensitiven rezidivierten Ovarialkarzinom das progressionsfreie Überleben (PFS), und zwar unabhängig davon, ob eine BRCA-Keimbahnmutation vorliegt oder nicht. Die Testung auf eine etwaige Mutation ist für die Therapieentscheidung daher nicht notwendig. Auftretende Blutbildveränderungen, allen voran eine Thrombozytopenie, lassen sich durch Dosisanpassungen handhaben. Das Ovarialkarzinom ist ein im Vergleich zum Mammakarzinom seltener, aber äußerst aggressiver Tumor. Laut Registerdaten des Robert Koch-Instituts [1] erhielten im Jahr 2012 7.380 Frauen diese Diagnose, 5.646 Frauen starben daran. Insgesamt ist das Ovarialkarzinom die siebthäufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen weltweit und hat die höchste Mortalität aller gynäkologischen Tumoren. Bei etwa 80% der Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom kommt es nach Erstlinientherapie zu einem Rezidiv. Mit nachfolgenden Chemotherapien lässt sich zwar eine Remission erreichen, das progressionsfreie Überleben und damit die Intervalle bis zur nächsten Chemotherapie werden allerdings immer kürzer. Mit jedem Rezidiv, das die Patientin erleidet, verringert sich das Therapieansprechen und verkürzt sich das Überleben, erläuterte Prof. Dr. Sven Mahner, Leiter der Studie in Deutschland für die AGO-Studiengruppe und Direktor der Frauenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Anders als beim Mammakarzinom ließen sich in der Therapie des Ovarialkarzinoms in den letzten Jahren nur wenige Fortschritte verzeichnen. Zielgerichtete Therapie mit PARP-Inhibitoren Mit der Entwicklung zielgerichteter Therapien beginnt sich dies nun eklatant zu ändern. PARP-Inhibitoren lassen sich nach erfolgreicher Platin-basierter Chemotherapie äußerst wirksam als Erhaltungstherapie einsetzen. PARP ist ein Enzym, das bei der Reparatur von DNA eine essentielle Rolle spielt. Inhibitoren von PARP hemmen die DNA-Reparatur durch PARP-Enzyme und verhindern so, dass Tumorzellen einen DNA-Schaden reparieren können. Dies treibt sie letztlich in die Apoptose. Die Europäische Kommission hat im November 2017 dem PARP-Inhibitor Niraparib (Zejula®) die Zulassung erteilt. Niraparib wird als Monotherapie zur Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patientinnen mit Rezidiv eines Platin-sensitiven, gering differenzierten serösen Karzinoms der Ovarien, der Tuben oder mit primärer Peritonealkarzinose angewendet, die sich nach einer Platin-basierten Chemotherapie in kompletter oder partieller Remission befinden. Niraparib ist der erste in Europa zugelassene orale, einmal täglich einzunehmende PARP-Inhibitor, für den keine Testung des BRCA-Mutationsstatus oder eine andere Biomarkertestung erforderlich ist. „Die Zulassung von Niraparib ist ein wichtiger Schritt vorwärts für Patientinnen mit einem Ovarialkarzinom in Europa. Die Effektivität einer Platin-basierten Chemotherapie nimmt leider im Lauf der Zeit ab und das progressionsfreie Überleben wird nach jeder Behandlung mit Platin kürzer. Mit Niraparib haben wir die Möglichkeit, das PFS nach der Platin-basierten Therapie zu verlängern“, so Mahner. Die Zulassung von Niraparib stützt sich auf die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten, internationalen Phase-III-Studie AGO-OVAR 2.22/ENGOT-OV16/NOVA. Darin wurde die Erhaltungstherapie mit Niraparib bei rezidiviertem Platin-sensitivem Ovarialkarzinom mit und ohne BRCA-Keimbahnmutation untersucht. Eingeschlossen wurden insgesamt 553 Frauen mit (n=203) und ohne (n=350) BRCA-Keimbahnmutation, die auf ihre letzte Platin-basierte Chemotherapie vollständig oder partiell angesprochen hatten und sich in Remission befanden [2]. Zudem mussten sie mindestens zwei Platin-basierte Vortherapien durchlaufen haben. Sie wurden maximal acht Wochen nach der letzten Platin-basierten Chemotherapie 2:1-randomisiert mit einmal täglich Niraparib 300mg oder Placebo bis zur Progression behandelt. Primärer Studienendpunkt war das PFS, definiert als Zeit von der Randomisierung bis zur Krankheitsprogression oder zum Tod. PFS unabhängig von der BRCA-Keimbahnmutation verlängert Das PFS war unter Niraparib bei Patientinnen mit und ohne BRCA-Keimbahnmutation gegenüber dem Kontrollarm signifikant verlängert: Es lag bei Frauen mit BRCA-Keimbahnmutation unter Niraparib bei 21 Monaten gegenüber 5,5 Monaten unter Placebo (Hazard Ratio HR 0,27; p<0,001; Abb. 1a). Bei Frauen ohne BRCA-Keimbahnmutation ließ sich eine signifikante Verlängerung des PFS auf 9,3 Monate gegenüber 3,9 Monate beobachten (HR 0,45; p<0,001; Abb. 1b). Das Risiko für eine Progression oder Tod war entsprechend bei Frauen mit BRCA-Keimbahnmutation um 73%, bei Frauen ohne BRCA-Keimbahnmutation um 55% verringert. Bei Frauen ohne BRCA-Keimbahnmutation, aber mit HRD-Positivität verlängerte Niraparib das PFS von 3,8 Monaten unter Placebo auf 12,9 Monate (HR 0,38; p<0,001). Abb. 1: Progressionsfreies Überleben: Niraparib wirkt unabhängig von der BRCA-Keimbahnmutation (modifiziert nach [2]) Springer Medizin Verlag GmbH × Langfristiger Benefit Viele Patientinnen profitierten langfristig: „Mit Niraparib-Erhaltungstherapie haben 42% der Patientinnen mit BRCA-Keimbahnmutation die Chance, auch nach zwei Jahren noch progressionsfrei zu sein“, resümierte Mahner. Unter Placebo lag der Anteil bei 16%. Bei den Frauen ohne BRCA-Keimbahnmutation waren nach zwei Jahren unter Niraparib noch 27% krankheitsfrei (Placebo: 12%) [3]. Das längere PFS ging dabei nicht auf Kosten der Lebensqualität, so Mahner. Hier gab es keine Unterschiede zwischen Verum und Placebo. Ein detaillierter Blick auf die Studienergebnisse zeigt zudem, dass alle Subgruppen von Niraparib profitieren. Frauen jenseits des siebzigsten Lebensjahrs haben einen ähnlichen Nutzen wie jüngere Frauen [4] – ein wichtiger Aspekt, denn das mittlere Erkrankungsrisiko liegt bei 69 Jahren. Für den Therapieerfolg war es zudem unerheblich, ob die Frauen auf die vorausgegangene Platin-basierte Chemotherapie partiell oder komplett angesprochen hatten. Sie profitierten gleichermaßen, auch hier unabhängig vom BRCA-Keimbahnmutationsstatus [5]. Der Effekt nachfolgender Chemotherapien wird nicht beeinflusst [6]. Individuelle Dosisanpassungen Auch Verträglichkeit und Sicherheit von Niraparib sind positiv bewertet. Die häufigsten Grad-3/4-Nebenwirkungen in der Zulassungsstudie waren Thrombozytopenie (34%), Anämie (25%), Neutropenie (20%) und Hypertonie (8%). Nach individueller Dosisanpassung (Kasten) war die Inzidenz von Grad-3/4-Thrombozytopenie gering und lag nach drei Monaten bei 2,4%. Anämien gingen auf 16,9%, Neutropenien auf 2,7% zurück. Entsprechend niedrig war die Rate an Therapieabbrüchen wegen Thrombozytopenie, Neutropenie und Blutbildveränderungen, die ≤3% lag [2]. Fazit Fazit von Prof. Dr. Felix Hilpert, Onkologisches Therapiezentrum am Krankenhaus Jerusalem, Hamburg: „Uns steht jetzt eine zusätzliche Option zur Verfügung, die wir als Erhaltungstherapie nach Ansprechen auf eine Chemotherapie einsetzen können. Da der Nachweis einer BRCA-Mutation für die Anwendung von Niraparib nicht erforderlich ist, steht die PARP-Inhibition nun deutlich mehr Patientinnen zur Verfügung, denen wir früher außer einer Beobachtung nichts anbieten konnten. Heute haben wir mit den PARP-Inhibitoren die Möglichkeit einer aktiven Kontrolle der Erkrankung unter Beibehaltung der Lebensqualität.“ Was tun bei Thrombozytopenie? Bei Thrombozytenzahlen <100.000/µl wird empfohlen, die Behandlung für bis zu 28 Tage zu unterbrechen und das Blutbild wöchentlich bis zum Abklingen der Thrombozytopenie auf Thrombozytenzahlen von ≥100.000/µl zu bestimmen. Das Vorgehen nach der Therapiepause richtet sich nach dem Schweregrad der initialen Thrombozytopenie. Grad 1 (Thrombozytenzahl 75.000–99.999/µl): Bei erstmaligem Auftreten kann nach der Therapiepause und nach Normalisierung der Thrombozytenzahlen auf ≥100.000/µl in gleicher oder reduzierter Dosis weiterbehandelt werden. Beim zweiten Auftreten einer Grad-1-Thrombozytopenie sollte nach Normalisierung der Thrombozytenzahlen mit reduzierter Dosis weiterbehandelt werden. Grad 2 (Thrombozytenzahlen <75.000/µl): Bei erstmaligem Auftreten soll nach der Therapiepause und nach Normalisierung der Thrombozytenzahlen auf ≥100.000/µl die Therapie stets mit einer reduzierten Dosis wiederaufgenommen werden. Dabei ist die Dosis auf täglich 200mg, wenn nötig auf 100mg zu reduzieren. Es sind nicht mehr als zwei Dosisreduktionen erlaubt. Falls die Dosis bereits auf 100mg reduziert wurde, muss die Therapie bei Auftreten einer erneuten Thrombozytopenie beendet werden. Literatur Zentrum für Krebsregisterdaten, Hrsg: Robert Koch-Institut, http://krebsdaten.de/KREBS/DE/Content/Krebsarten/Ovarialkrebs/ovarialkrebs_node.html, letzter Zugriff: 23. November 2017 Mirza MR et al., N Engl J Med 2016, 375:2154–2164 Matulonis UA et al., J Clin Oncol 2017, 35 (Suppl): Abstract 5534 Fabbro M et al., Ann Oncol 2017, 28 (Suppl 5): v330-v354, Abstract 934PD Mirza MR et al., J Clin Oncol 2017, 35 (Suppl): Abstract 5517 Mahner S et al., Annual Meeting of the Society of Gynecologic Oncology 2017, Präsentation Impressum Pressekonferenz zur Markteinführung von Zejula®, München, 28. November 2017 Berichterstattung: Dr. Beate Fessler, München Artikel gedruckt in: Der Gynäkologe, Band 51, Heft 2, Februar 2018 Der Onkologe, Band 24, Heft 2, Februar 2018 InFo Onkologie, Band 21, Heft 1, Februar 2018 Mit freundlicher Unterstützung der Tesaro Bio Germany GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Ann Köbler Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Rezidiviertes Platin-sensitives Ovarialkarzinom - PARP-Inhibitor verlängert PFS unabhängig von der BRCA-Mutation

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