Gynäkomastie: erstes Symptom einer zukünftigen Erkrankung?

Als Gynäkomastie bezeichnet man die Hypertrophie von Brustdrüsengewebe bei Männern. Ob die Erkrankung weitere Risiken birgt, wurde nun in einer Studie aus Dänemark näher betrachtet. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Gynäkomastie hat im Laufe eines Lebens drei deutliche Altersspitzen: im Säuglingsalter, in der Pubertät und im höheren Alter. Am häufigsten wird die Gynäkomastie bei Männern mittleren bis höheren Alters (> 40 Jahre) diagnostiziert, typischerweise im Zusammenhang mit einer reduzierten Androgenproduktion und gehäuft vorkommender Adipositas. Während der Kindheit und Pubertät bildet sich die Gynäkomastie in der Regel spontan innerhalb von Wochen bis Jahren zurück, während sie bei älteren Männern persistieren kann. Die echte Gynäkomastie muss von der Lipomastie unterschieden werden, die durch eine übermäßige Menge an Brustfettgewebe verursacht wird. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Dänemark und Südkorea wollte mögliche Auswirkungen der Gynäkomastie auf die langfristige Gesundheit herausfinden. Das Ziel war es, frühere Erkrankungen und zukünftige Krankheitsrisiken im Zusammenhang mit Gynäkomastie zu identifizieren. Dafür nutzten sie die Daten des Danish National Patient Registry (DNPR). Die Kohorte bestand aus allen Jungen und Männern, bei denen zwischen 1995 und Juni 2021 eine Gynäkomastie diagnostiziert worden war (n = 23.429). Jeder Teilnehmer wurde altersmäßig mit fünf zufällig ausgewählten Jungen und Männern aus der dänischen Bevölkerung ohne Gynäkomastie abgeglichen. Die gesamte Kohorte umfasste 140.574 Jungen und Männer. Die Probanden wurden in zwei Gruppen eingeteilt nach idiopathischer Gynäkomastie unbekannter Ursache oder Gynäkomastie mit einer bekannten Vorerkrankung oder aufgrund der Einnahme von Medikamenten, die mit dem Risiko einer Hypertrophie des Brustdrüsengewebes in Verbindung stehen. Eine Gynäkomastie mit bekanntem Risikofaktor war vorhanden, wenn vor bzw. am Tag der Gynäkomastiediagnose mindestens eine zugrundeliegende pathologische Diagnose, wie Testosteronmangel, Klinefelter-Syndrom, Leberinsuffizienz, Niereninsuffizienz, maligne Neoplasie, Alkoholkonsum, Fettleibigkeit, Cannabisabhängigkeit u. a., vorlag. Von den 23.429 Männern der Kohorte mit Gynäkomastie wiesen 16.253 (69,4%) eine idiopathische Gynäkomastie auf, sie warenüberwiegend zwischen 19 und 40 Jahre alt (44,3%). Die vorherrschenden Risikofaktoren (alle Altersgruppen) waren Medikamenteneinnahme (52,3%), Alkoholabhängigkeit (15,7%), Testosteronmangel (9,7%) und maligne Neoplasie (10,0%). Erhöhtes Raten an zukünftigen und Vorerkrankungen Die Forschenden untersuchten insgesamt zwölf unterschiedliche Erkrankungsbereiche nach der ICD-10-Klassifikation. Die Männer mit Gynäkomastie hatten in allen Bereichen ein statistisch signifikant höheres Risiko für zukünftige Erkrankung, wobei endokrine Störungen das größte Erkrankungsrisiko darstellten mit einem um 89% erhöhten Risiko. An zweiter Stelle standen muskuloskelettale und Bindegewebserkrankungen mit einem um 55% erhöhten Risiko, gefolgt von Hauterkrankungen (Risikoerhöhung um 42%), gastrointestinalen Erkrankungen (35%) und kongenitalen Malformationen (35%). Die Assoziationen waren bei Männern mit einem bekannten Risikofaktor für eine Gynäkomastiediagnose sogar noch stärker ausgeprägt. Zusätzlich war die idiopathische Gynäkomastie im Vergleich zu Männern ohne Gynäkomastie mit einer statistisch signifikant höheren Wahrscheinlichkeit einer Vorerkrankung in allen einbezogenen ICD-10-Klassifikationen verbunden, mit Ausnahme von psychiatrischen Erkrankungen, bei denen eine Risikominderung um 28% ermittelt wurde. Die häufigsten Komorbiditäten waren Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems und des Bindegewebes, des Kreislaufsystems und der Haut, mit Risikoerhöhungen um 51%, 36% bzw. 30%. Gynäkomastie eng mit endokrinen Erkrankungen verbunden „Obwohl die Gynäkomastie nicht als schwerwiegende Erkrankung gilt, zeigen unsere Ergebnisse eindeutig eine deutlich erhöhte Morbidität bei den betroffenen Männern, und zwar sowohl in Bezug auf die bisherige als auch auf die zukünftige Gesundheit“, schreiben die Studienautorinnen und -autoren um Cecilie S. Uldbjerg von der Universität Kopenhagen. Bei Gynäkomastie-Fällen, bei denen ein bekannter Risikofaktor im Zusammenhang mit einer Grunderkrankung festgestellt wurde, sei dies zu erwarten. Doch die beobachteten gesundheitlichen Auswirkungen der idiopathischen Gynäkomastie seien überraschend, fahren die Forschenden fort. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Gynäkomastie eng mit anderen endokrinen Erkrankungen verknüpft ist und ein erstes klinisches Symptom einer zukünftigen Erkrankung sein kann.“ Die häufig beobachteten Vorerkrankungen des muskuloskelettalen Systems und Bindegewebes sowie des Blutkreislaufs machten deutlich, dass die Gynäkomastie nicht nur als isolierter Zustand wahrgenommen werden dürfe, sondern eng mit schwereren Erkrankungen verbunden sei, so die Studiengruppe. Die Ergebnisse veranschaulichen, wie wichtig eine frühzeitige Diagnose, eine umfassende klinische Untersuchung und die Nachsorge der betroffenen Männer ist, um zugrunde liegende Pathologien zu identifizieren und mit einer wirksamen Behandlung und Prävention künftiger Krankheiten zu beginnen. Insbesondere ist es wichtig, den Bedarf an unterstützenden Behandlungsoptionen und möglichen Interventionen mit Schwerpunkt auf Ernährung und Lebensstil zu eruieren. Das Wichtigste in Kürze Frage: Haben Männer mit Gynäkomastie ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen und werden bei ihnen bestimmte Vorerkrankungen gehäuft diagnostiziert? Antwort: Die idiopathische Gynäkomastie war in allen in die Studie einbezogenen Krankheiten nach ICD-10 mit einem statistisch signifikant höheren Risiko für künftige Morbidität verbunden, allen voran endokrine Erkrankungen. Auch bestimmte Vorerkrankungen, wie die des muskuloskelettalen Systems, wurden statistisch signifikant häufiger beobachtet. Bedeutung: Das Vorhandensein einer idiopathischen Gynäkomastie ist ein wichtiges erstes Symptom einer Grunderkrankung und ein signifikanter Prädiktor für das zukünftige Krankheitsrisiko. Einschränkung: Es könnte ein Selektions-Bias vorliegen, da Männer mit Gynäkomastie, die einen Arzt aufsuchen, auch häufiger mit weiteren Erkrankungen diagnostiziert werden, im Gegensatz zu Männern, die einen Arztbesuch vermeiden.

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