Diskussion
Das kutane Angiosarkom stellt mit einem Anteil von 1–2 % der Weichteilsarkome und 5 % der kutanen Sarkome eine sehr seltene Tumorentität dar [
1]. Die Tumoren treten bei ungefähr 50 % der Patienten im Kopf-Hals-Bereich auf [
1]. Das idiopathische kutane Angiosarkom betrifft v. a. ältere Menschen mit deutlicher Bevorzugung des männlichen Geschlechts (Verhältnis 3 zu 1) [
1]. Die Klinik ist oft unspezifisch und die Prognose aufgrund hoher Lokalrezidivraten und früher hämatogener Metastasierung schlecht [
1]. Eine aktuelle Metaanalyse kam zu dem Ergebnis, dass die mittlere Fünfjahresüberlebensrate von Patienten mit Angiosarkom nur 33,5 % beträgt [
2]. Weiterhin wurden anhand dieser Analyse ein Lebensalter über 70 Jahre, eine primäre Tumorausdehnung größer 5 cm sowie die Lokalisation im Kopfbereich als Prädiktoren für eine schlechte Prognose identifiziert [
2].
Unser Fall führt die Schwierigkeit der Diagnosestellung sowie die Komplexität des Behandlungsverlaufes bei Patienten mit kutanem Angiosarkom vor Augen. Wie bei unserem Fall kommt es beim kutanen Angiosarkom häufig zu einer Verschleppung der Diagnosestellung durch die klinische Ähnlichkeit zu inflammatorischen Dermatosen. So können die Frühstadien mit teigigen Ödemen und Erythemen nicht nur an ein Quincke-Ödem denken lassen, sondern auch an eine Rosazea oder ein Erysipel erinnern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Mehrzahl der Patienten asymptomatisch ist und sich erst spät aufgrund von Blutung, Ödemen und/oder Ulzerationen ärztlich vorstellt [
3]. Ein weiteres Problem besteht darin, dass es klinisch nur schwer möglich ist, die tatsächliche Tumorausdehnung zu bestimmen. Mappingbiopsien können hier mehr Sicherheit bringen, oftmals wachsen die Tumoren jedoch primär multifokal, was eine operative Sanierung erschwert [
1]. Bei eingeschränkter Operabilität stellt die primäre Chemo- und/oder Strahlentherapie die Therapie der Wahl dar. Auch Kinaseinhibitoren, wie in unserem Fall Pazopanib, die die Angiogenese des Tumors hemmen, können vielversprechende Therapieoptionen darstellen. Die Wirksamkeit des Multikinaseinhibitors Pazopanib beim Angiosarkom wurde in mehreren klinischen Studien untersucht. So wurden in der PALETTE-Studie 369 Patienten mit Weichgewebssarkomen nach dem Zufallsprinzip mit 800 mg Pazopanib (
n = 246) oder Placebo (
n = 123) behandelt [
4]. Das mediane progressionsfreie Überleben in dieser Phase-III-Studie betrug 4,6 Monate für Pazopanib im Vergleich zu 1,6 Monate für Placebo (Hazard Ratio [HR] 0,31; 95 %-KI [Konfidenzintervall] 0,24–0,40;
p < 0,0001). Das Gesamtüberleben der Patienten betrug 12,5 Monate mit Pazopanib gegenüber 10,7 Monaten unter Placebo (HR 0,86; 95 %-KI 0,67–1,11;
p = 0,25). Die PALETTE-Studie konnte somit eine Überlegenheit von Pazopanib gegenüber Placebo nachweisen [
4], woraufhin die Substanz von der FDA (Food and Drug Administration) für die Indikation Weichteilsarkom zugelassen wurde. Aktuell werden Patienten im Rahmen einer Phase-III-Studie zur Bewertung der Wirksamkeit von Pazopanib zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem kutanem Angiosarkom in Japan rekrutiert (JCOG1605, JCOG-PACS).
In unserem vorliegenden Fall war nach Therapieversagen der Standardschemata eine Therapieumstellung auf Pembrolizumab geplant, da eine Therapie mit PD-1-Inhibitoren in Vergleich zu Chemotherapeutika besser verträglich ist. Die Erfahrungen mit Immuncheckpointinhibitoren beim kutanen Angiosarkom und die entsprechende Datenlage sind noch limitiert, was unter anderem daran liegt, dass zwar in zahlreichen Studien die Rolle der Immuntherapie bei Weichteilsarkomen untersucht wird, allerdings seltene Subtypen wie das Angiosarkom oft von einer Teilnahme ausgeschlossen werden. Die Ergebnisse größerer Studien stehen noch aus (NCT02815995), allerdings weisen Fallberichte und Zwischenberichte aus klinischen Studien darauf hin, dass Angiosarkome auf die Immuntherapie ansprechen könnten [
5‐
7]. Die 2016 veröffentlichte multizentrische Phase-II-Studie SARC028 untersuchte die Wirksamkeit und Verträglichkeit des PD-1-Inhibitors Pembrolizumab bei je 40 Patienten mit fortgeschrittenen Weichteil- und Knochensarkomen [
8]. Die Ergebnisse zeigten ein Ansprechen auf Pembrolizumab bei 18 % der Patienten mit Weichteilsarkom [
8]. Dies deutet auf eine Wirksamkeit von PD-1-Inhibitoren bei der Behandlung von Sarkomen hin. Aktuell werden Sarkompatienten in der SAINT-Studie rekrutiert, in der unter anderem das Zytostatikum Trabectedin und die CTLA-4-Hemmung mit Immuntherapie kombiniert werden (Ipilimumab und Nivolumab, NCT03138161) [
9]. Das Angiosarkomprojekt zur genetischen Sequenzierung von Angiosarkomproben hat gezeigt, dass manche kutane Angiosarkome UV-Mutationssignaturen aufweisen, wie sie beim Melanom gefunden wurden [
10]. Angesichts der hohen Mutationslast beim Melanom und der relativ hohen Ansprechraten auf die Immuntherapie bietet dies eine mögliche Hypothese, um die Hinweise auf ein Ansprechen von PD-1-Inhibitoren bei kutanen Angiosarkomen zu erklären.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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