20.04.2021 | Harnwegsinfektionen | Kasuistiken
Wie kommen Quecksilber und Selen in den Blasenstein eines 4‑jährigen Jungen?
Erstbeschreibung von mikroskopischen metallischen Einsprengungen von Quecksilber und Selen (Tiemannit) in einen Infektstein der Harnblase
verfasst von:
Dr. R. Moser, F. Zaccarini, T. Alber, R. Kerbl
Erschienen in:
Monatsschrift Kinderheilkunde
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Zusammenfassung
Wir stellen den Fall eines 4‑jährigen Jungen vor, der mit Blasensteinen stationär aufgenommen wurde. Wegen Harnwegsinfektionen bei vesikoureteralem Reflux und eines Uretersteins 2 Jahre zuvor war es zu einer Schrumpfniere gekommen. Durch Sectio alta wurden nun insgesamt 4 Blasensteine entfernt und einer davon mit der Elektronenstrahlmikroanalyse („electron microprobe“) untersucht. Dabei wurden in dem kombinierten Struvit-Apatit-Stein bis 15 µm große Partikeln, bestehend aus Quecksilber und Selen, gefunden, entsprechend dem auch in der Natur vorkommenden Mineral Tiemannit mit der chemischen Formel HgSe. Dieses Mineral wurde mit der Elektronenstrahlmikroanalyse erstmals im Menschen nachgewiesen und beschrieben. Das Kind lebt in keiner mit Quecksilber belasteten Umwelt und hat keine Vorliebe für quecksilberbelastete Meeresfrüchte. Die wahrscheinlichsten Ursachen für die quecksilberhaltigen Blasensteine sind die physiologische Aufnahme von Quecksilber und Selen mit der Nahrung und die Ausscheidung über die Nieren mit Einbau in den Blasenstein, begünstigt durch das alkalische Milieu im Rahmen von Harnwegsinfektionen. Die Entstehung von Tiemannit im Blasenstein kann als natürlicher Entgiftungsvorgang für Quecksilber verstanden werden.