Arznei-Lieferengpässe: Im Spannungsfeld von Patientensicherheit und Regulatorik

Das avisierte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist nur eine Stellschraube, an der Deutschland im Kampf gegen Arznei-Lieferengpässe drehen könne, hieß es beim Hauptstadtkongress. Sollte sich die EU-Kommission mit ihrem Vorhaben durchsetzen, Titandioxid aus Tabletten, Kapseln etc. zu verbannen, stehe nicht nur Deutschland ein potenzieller Lieferengpass bei verschiedenen Medikamenten bevor. Diese Einschätzung äußerte Thomas Müller, im Bundesgesundheitsministerium (BMG) Leiter der Abteilung 1 „Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie“, am Freitag beim Hauptstadtkongress in Berlin. Das Beispiel zeige, dass nicht nur die Auslagerung der Produktion ins außereuropäische Ausland, sondern auch äußerst hehre Ziele der EU Lieferengpässe bewirken können. Darüber hinaus werde das BMG im Rahmen des avisierten GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, dessen Entwurf laut Müller in den nächsten zwei Wochen der Öffentlichkeit präsentiert werden soll, im Rahmen der vergaberechtlichen Vorgaben eventuell bei den „Hochpreisern“ die Zügel anziehen und im Gegenzug dazu bei den „Niedrigpreisern“ die Daumenschrauben etwas lockern. Möglich sei zum Beispiel eine Diversifizierungsklausel bei den Beschaffungsverträgen, die vorsehen könnte, das bei einer Losausschreibung eine bestimmte Menge an Arzneimittel im Inland gefertigt sein müsste. Heinrich: Anforderungen auf den Prüfstand! Dr. Dirk Heinrich, Chef des Virchowbundes, forderte in Richtung BMG, die Anforderungen – zum Beispiel in puncto Medizinproduktegebrauch in der Praxis – zu überprüfen. „Wenn ich einen Metallspatel zwei Sekunden auf die Zunge des Patienten lege, muss dieses Medizinprodukt aufwändig und teuer sterilisiert werden. Im Restaurant dürfen Sie zwei Stunden an der Gabel lutschen, die dann anschließend nur gespült werden muss.“ In die gleiche Kerbe schlug auch Dr. Torsten Hoppe-Tichy, am Universitätsklinikum Heidelberg Leiter der Apotheke. Aufgrund verschiedener Lieferengpässe sei das UKHD auch gezwungen, auf Sonderwege auszuweichen, die nicht immer die Zustimmung des zuständigen Regierungspräsidiums fänden. Er vermisse bei den Entscheidungen eine Begründung. Bei den Medizinprodukten könnten – wie auch schon warnend aus der Branche zu vernehmen war – bis zu 20 Prozent des Sortimentes vom Markt verschwinden, wenn die strengen regulatorischen Anforderungen an die Hersteller im Zuge der zum 26. Mai 2021 in Kraft getretenen EU-Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation/MDR) nicht modifiziert würden, verdeutlichte Wilfried von Eiff, Professor für Krankenhausmanagement an der Uni Münster. Um Produktengpässen abseits der MDR vorzubeugen, sei eine internationale Kooperation von Einkaufsgemeinschaften oder auch der Einsatz von Hybrid- sowie Limited Patient Use-Produkten empfehlenswert. Letztere dürfen begrenzt wiederaufbereitet werden. Quelle: Ärzte Zeitung Empfehlung der Redaktion HSK 2022 Hauptstadtkongress 2022 22.–24. Juni 2022 | Berlin „Ein resilientes Gesundheitssystem – Mythos oder Möglichkeit?“, unter diesem Motto wurde 2022 beim Hauptstadtkongress viel diskutiert. Welche Spuren hat die Pandemie im Gesundheitssystem hinterlassen? Was sind die Herausforderungen der nächsten Jahre? Und wo hat der Fortschritt bereits Einzug erhalten? Die Highlights finden Sie im HSK-Kongressdossier.

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