Vericiguat erweitert Optionen

Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz (HF) waren bisher auf Basistherapien angewiesen. Mit Vericiguat eröffnet sich jetzt eine neue Therapiemöglichkeit. Vericiguat (Verquvo®) wurde im Juli 2021 in Europa zur Behandlung von symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz (HF) bei erwachsenen Patient*innen mit reduzierter Ejektionsfraktion zugelassen, die nach einem kürzlich aufgetretenen Dekompensationsereignis, das eine intravenöse (i.v.) Therapie erforderte, stabilisiert wurden [1]. Die Zulassung basiert auf Daten der Phase-III-Studie VICTORIA, in der die Wirksamkeit und Sicherheit von Vericiguat im Vergleich zu Placebo, jeweils in Kombination mit einer HF-Standardtherapie, bei insgesamt 5.050 Patient*innen untersucht wurde [2–4]. „Die Besonderheit der Studie war, dass erstmals Patient*innen mit chronischer HF und reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) eingeschlossen wurden, die vor kurzer Zeit eine akute Dekompensation erlitten hatten und nun wieder stabil waren“, erläuterte Co-Principal Investigator Prof. Dr. Burkert Pieske, Berlin [2–5]. Ein Dekompensationsereignis war definiert als HF-bedingte Hospitalisierung (HFH) innerhalb der vergangenen sechs Monate oder ambulante i.v.-Gabe eines Diuretikums aufgrund von HF innerhalb der letzten drei Monate. Der primäre Studienendpunkt war die Kombination aus kardiovaskulärem Tod oder erster HFH [3, 4]. Das vollständige Follow-up für den primären Endpunkt erreichten 2.515 (99,6%) der Patient*innen im Vericiguat-Arm und 2.511 (99,5%) der Studienteilnehmer*innen im Placebo-Arm [4]. In der untersuchten Population reduzierte Vericiguat zusätzlich zur Standardtherapie das Risiko des kombinierten primären Endpunkts statistisch signifikant um relativ 10% (Hazard Ratio [HR] 0,90; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,82– 0,98; p=0,019) [4]. Die absolute Risikoreduktion betrug 4,2 pro 100 Patientenjahre, was einer Number Needed to Treat (NNT) von 24 über eine mediane Nachbeobachtungszeit von 10,8 Monaten entspricht (Abb. 1) [4]. Die jährlichen Ereignisraten für Vericiguat und Placebo pro 100 Patientenjahre betrugen 33,6 bzw. 37,8 [4]. Abb. 1 VICTORIA-Studie: Signifikante Risikoredukton im kombinierten primären Endpunkt (Zeit bis zum kardiovaskulären Tod oder bis zur ersten Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierung) (modifiziert nach [4]) Springer Medizin Verlag GmbH × Als sekundäre Endpunkte untersuchte die VICTORIA-Studie die im primären Endpunkt kombinierten Endpunkte unabhängig voneinander. Vericiguat zusätzlich zur Standardtherapie reduzierte das Auftreten einer ersten HFH im Vergleich zu Placebo signifikant (HR 0,90; 95%-KI 0,81–1,00). Das Risiko für kardiovaskulären Tod reduzierte sich unter Vericiguat gegenüber Placebo numerisch (HR 0,93; 95%-KI 0,81–1,06; p=0,269). Als weiterer sekundärer Endpunkt wurde die Kombination aus erster HFH oder Tod jeglicher Ursache analysiert. Auch hier schnitt Vericiguat im Vergleich zu Placebo signifikant besser ab (HR 0,90; 95%-KI 0,83–0,98; p=0,02) [4]. „Diese Daten sind klinisch absolut relevant. Auch deshalb, weil bislang noch für keine Therapie in einer randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie eine Risikoreduktion in diesem Patientenkollektiv gezeigt werden konnte“, kommentierte Pieske. Als bemerkenswert bezeichnete Pieske zudem die Tatsache, dass die in VICTORIA untersuchten Patient*innen im Vergleich zu den Teilnehmer*innen anderer aktueller HF-Studien ein wesentlich höheres Risiko aufwiesen: „Dies zeigte sich in einer mehr als zweifach erhöhten Placebo-Ereignisrate für den primären Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod oder erster HFH und in doppelt so hohen Ausgangswerten des klinischen Markers NT-proBNP (B-Typ Natriuretisches Peptid)“, ergänzte der Kardiologe [4–9]. Gut verträgliche Therapie Vericiguat erwies sich in der VICTORIA-Studie zudem als gut verträglich, unerwartete oder außergewöhnliche Sicherheitssignale wurden nicht beobachtet. Die Gesamtinzidenzrate schwerwiegender unerwünschter Ereignisse war mit 32,8% unter Vericiguat versus 34,8% im Placebo-Arm vergleichbar [4]. Symptomatische Hypotonie und Synkopen traten unter Vericiguat nicht signifikant häufiger auf als in der Placebogruppe (9,1% vs. 7,9%). Eine Blutdrucksenkung kam lediglich zu einem frühen Zeitpunkt in der Aufdosierungsphase von Vericiguat vor, im weiteren Studienverlauf wurden keine relevanten Blutdrucksenkungen mehr beobachtet [4]. Vericiguat hat das Potenzial, die Abwärtsspirale aus Dekompensationen und klinischer Verschlechterung bei Patient*innen mit chronischer HF zu durchbrechen und die Betroffenen dadurch zu stabilisieren. Die Ergebnisse der VICTORIA-Studie können als bedeutsam angesehen werden, da die Studienteilnehmer*innen nach Dekompensation zusätzlich zur HF-Standardtherapie behandelt wurden und ein besonders hohes Risiko für kardiovaskulären Tod oder HFH hatten. Vericiguat wird bereits als neue Behandlungsoption in den aktuellen HF-Leitlinien genannt. Neues Wirkprinzip bei Herzinsuffizienz Die Therapie von Patient*innen mit chronischer HF nach Dekompensation ist mit der sGC-Stimulation um ein bei HF neues Wirkprinzip bereichert worden. Die Mortalität bei Patient*innen mit HF ist hoch und die Überlebensrate nach Diagnosestellung schlechter als bei Prostata- oder Blasenkrebs [15]. Darauf wies Prof. Dr. Dirk Westermann, Hamburg, nachdrücklich hin. „So liegt das Risiko, innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose an einer HF zu sterben, bei etwa 50%, wobei die Inzidenz der Erkrankung mit dem Alter erheblich ansteigt“, so der Kardiologe [16, 17]. Therapieziel ist die Stabilisierung In den letzten Jahrzehnten konnte die Sterblichkeit von Patient*innen mit systolischer HF dank des Einsatzes moderner Medikamente zur hämodynamischen Stabilisierung erheblich gesenkt werden [20, 21]. Trotz des Einsatzes dieser leitliniengerechten medikamentösen HF-Therapie müssen mehr als die Hälfte der Patient*innen mit sich verschlechternder Herzinsuffizienz innerhalb von 30 Tagen erneut ins Krankenhaus aufgenommen werden [2]. Problematisch daran ist, dass das Risiko, während einer Hospitalisierung oder innerhalb von drei Monaten nach einer Hospitalisierung zu versterben, bei Patient*innen mit einer sich verschlechternden chronischen HF erheblich höher ist als bei Patient*innen mit einer neu aufgetretenen HF [22]. „Dies lässt sich damit erklären, dass jede HF-Dekompensation die Patient*innen unwiederbringlich Myokard kostet“, betonte Westermann. Positive klinische Effekte Eine entscheidende Rolle für das kardiovaskuläre System und die Verschlechterung der Symptome bei Patient*innen mit fortschreitender HF spielt der Signalweg NO-sGC-cGMP (Stickstoffmonoxid – lösliche Guanylatzyklase – zyklisches Guanosinmonophosphat). „Bei HF ist dieser zentrale Signalweg gestört, was die myokardiale und vaskuläre Funktion, das linksventrikuläre System sowie Entzündung und Fibrose ungünstig beeinflusst“, erklärte Westermann [3, 23, 24]. NO ist der maßgebliche Mediator des Gefäßendothels. Aufgrund der bei Patient*innen mit HF bestehenden endothelialen Dysfunktion steht NO nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Dadurch kommt es zu einer unzureichenden Aktivierung der sGC. Die sGC ist ein Enzym des kardiopulmonalen Systems, das zugleich Rezeptor für NO ist. Sobald NO an die sGC bindet, katalysiert das Enzym die Synthese des Signalmoleküls cGMP. cGMP wiederum vermindert über eine Vielzahl nachgeschalteter Zielstrukturen den Gefäßtonus und vermittelt so antiproliferative, antifibrotische und antientzündliche Effekte [25]. Mit Vericiguat wurde jetzt erstmals in Europa ein Wirkstoff bei HF zugelassen, der auf die Wiederherstellung des defizitären NO-sGC-cGMP-Signalwegs abzielt. Vericiguat stimuliert die sGC direkt, und zwar unabhängig von und synergistisch mit NO. Dadurch kann die myokardiale und vaskuläre Funktion bei HF verbessert werden. Die Abwärtsspirale aufhalten Die HF ist eine progredient verlaufende Erkrankung. Sie ist gekennzeichnet durch relativ stabile Phasen, die jedoch immer wieder von akuten Dekompensationsereignissen unterbrochen werden. „Unter Dekompensation wird eine Eskalation der Anzeichen und Symptome der HF verstanden, die trotz einer bestehenden, leitlinienbasierten medikamentösen Therapie eine Behandlung inklusive der ambulanten Gabe von i.v. Diuretika bis hin zur Hospitalisierung notwendig machen“, erläuterte Prof. Dr. Barbara Richartz, Kardiologie Zentrum München Bogenhausen. Mit jedem Dekompensationsereignis, das eine neuerliche ambulante oder stationäre Stabilisierung erfordert, geht unwiederbringlich ein Teil der Herzfunktion verloren: „Dadurch geraten die betroffenen Patient*innen in eine stetige Abwärtsspirale“, so die Kardiologin [2, 10–12]. Mit abnehmender Herzfunktion verkürzen sich die Abstände zwischen den Hospitalisierungen, und das Mortalitätsrisiko nimmt zu [10–12]. Wie Richartz ausführte, liegt das mediane Überleben nach der ersten Hospitalisierung aufgrund einer HF bei 2,4 Jahren und nach der vierten Hospitalisierung dann nur noch bei etwa sieben Monaten [13]. In einer aktuellen Studie mit mehr als 11.000 Patient*innen betrug die 2-Jahres-Sterberate 22,5 Prozent. 56 Prozent der Patient*innen in dieser Studie wurden innerhalb von nur 30 Tagen nach der HF-Verschlechterung erneut hospitalisiert: „Nach der Dekompensation ist vor der Dekompensation“, kommentierte Richartz diesen Befund [2]. Literatur Fachinformation Verquvo®, Stand: Juli 2021 Butler J et al., Circulation 2019, 73:935–944 Armstrong PW et al., JACC Heart Fail 2018, 6:96–104 Armstrong PW et al., N Engl J Med 2020, 382:1883–1893 Hicks KA et al., Circulation 2015, 132:302–361 McMurray JJV et al., N Engl J Med 2014, 371:993–1004 McMurray JJV et al., N Engl J Med 2019, 381:1995–2008 Packer M et al., N Engl J Med 2020, 383:1413–1424 Teerlink JR et al., N Engl J Med 2021, 384:105–116 Gheorghiade M et al., Am J Cardiol 2005, 96(6A):11G–17G Cowie MR et al., ESC Heart Fail 2014, 1:110–145 Greene SJ et al., JAMA Cardiol 2018, 3:252–259 Setoguchi S et al., Am Heart J 2007; 154:260–266 Ponikowski P et al., ESC Heart Fail 2014; 1:4–25 Mamas MA et al., Eur J Heart Fail 2017, 19:1095–1104 Conrad N et al., Lancet 2018, 398: 572–580; Benjamin EJ et al., Circulation 2019, 139:e56–e528 Bozkurt B et al., Eur J Heart Fail 2021, 23:352–380 Shah KS et al., J Am Coll Cardiol 2017, 70:2476–2486 McMurray JJV, Eur Heart J 2015, 36:3467–3470 Vaduganathan M et al., Lancet 2020, 396:121–128 Degoricija V et al., Sci Rep 2018, 8:9587 Buglioni A, Burnett JC Jr, Annu Rev Med 2016, 67:229–243 Gheorghiade M et al., Heart Fail Rev 2013, 18:123–134 Buglioni A, Burnett JC Jr, Annu Rev Med 2016, 67:229–243 PP-M_VER-DE-0030-1 Art.-Nr. 88288491 Impressum Virtuelle Pressekonferenz zur Zulassung von Verquvo® (Vericiguat): „Stabilität bei Herzinsuffizienz: mit Verquvo® gegen die Abwärtsspirale nach Dekompensation“, 19. August 2021 Bericht: Dr. Silke Wedekind, Frankfurt a.M. Artikel gedruckt in CardioVasc 5/21 Mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Leverkusen Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Tobias Berenz Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Chronische Herzinsuffizienz - Vericiguat erweitert Optionen

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