Makrolide und Hörsturz: US-Forscher finden Zusammenhang

In einer US-Studie fanden sich Assoziationen zwischen der Einnahme von Makrolidantibiotika und dem Auftreten eines Hörverlusts im Kindesalter. Ob zwischen beiden jedoch ein kausaler Zusammenhang besteht, lässt sich mit der retrospektiven Fallserie nicht klären. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Für einen neu aufgetretenen sensorineuralen Hörverlust (SNHL) bei Kindern oder Jugendlichen gibt es oft keine ausreichende Erklärung. Eine Studie aus dem Brigham and Women’s Hospital in Boston, Massachusetts, hat jetzt untersucht, welche Rolle die vorherige Einnahme von Makrolidantibiotika in diesem Zusammenhang spielen könnte. In der retrospektiven Fallkontrollstudie wurden 875 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 0 und 18 Jahren, die einen SNHL erlitten hatten, mit ebenso vielen nach Alter und Geschlecht abgestimmten gesunden Probanden verglichen, deren Hörvermögen zur gleichen Zeit getestet wurde. Die Teilnehmenden waren median knapp sechs Jahre alt. Verdacht aus Fallserien mit Erwachsenen An vorherigen Antibiotikaverschreibungen wurden einerseits Makrolide und andererseits Penicilline betrachtet. Für Erstere besteht aus früheren Fallserien mit Erwachsenen der Verdacht, dass sie, zumindest in hohen Dosen, einen Hörsturz auslösen können. Für Letztere wurde ein solcher Zusammenhang bislang nicht berichtet. Ein Makrolidantibiotikum hatten von den Betroffenen mit SNHL im Jahr zuvor knapp 70% eingenommen, eine Substanz aus der Klasse der Penicilline etwa 30%. Bei den Probanden ohne Hörsturz lagen die entsprechenden Anteile bei 62% bzw. knapp 38%. Damit waren SNHL-Patientinnen und -Patienten um relative 37% häufiger einem Makrolid statt einem Penicillin ausgesetzt gewesen als Teilnehmende ohne Hörprobleme. Um möglichst auszuschließen, dass der Hörverlust z. B. mit einer Otitis media zusammenhing – diese wird vor allem bei Kleinkindern ggf. mit Makrolidantibiotika behandelt –, wurde diese Indikation in einer weiteren Analyse rechnerisch berücksichtigt, ebenso wie eine akute Pharyngitis, familiäre Vorbelastung, geringes Geburtsgewicht oder Sauerstoffmangel bei der Geburt. Unter diesen Umständen war die Wahrscheinlichkeit einer vorausgegangenen Makrolidexposition noch um relative 31% höher. Deutliche Assoziation bei Auftreten nach 180 Tagen Bei der Gegenüberstellung der Paare (mit bzw. ohne SNHL) hatte man auf ein ähnliches Zeitfenster der Antibiotikaverschreibung vor dem Hörtest geachtet. Unterschieden wurden vier Gruppen: innerhalb eines Monats, zwischen 31 und 90 Tage, zwischen 91 und 180 Tage oder 181 bis 365 Tage vor dem Hörverlust. Dabei wurde es mit zunehmendem Abstand zwischen Antibiotikaeinnahme und Hörsturz wahrscheinlicher, dass ein Makrolid statt Penicillin im Spiel gewesen war (OR für das Auftreten eines SNHL nach 31 bis 90 Tagen: 1,11 = nicht signifikant; nach 181 bis 365 Tagen: 1,79 = signifikant). Für Dr. Kirsten F. Dabekaussen und ihr Team ergibt sich daraus folgendes Fazit: Kinder und Heranwachsende, die mehr als 180 Tage nach Einnahme eines Antibiotikums die Diagnose Hörsturz erhielten, hatten mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Makrolid verschrieben bekommen als ein Medikament aus der Klasse der Penicilline. Was das für die Praxis bedeutet, müssten jedoch weitere Studien klären. Die Forscherinnen und Forscher lassen es sich allerdings nicht nehmen, darauf hinzuweisen, „dass der ungezielte oder allzu liberale Einsatz von Antibiotika negative Effekte haben kann“. Das Wichtigste in Kürze Frage: Erhöht der Einsatz von Makrolidantibiotika in der ambulanten pädiatrischen Praxis das Risiko eines sensorineuralen Hörverlusts (SNHL)? Antwort: Die Ergebnisse einer Fallkontrollstudie zeigen, dass bei Kindern und Jugendlichen mit SNHL die Wahrscheinlichkeit einer vorherigen Einnahme von Makroliden größer ist als die von Antibiotika aus der Klasse der Penicilline. Das gilt insbesondere, wenn der Abstand zwischen Verschreibung und Diagnose mehr als 180 Tage beträgt. Bedeutung: Inwieweit Makrolide ursächlich zum SNHL-Risiko im Kindes- und Jugendalter beitragen, müssen weitere Studien zeigen. Einschränkung: Retrospektive Studie auf der Grundlage von Daten eines US-Versicherungsunternehmens für Militärangehörige (TRICARE).

Springer Medizin

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