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25.01.2023 | Hyperkaliämie | Nachrichten

Studie aus Boston

Hyperkaliämie unter RAASi: Therapiestopp ist nicht die Lösung!

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Eine Hyperkaliämie infolge einer Therapie mit RAAS-Inhibitoren ist riskant. Das Gleiche gilt jedoch für das Absetzen der Medikamente, wie ein Team aus Boston in einer retrospektiven Studie darstellt. Ihr Vorschlag: die Patientinnen und Patienten eng überwachen und die Hyperkaliämie gegebenenfalls frühzeitig therapieren.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Wenn Patienten unter einer Therapie mit Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAASi) eine Hyperkaliämie entwickeln, werden die Medikamente häufig abgesetzt oder die Dosis reduziert. Welche Folgen dieses Vorgehen hat, hat ein Team aus Boston untersucht. In der retrospektiven Studie war einerseits die therapiebedingte Hyperkaliämie mit einem deutlich erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, Nierenschäden oder Tod (primärer kombinierter Endpunkt) assoziiert. Andererseits waren aber auch das Stoppen oder Zurückfahren der RAASi riskant, mit einem deutlichen Anstieg des kumulativen 5-Jahres-Risikos für den kombinierten Endpunkt unter Berücksichtigung zahlreicher Variablen. Die Forschenden um Matthew Johnson vom Bostoner Brigham and Women’s Hospital schlagen anstelle des Therapieabbruchs ein enges Monitoring und gezielte Maßnahmen vor, um Hyperkaliämien zu vermeiden bzw. diese rechtzeitig zu behandeln. Unter diesen Umständen könnten die Patientinnen und Patienten weiterhin von den Vorteilen einer adäquat dosierten RAASi-Behandlung profitieren.

Bei Hyperkaliämie werden RAASi oft gestoppt

Die Studie beinhaltet Daten von insgesamt 82.732 Erwachsenen (median 66 Jahre alt) mit expliziter Indikation für eine RAASi-Therapie. Gut 54% hatten eine koronare Herzkrankheit, knapp 30% Diabetes mellitus mit Proteinurie, gut 27% eine chronische Nierenerkrankung und etwa 9% eine Herzinsuffizienz mit einer LVEF ≤ 40%.

Im ersten Jahr nach Studienbeginn entwickelten rund 9% aller Teilnehmenden eine Hyperkaliämie mit Kaliumwerten von median 5,4 mEq/l. Bei den davon Betroffenen war die Wahrscheinlichkeit einer Deintensivierung der RAASi-Therapie (Dosisreduktion oder Absetzen zusammengenommen) deutlich größer (34% gegenüber 29%), und zwar abhängig von der Ausprägung der Hyperkaliämie.

Für Johnson und sein Team ist es bemerkenswert, dass nur eine Minderheit, nämlich rund 23% der Patienten mit Hyperkaliämie kaliumsenkende Medikamente wie Schleifendiuretika, Thiaziddiuretika oder Kaliumbinder erhielten.

Über eine mediane Beobachtungszeit von 5,7 Jahren erreichten knapp 44% aller Teilnehmenden den zusammengesetzten primären Endpunkt, wobei das kumulative 5-Jahres-Risiko signifikant von der Entwicklung einer Hyperkaliämie abhing (64% mit, 37% ohne). Unter Berücksichtigung relevanter Einflussfaktoren war das Risiko bei Vorliegen einer Hyperkaliämie um relative 57% erhöht. Der Risikoanstieg betraf alle Indikationsgruppen, von den Diabetikern über die Patienten mit Herzinsuffizienz bis zu den Nierenkranken. Die Betroffenen hatten außerdem ein deutlich erhöhtes Risiko eines Besuchs in der Notaufnahme oder eines Klinikaufenthalts.

Therapieabbruch bringt Herz und Niere in Gefahr

Insgesamt wurde bei fast jedem dritten der Studienteilnehmer (30%) die RAASi-Therapie zurückgefahren, wobei das in der Regel einen kompletten Stopp bedeutete (Fortsetzung der Medikation in reduzierter Dosis nur in 3,6% der Fälle). Das komplette Absetzen war mit einem kumulativen 5-Jahres-Risiko von 49% für den primären Endpunkt verbunden, die Dosisreduktion mit einem Risiko von 50% (gegenüber 36% bei unveränderter Therapiefortsetzung). Insgesamt entsprach das einer relativen Risikoerhöhung um 28% in der adjustierten Analyse. Am stärksten ausgeprägt war diese bei Nierenpatienten mit Proteinurie (HR 1,42), gefolgt von Diabeteskranken mit Proteinurie (HR 1,28).

Johnson und sein Team gehen davon aus, dass aus Angst vor einer Hyperkaliämie vielen Patienten sogar eine empfehlungsgemäß dosisreduzierte Therapie vorenthalten wird. Die Forschenden schlagen vor, Titrationsprotokolle zu entwickeln, die eine enge Überwachung der Kaliumwerte und ggf. prompte Behandlung einer Hyperkaliämie beinhalten. Dies würde den Patientinnen und Patienten ermöglichen, höhere und damit wirksamere Dosen zu erhalten. Als Behandlungsoptionen bei Hyperkaliämie nennen die Studienautoren kaliumarme Ernährung, Diuretika, SGLT-2-Inhibitoren und kaliumbindende Medikamente.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Welche Folgen hat eine Hyperkaliämie infolge einer indizierten Therapie mit Hemmstoffen des Renin-Angiotensin-Systems (RAASi)?

Antwort: Das kumulative 5-Jahres-Risiko für den zusammengesetzten primären Endpunkt (kardiovaskuläres Ereignis, renale Dysfunktion, Tod) war für Teilnehmende, die eine Hyperkaliämie entwickelt hatten, signifikant höher (64% gegenüber 37%). Bei Patienten mit Hyperkaliämie war die Wahrscheinlichkeit eines Therapieabbruchs oder einer Dosisreduktion deutlich erhöht. Unter diesen Umständen betrug das 5-Jahres-Risiko für den primären Endpunkt 50% (gegenüber 36% bei Fortsetzung der RAASi-Therapie).

Bedeutung: Der Abbruch einer RAASi-Therapie als Reaktion auf eine Hyperkaliämie ist mit einer signifikanten Risikoerhöhung verbunden. Dabei stünden effektive Maßnahmen zur Behandlung der Hyperkaliämie zur Verfügung, die eine Fortsetzung der Therapie erlauben.

Einschränkung: Retrospektive Studie; Rückschlusse auf kausale Zusammenhänge nicht möglich; Studie zum Teil gesponsert von AstraZenca.

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Literatur

Johnson M et al. Outcomes in Patients with Cardiometabolic Disease Who Develop Hyperkalemia While Treated with a RAAS Inhibitor. Am Heart J 2023; https://doi.org/10.1016/j.ahj.2023.01.002

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