Die Hochdruck- bzw. Herzinsuffizienztherapie mit Vasodilatatoren kann bei Hitze zur Herausforderung werden: Ein Kardiologe aus dem US-Bundesstaat Arizona beobachtet zunehmend Fälle von Synkopen. Sein Rat: Täglich Blutdruck messen und die Dosis gegebenenfalls anpassen.
Was eine Hochdruck- und KHK-Patientin aus dem Südwesten der USA ihrem Arzt vor einigen Jahren im Hitzemonat Juli berichtet, wird für diesen zum „Aha-Erlebnis“: Bei der routinemäßigen Durchsicht ihrer Medikamentenliste erwähnt die berentete Krankenschwester aus Tucson im Bundesstaat Arizona mehr zufällig, dass sie von dem verschriebenen Blutdrucksenker Enalapril an heißen Tagen nur die Hälfte der empfohlenen Dosis einnehme. Vorgesehen ist zweimal täglich je eine 20-mg-Tablette. Aber: „Wenn ich im Sommer die 20 mg nehmen würde, käme ich morgens gar nicht aus dem Bett vor lauter Schwindel!“
Bei Hitze gilt nicht das Gleiche wie im Winter!
Dem Kardiologen Dr. Joseph Alpert, der auch als Chefredakteur für das „American Journal of Medicine“ tätig ist, fällt es wie Schuppen von den Augen: Natürlich kann man während der heißen und trockenen Sommermonate, wie sie in Arizona (und mittlerweile auch in weiten Teilen Europas!) üblich sind, nicht die gleiche Dosis an Blutdrucksenkern verschreiben wie in kalten Wintermonaten. Wer in einem solchen Trockengebiet lebe, sei im Sommer allein schon wegen der meteorologischen Bedingungen stets leicht dehydriert und vasodilatiert. Bei Einnahme potenter Vasodilatatoren könnten sich daraus ideale Bedingungen für einen Kreislaufkollaps ergeben.
Stürze bei Hochdruckpatienten nehmen zu
Nach Alpert bestätigen zwei aktuelle Studien, dass es im Südwesten der USA an heißen, trockenen Tagen gehäuft zu Synkopen kam, und zwar vor allem bei älteren Patientinnen und Patienten, die Medikamente gegen pectanginöse Beschwerden, zur Behandlung einer Herzinsuffizienz und/oder gegen Bluthochdruck nahmen. Für den Kardiologen, der lange Jahre im nordöstlich in den USA gelegenen Massachusetts tätig gewesen war, bevor er kürzlich nach Arizona zog, ist dieses Phänomen neu. Allein zwischen Anfang Juni und Mitte August 2022 erfuhr er von gleich sechs geriatrischen Patienten, die nach einem Schwindelanfall gestürzt waren und sich dabei teilweise schwere Verletzungen zugezogen hatten, darunter operationspflichtige Hüft- bzw. Humerusfrakturen. In allen Fällen hatte entweder ein schwer einstellbarer Hypertonus oder eine Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion vorgelegen. Alle Betroffenen hatten regelmäßig Blutdrucksenker (vor allem Vasodilatatoren) in substanzieller Dosis eingenommen.
Auffällig findet Alpert, dass alle an Herzinsuffizienz Erkrankten mit dem zweifach vasodilatierend wirkenden Kombinationspräparat Sacubitril/Valsartan behandelt waren. Die Blutdrücke lagen bei Klinikeinweisung durchweg unter 115 mmHg systolisch. Nach Absetzen der Blutdrucksenker stiegen die Werte wieder in den Normbereich.
Dosis gegebenenfalls reduzieren!
Für den Praxisalltag ergibt sich daraus nach Alpert folgende Lektion: Wer in generell heißen Gegenden Patienten mit blutdrucksenkenden Medikamenten behandelt, muss die täglichen Wetterbedingungen berücksichtigen. Steige das Thermometer, könne es sinnvoll sein, die Dosis zu senken, vor allem bei geringer Luftfeuchtigkeit. „Ich erwarte, dass solche Probleme sich mit der zunehmenden Erderwärmung in Zukunft häufen werden“, so Alperts düstere Prognose.
Seinen eigenen Patientinnen und Patienten im Seniorenalter rät der Kardiologe, sich morgens in Ruhe hinzusetzen und nach ein paar Minuten Wartezeit den Blutdruck zu messen, am besten mit einem automatischen Gerät. Liege der systolische Wert unter 120 mmHg, sollten die Patienten einen ihrer Blutdrucksenker, sei es Losartan, Amlodipin oder Lisinopril, halbieren. Empfehlenswert sei außerdem das Führen eines Blutdrucktagebuchs. Auf dieser Grundlage könne man später ein individuelles Regime für Sommer- und Wintermonate festlegen. Besonders vorsichtig ist Alpert mittlerweile bei Patienten, die die Fixkombi Sacubitril/Valsartan einnehmen: „Ich habe wiederholt beobachtet, das ältere Patienten, vor allem solche mit größeren Blutdruckschwankungen, eine aggressive Blutdrucksenkung nicht tolerieren.“