Skip to main content

22.07.2022 | ICD-Implantation | Nachrichten

Frauen im Nachteil

Vor ICD-Implantation wird nicht genug aufgeklärt!

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Bei der Aufklärung zu möglichen Risiken und Komplikationen im Zusammenhang mit implantierbaren Defibrillatoren (ICD) bestehen europaweit offenbar erhebliche Defizite. Einer Umfrage zufolge werden vor allem Frauen wichtige Informationen, z. B. zur Möglichkeit der Deaktivierung am Lebensende, vorenthalten.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Die Entscheidung, einen Defibrillator (ICD) zu implantieren, hat für Patientinnen und Patienten weitreichende Konsequenzen. Während auf der einen Seite Fälle von plötzlichem Herztod verhindert werden können, muss auf der anderen Seite mit unerwarteten Schocks gerechnet werden, vor allem zum Lebensende hin. Dies führt bei vielen Betroffenen zu Belastungen und Ängsten, welche die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen können.

Mehr als 1800 ICD-Trägerinnen und -träger befragt

Wie sehr es im Vorfeld des Eingriffs mit der ärztlichen Aufklärung hapert, legt eine Online-Umfrage nahe, die die European Heart Rhythm Association (EHRA) unter dem Titel „Living with an ICD“ in mehreren europäischen Ländern in Auftrag gegeben hat. Daran teilgenommen haben insgesamt 1809 ICD-Trägerinnen und -Träger, die das Gerät seit median fünf Jahren im Körper hatten. Die meisten stammten aus Deutschland, Polen und Frankreich und waren zwischen 40 und 80 Jahre alt.

Zwar gaben rund 72% im Fragebogen an, sie hätten sich zum Zeitpunkt der Implantation „optimal informiert“ gefühlt. Gezielte Fragen brachten jedoch gravierende Defizite ans Licht:

  • Nur etwas mehr als die Hälfte war aktiv in den Entscheidungsprozess pro oder contra ICD involviert worden.
  • Die Hälfte hatte keine Informationen über mögliche Komplikationen erhalten.
  • Nur 29% fühlten sich aktuell ausreichend informiert (vor allem darüber, was Umstehende im Fall einer Schockabgabe tun sollten).
  • Nur einem Viertel war zum Zeitpunkt der Implantation bekannt, dass es die Möglichkeit der Deaktivierung am Lebensende gibt.
  • 31% hatten nach der Implantation psychologische Unterstützung angeboten bekommen.
  • 45% wussten nichts von speziellen Beschränkungen beim Autofahren.

Defizite vor allem bei Frauen

Frauen waren bei der ärztlichen Aufklärung offenbar besonders kurz gekommen. Die Rate derer, die angab, vollumfänglich über verfügbare Therapieoptionen und mögliche Alternativen zum ICD informiert worden zu sein, betrug bei ihnen gut 60%, dagegen 70% bei Männern. In den Entscheidungsprozess waren nur 47% (gegenüber 56%) einbezogen worden. 45% (gegenüber 34%) hätten vor dem Eingriff gerne mehr über die Konsequenzen gewusst.

Insgesamt hatten mehr als 7% keine Ahnung, welchen Gerätetyp sie in der Brust trugen und immerhin 3% konnten nicht einmal sagen, wofür der ICD überhaupt gut war.

Fehlende Informationen zur Deaktivierung

Nach Łukasz Januszkiewicz und seinem Team von der Medizinischen Universität Warschau hat das Gefühl, gut über das Implantat informiert zu sein, bei ICD-Patienten deutlichen Einfluss auf die Lebensqualität. Dies habe man bereits in einer früheren Studie zeigen können. Angesichts der Umfrageergebnisse sehen die Forschenden einen „klaren Bedarf nach verbesserter Kommunikation zwischen Behandelnden und Patienten“. Ärzte müssten sich mehr Zeit nehmen, um die Prozedur selbst, aber auch Risiken und mögliche Konsequenzen, insbesondere die mögliche Inaktivierung in bestimmten Fällen, mit den Patientinnen und Patienten zu besprechen. Laut Fragebogen wollten fast alle Teilnehmenden über diesen heiklen Punkt informiert und in die Entscheidung einbezogen werden. Dem Forscherteam zufolge war es auch interessant zu sehen, zu welchem Zeitpunkt sich die Betroffene diese Diskussion wünschten: nämlich mehrheitlich entweder vor der Implantation oder nach eingetretener Verschlechterung.

Letztlich ergibt sich für Januszkiewicz und Kollegen vor allem ein Fazit: Je größer das Verständnis und das Wissen um die Funktion, den Nutzen und die Grenzen des Implantats, desto größer die Akzeptanz, die Adhärenz und damit auch die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie umfassend werden Herzpatientinnen und -patienten vor Implantation eines implantierbaren Defibrillators (ICD) in den Entscheidungsprozess einbezogen und über mögliche Komplikationen informiert?

Antwort: Etwa 50% gaben an, keine Informationen darüber erhalten zu haben. Einem Viertel war nicht bekannt, dass es in bestimmten Situationen die Möglichkeit der Deaktivierung gibt. Frauen fühlten sich im Schnitt schlechter informiert und waren seltener in den Entscheidungsprozess involviert als Männer.

Bedeutung: Um die Akzeptanz der ICD-Therapie zu verbessern, ist eine umfassende Aufklärung unerlässlich.

Einschränkung: Fragebogenstudie; Online-Umfrage; Angaben subjektiv; Aufklärungsmodalitäten von Zentrum zu Zentrum sowie international unterschiedlich.

print
DRUCKEN
Literatur

Januszkiewicz L et al. Major gaps in the information provided to patients before implantation of cardioverter defibrillators: a prospective patient European evaluation. Eur J Heart Fail 2022; https://doi.org/10.1002/ejhf.2600

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Innere Medizin

Mit medbee Pocketcards sicher entscheiden.

Seit 2022 gehört die medbee GmbH zum Springer Medizin Verlag

Update Innere Medizin

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.