08.08.2024 | Innere Medizin | Schwerpunkt: Strukturfragen im Gesundheitswesen: Patientensteuerung
Medizinischer Fachkräftemangel als strukturelles Problem
verfasst von:
Dr. med. Susanne Johna
Erschienen in:
Die Innere Medizin
|
Ausgabe 9/2024
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Zusammenfassung
Das Gesundheitswesen in Deutschland zeichnet sich durch eine flächendeckende, wohnortnahe Patientenversorgung aus. Gleichwohl drohen durch den zunehmenden Fachkräftemangel Engpässe, die nicht nur vorübergehender Natur sind. Der demografiebedingt zunehmende Versorgungsbedarf, unzureichende Gesundheitskompetenz vieler Menschen und die mangelnde Prävention werden die Nachfrage nach medizinischen und pflegerischen Fachkräften deutlich verstärken. Gleichzeitig verlassen Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal aus den geburtenstarken Babyboomer-Jahrgängen das Gesundheitswesen. Diese Alterskohorte muss nunmehr durch jüngere Arbeitskräfte ersetzt werden. In Deutschland werden jedoch gemessen am Bedarf zu wenige Ärztinnen und Ärzte ausgebildet. Ein deutlicher Ausbau der Medizinstudienplätzen wird den Mangel kurzfristig nicht lindern können, perspektivisch führt aber kein Weg an einer Kapazitätsausweitung vorbei. Der Rückgang an Vertragsärztinnen und -ärzten, insbesondere in der hausärztlichen Versorgung, geht einher mit einem deutlichen Anstieg von Angestellten im ambulanten Bereich. Über alle Alterskohorten hinweg ist der Wunsch nach geringeren Arbeitszeiten erkennbar. Die Teilzeitquote steigt. Die Diskrepanz zwischen gewünschten und tatsächlichen Arbeitszeiten wird weithin unterschätzt. Dabei zeigt schon die gestiegene Teilzeitquote, dass sich etwas grundlegend ändern muss, um in den kommenden Jahren ausreichend ärztliche Arbeitskraft und Arbeitszeit für die Versorgung der Patientinnen und Patienten bereitstellen zu können. Der Zusammenhang zwischen gestiegener Teilzeitquote und Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation in den Kliniken ist evident und hat Auswirkungen auf die ärztliche Versorgung. In einem multifaktoriellen Geschehen verstärken sich Ursachen und Folgen von Fachkräfteengpässen in einer Negativspirale. Kurzfristig wird dem Mangel an medizinischem Fachpersonal nur durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Versorgungsbereich und durch eine massive Entbürokratisierung begegnet werden können. Zweifellos kann die Digitalisierung des Gesundheitswesens zur Entlastung beitragen. Telemedizinische Anwendungen können die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen verbessern.