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14.08.2024 | Online-Artikel

Aktuelle Empfehlungen

Internationaler Experten-Konsensus zum Vitamin-B12-Mangel

Wird Vitamin-B12-Mangel nicht rechtzeitig behandelt, kann er schwerwiegende Folgen haben. Ein internationales Experten-Gremium hat daher ein Konsensus-Statement erarbeitet mit Empfehlungen für das Management des Mangels in der Praxis. Hier finden Sie fünf relevante Empfehlungen im Überblick.

1. Klinische Symptome haben die höchste Relevanz bei der Diagnosestellung. 

Ein Vitamin-B12-Mangel kann verschiedene Organsysteme beeinträchtigen, insbesondere die Blutbildung im Knochenmark sowie das zentrale und periphere Nervensystem. Die dadurch verursachten Symptome sind sehr vielfältig und meist unspezifisch, wodurch der Mangel oftmals lange nicht erkannt wird.
Hämatologische Manifestationen wie die megaloblastäre Anämie können durch übliche Labormarker leichter diagnostiziert werden, allerdings geht ein Mangel nicht immer mit hämatologischen Veränderungen einher. Bei etwa 30 bis 50% der Patienten mit Vitamin-B12-Mangel sind das periphere und zentrale Nervensystem betroffen. Auch psychiatrische Symptome wie depressive Verstimmung und kognitive Dysfunktion sind verbreitete Mangelsymptome. Die neuropsychiatrischen Mangelsymptome sind häufig, sind aber nach Einschätzung der Experten in der Praxis am schwierigsten mit dem Vitamin-B12-Mangel in Verbindung zu bringen. Die Experten empfehlen daher, diesen Symptomen bei Risikogruppen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und bei Verdacht eine geeignete Diagnostik einzuleiten. 

2. Die klinische Untersuchung und Anamnese liefern wertvolle Hinweise auf die möglichen Ursachen des Mangels. 

Dabei sollten die Erkrankungshistorie, der Lebensstil und die Medikation des Patienten berücksichtigt werden. Ursache für einen Vitamin-B12-Mangel kann eine zu geringe Zufuhr mit der Nahrung wie bei der vegetarischen bzw. veganen Ernährung sein.
 Bei Erwachsenen ist jedoch eine gestörte Absorption die häufigste Ursache eines klinisch manifesten Mangels. So können gastrointestinale Erkrankungen einen Vitamin-B12-Mangel verursachen. Ein relevantes Problem in der Praxis sind zudem Pharmakotherapie, die die Vitamin-B12-Aufnahme im Darm stören, wie die Behandlung mit Protonenpumpenhemmern (PPI) oder dem Diabetes-Medikament Metformin.

Achtung: Vitamin-B12-Mangel durch Metformin

Studien zeigen eine dosisabhängige Assoziation zwischen der täglichen Metformineinnahme, erniedrigten Vitamin-B12-Spiegeln und einem erhöhten Risiko für Neuropathien. Niedrige Serum-Vitamin-B12-Spiegel sind bei Personen, die mit Metformin behandelt werden, mit einer höheren Neuropathie-Inzidenz und einem schlechteren Neuropathie-Score assoziiert. Bei diesen Patienten sollte daher regelmäßig (einmal pro Jahr) der Vitamin-B12-Status überprüft werden.

Mangelgefährdet sind zudem Personen mit Autoimmunerkrankungen oder Familienmitgliedern mit Perniziöser Anämie.

Ältere Menschen sind besonders häufig von einem Mangel betroffen. Zum einen liegen bei ihnen vermehrt chronische Erkrankungen und Dauermedikationen vor, die die Vitamin-B12-Resorption beeinträchtigen. Zum anderen kann auch eine Vitamin-B12-Malabsorption auftreten, der keine der genannten Ursachen zugrunde liegt.

Risikofaktoren für einen Vitamin-B12-Mangel im Überblick:
  • Ernährung: wenig tierische Lebensmittel
  • Fortgeschrittenes Alter 
  • Pharmakotherapien, die die Absorption von Vitamin B12 beeinträchtigen (z.B. Metformin, Magensäureblocker, L-Dopa) 
  • Magen-Darm-Erkrankungen wie Morbus Crohn oder atrophische Gastritis
  • Magenoperationen / Dünndarm-Resektion 
  • Antikörper gegen Parietalzellen oder Intrinsic Factor
  • Perniziöse Anämie in der Familiengeschichte 
  • Autoimmunkrankheiten 
  • Missbrauch von Lachgas

3. Die Messung der Serum-Vitamin-B12-Konzentration ist ein geeigneter Labormarker für das Screening – trotz einiger Limitationen. 

Die Messung des Gesamt-Vitamin-B12 im Serum ist die kostengünstigste und verbreitetste Labor-Untersuchung. Zu bedenken ist, dass 30 – 40 % der Menschen mit neurologischen oder hämatologischen Mangel-Symptomen Vitamin-B12-Konzentrationen in Normbereich haben können. Stoffwechselmetabolite wie Methylmalonsäure oder Homocystein können bei Verdacht die Diagnose unterstützen. Die Normalisierung dieser Marker unter einer Therapie korrespondiert allerdings nicht immer mit den klinischen Symptomen. In diesen Fällen empfehlen die Experten, sich bei der Bewertung vorranging an den klinischen Symptomen zu orientieren.

4. Die Therapie ist von der Schwere und den Ursachen des Mangels abhängig. 

Sie kann hochdosiert oral oder parenteral erfolgen, da sich beide Applikationsformen in Studien als vergleichbar wirksam erwiesen haben. In schweren und akuten Fällen sollte eine parenterale Therapie erfolgen, zumindest initial. Für die Langzeittherapie eignet sich die hochdosierte orale Therapie. Diese kann auch bei Kontraindikationen für eine Spritzentherapie, wie etwa bei einer Antikoagulationstherapie, angewendet werden. Bei der Wahl der Therapie sollte zudem die Patientenpräferenz berücksichtigt werden. Im Allgemeinen gilt, dass bei klinisch manifestem Mangel oder bei Resorptionsstörungen therapeutische Dosen von 1.000 μg bis 2.000 μg Vitamin B12 pro Tag oral* oder 1.000 μg parenteral (anfangs täglich, später wöchentlich und dann in der Erhaltungstherapie monatlich) verabreicht werden können. Niedrigere Dosierungen, wie sie in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind, sind für die Therapie eines Mangels nicht ausreichend. 

Weitere Informationen zur Therapie >

5. Der therapeutische Erfolg ist von der Schwere und der Dauer der Symptome abhängig. 

In der Regel stellt sich eine Besserung innerhalb einiger Wochen bis zu einem Jahr nach Beginn der Therapie ein. Neurologische Symptome bessern sich meist später als hämatologische und können auch noch persistieren, wenn die Blutwerte bereits normalisiert sind. Erfolgt die Behandlung zu spät, können die Folgen irreversibel sein. Daher sollte eine Therapie so früh wie möglich eingeleitet werden. Bei ausbleibender Besserung einer Anämie nach 4-8 Wochen und neurologischer Symptome nach 6-12 Monaten, sollten die Art der Behandlung und die Dosis neu bewertet werden und andere mögliche Ursachen der Beschwerden in Betracht gezogen werden.

Ziel und Methoden:

Es bestehen große Diskrepanzen bei den Empfehlungen zur Therapie eines Vitamin-B12-Mangels, da evidenzbasierte Leitlinien fehlen. Das Ziel dieser Arbeit war es, einen international akzeptierten praxisorientierten Konsens zur Diagnose und Therapie des Vitamin-B12-Mangels zu erarbeiten. Dazu wurden im Rahmen einer Analyse der Literatur der letzten 20 Jahre Aspekte identifiziert, bei denen bereits ausreichende Übereinstimmung besteht, und solche mit offenen Fragen. In einer Abstimmung nach der Delphi-Methode wurde für die offenen Fragen mit 42 internationalen Experten ein Konsensus erarbeitet.

*In Deutschland enthalten die höchstdosierten oralen Vitamin-B12-Arzneimittel 1.000 μg Vitamin B12 pro Tablette (B12 Ankermann®). Die empfohlene Tagesdosis für das Produkt ist 1.000 μg Cyanocobalamin (1 Tablette).

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Literatur

[1] Obeid R, Andrès E, Češka R, Hooshmand B, Guéant-Rodriguez R-M, Prada GI, Sławek J, Traykov L, Ta Van B, Várkonyi T, et al. Diagnosis, Treatment and Long-Term Management of Vitamin B12 Deficiency in Adults: A Delphi Expert Consensus. Journal of Clinical Medicine. 2024; 13(8):2176. https://doi.org/10.3390/jcm13082176