Was hinter den belastungsabhängig auftretenden Präsynkopen bei einem körperlich topfitten 75-Jährigen steckte, fanden Kardiologen vom Londoner King’s College erst beim zweiten Anlauf heraus.
Irgendwie passte das alles nicht zusammen: Der 75-jährige Patient, der sich wegen neu aufgetretener Präsynkopen in der kardiologischen Abteilung eines Londoner Klinikums vorstellte, war seit Jahren passionierter Fahrradfahrer. Er war schlank, körperlich topfit, rauchte und trank nicht. Bis vor Kurzem noch hatte er ohne Probleme seine 14 Kilometer täglich auf dem Rennrad absolviert. Wegen der Schwindelanfälle, die ausschließlich unter starker Belastung auftraten, war ihm das jetzt aber nicht mehr möglich. Immerhin, so berichtete der Mann, besserten sich die Symptome jedes Mal schon nach kurzer Ruhepause.
Auskultation, EKG, Herzecho: alles unauffällig
Medikamente nahm der Patient nicht. Die Frage nach Brustschmerzen, Atemnot oder Palpitationen wurde vehement verneint. Auch Auskultation und (Langzeit-)EKG waren unauffällig, ebenso die Laborwerte. Da sich weder Hinweise auf eine KHK noch auf ventrikuläre Tachyarrhythmien oder einen AV-Block fanden, schlossen die Ärzte eine kardiologische Ursache für die Präsynkopen erst einmal aus.
Wenig später wurde der 75-Jährige jedoch wieder vorstellig: Die Symptome hätten sich stark verschlimmert, seine sportlichen Aktivitäten habe er mittlerweile stark einschränken müssen. Nachdem auch ein Ultraschall vom Herzen ohne auffällige Befunde geblieben war, führten die Untersucher ein Belastungs-EKG nach dem Bruce-Protokoll durch. Auch dabei hatte der Patient weder Schmerzen noch Dyspnoe. Auf Stufe 4 jedoch zeigte sich eine minimale ST-Hebung in der Ableitung V1 sowie ein signifikanter Blutdruckabfall. Sollte das Problem doch vom Herzen kommen?
CT-Angiografie zeigt schwere Stenose
Um eine obstruktive KHK auszuschließen, wurde jetzt eine CT-Angiografie der Koronarien gemacht – und siehe da, im proximalen RIVA war tatsächlich eine schwere Läsion zu erkennen. Das umgehend angefertigte invasive Koronarangiogramm bestätigte eine hämodynamisch relevante Stenose mit einer FFR (fraktionelle Flussreserve) von 0,71. Nach eingehender Beratung mit dem Patienten entschloss man sich zu einer PCI, bei der ein medikamentenfreisetzender Stent eingesetzt wurde. Die FFR stieg danach auf 0,90.
Bald darauf konnte der Senior seiner Leidenschaft wieder nachgehen: Wie er bei der Nachuntersuchung drei Monate später berichtete, habe er beim Radfahren sein Ausgangsniveau zurückerlangt, Präsynkopen seien nicht mehr aufgetreten.
Ob man die Gefäßverengung früher hätte erkennen können, sei dahingestellt. Die Leitlinien der ESC empfehlen bei Patienten mit belastungsabhängigen Präsynkopen in erster Linie ein 12-Kanal-EKG, ein 24-Stunden-EKG und ein Herzecho, in Einzelfällen auch ein Belastungs-EKG, um Rhythmusstörungen, die nur unter körperlicher Belastung auftreten, auszuschließen. In diesem Fall waren jedoch nicht etwa eine Tachyarrhythmie oder ein AV-Block und auch kein Klappenfehler schuld an den Schwindelanfällen, sondern offenbar das verringerte Herzzeitvolumen als Folge der ischämiebedingten systolischen Dysfunktion des linken Ventrikels.
Synkope als alleiniges Symptom einer KHK
Auf alle Fälle hatte der Patient großes Glück gehabt, dass die Engstelle rechtzeitig entdeckt worden war. „Eine belastungsabhängige Präsynkope oder Synkope als alleinige Manifestation einer KHK ist schon ein seltener Befund“, so Dr. Aish Sinha vom St. Thomas Hospital in London. Der Fall zeige, wie wichtig es ist, bei einem Patienten mit fortschreitenden Symptomen trotz initial negativer Befunde alles daran zu setzen, die Ursache zu finden.