Sportmuffel mit Kopfschmerzen und Hypertonie: Ihre Diagnose?

Eine 16-Jährige klagt über Kopfschmerzen, insbesondere bei körperlicher Belastung. Sie treibe ungern Sport und könne zudem nicht gut sprinten. Ihr Blutdruck ist laut 24-Stunden-Messung nur tagsüber deutlich erhöht. Der Allgemeinarzt schließt eine primäre Ursache aus und startet eine medikamentöse Behandlung der Hypertonie – ohne Erfolg. Letztlich lautet die Diagnose: Aortenisthmusstenose. Die Aortenisthmusstenose (CoA) ist eine seltene Erkrankung im Kindesalter und wird daher in vielen Fällen erst mit großer Verzögerung erkannt. Das kann dramatische Auswirkungen für die Betroffenen haben, denn je später therapiert wird, desto stärker reduziert sich die Lebenserwartung. Welche Spur auf die richtige Diagnose führt, schilderte Dr. Axel Moysich von der Schwerpunktpraxis für Kinderkardiologie in Berlin am Fall eines Mädchens. Die 16-Jährige klagte beim Allgemeinarzt, dass sie seit längerem Kopfschmerzen habe, insbesondere bei körperlicher Belastung. Sie war normalgewichtig (56 kg, 1,69 m) gab jedoch an, nicht gerne Sport zu treiben und nicht gut sprinten zu können. Ihr Blutdruck lag bei 142/101 mmHg. Eine 24-Stunden-Blutdruckmessung zeigte tagsüber eine deutliche Erhöhung mit 139/101 mmHg und 116/94 mmHg nachts. Aufgrund der erhaltenen nächtlichen Absenkung schloss der Allgemeinarzt eine primäre Ursache für die arterielle Hypertonie aus und startete eine Behandlung mit Ramipril und Bisoprolol. Weil sich der Blutdruck dadurch nur minimal verringerte, wurde das Mädchen bei Moysich vorstellig. Hier ergab eine Blutdruckmessung an allen Extremitäten einen systolischen Gradienten von ca. 40 mmHg zwischen den Armen und Beinen. „Aufgrund dieser Ergebnisse bestand schon vor der Echokardiographie der Verdacht auf eine Aortenisthmusstenose, was sich dann bestätigte“, berichtete Moysich. Ab einem Gradienten von >20 mmHg ist eine Therapie indiziert. Erst Kniebeugen, dann erneut Blutdruck messen Zu einer CoA kann es kommen, wenn sich der Ductus arteriosus in den ersten Lebenstagen verschließt und sich versprengtes Ductusgewebe im Aortenisthmus befindet. CoA ist jedoch Ausdruck einer generalisierten Arteriopathie und beschreibt nicht nur eine circumscripte Enge der Aorta. Die Anatomie ist sehr variabel und reicht von einer diskreten Stenose bis hin zu einem tubulär hypoplastischen Aortensegment. Da die Bildung von Kollateralen insbesondere in Ruhe dazu führen kann, dass keine oder nur eine geringe Blutdruck-Differenz der oberen und unteren Extremitäten messbar ist, lässt Moysich die Kinder Kniebeugen machen und misst dann erneut. Erfolgt die Diagnose in den ersten sechs Lebensmonaten ist eine chirurgische Therapie möglich. Unerkannt kann die Stenose weiter zunehmen. Symptome, die zu einer späten Diagnose führen, umfassen die brachiocephale Hypertension mit Kopfschmerzen, Schwindel, Nasenbluten, Tinnitus, Kurzatmigkeit und Beinkrämpfen. „Diese Kinder vermeiden körperliche Aktivitäten und gelten oft als ‚Sportmuffel‘“, berichtete der Kinderkardiologe. Lebenserwartung bei später Therapie deutlich verringert Als Therapie der Wahl gilt die Stentimplantation, die bei der 16-Jährigen erfolgreich durchgeführt werden konnte. Zu den Langzeitfolgen zählt eine deutlich geringere Lebenserwartung, insbesondere für Patienten, die erst im Erwachsenenalter therapiert werden. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Hypertension stark erhöht. Sie liegt bei 90% für Kinder, die erst mit neun Jahren behandelt wurden. Im Falle einer klinischen Symptomatik empfiehlt Moysich, spätestens bei der U2 die Pulse der oberen und unteren Extremitäten zu tasten und den Blutdruck an allen Extremitäten zu messen. Meist lässt sich die Diagnose bereits anhand der Echokardiographie stellen. Empfehlung der Redaktion Dossier zur virtuellen Jahrestagung Kinder- und Jugendmedizin aktuell – Online-Update 2020 Dieses Jahr fand der Kongress für Kinder- und Jugendmedizin als "Online-Update 2020" im virtuellen Raum statt. Highlights aus dem Programm bündelt unser Dossier. basierend auf: Moysich A. Update Kardiologie: Nicht zu übersehen – Beispiele aus der Praxis. Kinder- und Jugendmedizin aktuell – Online-Update 2020, 19.09.2020, virtuell

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