Erschienen in:
14.05.2022 | Leichenschau | Historisches
„Technisierung des Todes“ – Das Krematorium der Heilanstalt Ueckermünde im Nationalsozialismus
verfasst von:
Dr. Kathleen Haack
Erschienen in:
Der Nervenarzt
|
Ausgabe 5/2023
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Zusammenfassung
Die Intensität der in den letzten Jahrzehnten betriebenen Forschungen zu den Krankenmorden in der Zeit des Nationalsozialismus hat eine Fülle von Publikationen hervorgebracht. Dennoch gibt es sowohl auf regionaler als auch übergeordneter Ebene noch immer Fragen und Forschungslücken. Für die Region Pommern mit seinen gleich mehrfach gegangenen Sonderwegen bei der Vernichtung psychisch Kranker und Behinderter beleuchtet der Beitrag eine bis dato kaum zur Kenntnis genommene Besonderheit in der Psychiatrielandschaft des nationalsozialistischen Staates: die Errichtung der ersten Feuerbestattungsanlage (Krematorium) in einer Heil- und Pflegeanstalt des Deutschen Reichs im Jahr 1940 in Ueckermünde. Anhand bisher nicht eingesehener Archivalien wird die Funktion dieser Anlage sowohl auf der Ebene des regionalen Krankenmords als auch ihre Verbindung zu den T4-Organisatoren in Berlin auf zentraler Ebene erörtert. Es wird hinterfragt, inwieweit es eine parallele, aber regional verantwortete Entwicklung zu den zentral verlaufenden Tötungen in der frühen Phase der „Euthanasie“-Morde gab, durch Berlin geduldet oder gar unterstützt? Zudem lassen sich interessante Einsichten zum „Wissenstransfer“ bei der Vertuschung bzw. Minimierung der Spuren der Morde zwischen den Anstaltsleitern Hans-Dietrich Hilweg in Ueckermünde und Valentin Faltlhauser in Kaufbeuren gewinnen. Sie verdeutlichen beispielhaft das Aufweichen des von Ernst Fraenkel postulierten Normen- zugunsten des Maßnahmenstaats.