Durchfallerkrankungen: Vorsicht bei der Antibiotikatherapie

Zu Hause ist meist der Campylobacter Verursacher bakterieller Darminfektionen. Auf Reisen muss man am häufigsten mit speziellen Vertretern von E. coli oder mit Salmonellen rechnen. Prof. Thomas Weinke, Potsdam, hat beim Infektio-Update 2020 in Wiesbaden über bakterielle Infektionen des Gastrointestinaltrakts und Reisediarrhöen sowie deren aktuelle Therapieoptionen berichtet. Im Jahr 2019 wurden dem RKI mehr als 61.000 Campylobacter-Infektionen gemeldet. Damit ist dieser Keim der häufigste bakterielle Erreger von Gastroenteritiden in Deutschland. Meist trifft es Kinder unter fünf Jahren oder junge Erwachsene zwischen 20 und 29 Jahren, die sich über Geflügelfleisch, unpasteurisierte Milch, rohes Hackfleisch oder kontaminiertes Trinkwasser infizieren. Eine Infektion mit Campylobacter ist zunächst natürlich ein gastrointestinales Geschehen. Doch die Langzeitfolgen können weit über diese Region hinausgehen. Denn Campylobacter-Infektionen, die hierzulande zu 90% auf Campylobacter jejuni zurückzuführen sind, haben sich eben nicht immer nach zwei Wochen vollständig erledigt. Wenn die Diarrhö längst Geschichte ist, bilden sich zuweilen eine reaktive Arthritis, ein Reizdarmsyndrom (IBS), eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) oder gar ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) aus. Prof. Thomas Weinke, Potsdam, demonstrierte anhand einer Studie die Verteilung der Spätfolgen in den verschiedenen Altersklassen1. So zeigte sich beispielsweise die reaktive Arthritis vor allem bei jüngeren Erwachsenen. Die Untersuchung der Resistenzen2 machte deutlich, dass auf keinen Fall Chinolone zur Behandlung eingesetzt werden sollten. Für Ciprofloxacin beispielsweise ergaben sich Resistenzraten von 77%, während sich Makrolide nur bei 5% der Erreger als unwirksam erwiesen. Antibiotika sollten ohnehin nur bei schweren und septischen Verläufen eingesetzt werden, so Weinke, und, wenn überhaupt, dann würden primär Makrolide und bevorzugt Azithromycin empfohlen. Bei nicht-typhösen Salmonellen sei in bestimmten Risikogruppen wie Immunsupprimierten auch an die Möglichkeit eines systemischen Verlaufs zu denken. Reisediarrhö: Nach der Rückkehr meist schon Geschichte Vor allem Urlauber, die es in die Ferne zieht, verbringen oft einige Tage ihrer Reise mit der ständigen Suche nach der nächsten Toilette oder wenigstens einem passenden Busch. Zwar muss bei einer Reisediarrhö auch an Noroviren oder eine Clostridium-difficile-Infektion gedacht werden, der häufigste Erreger, der noch während des Urlaubs für Schwierigkeiten sorgt, ist aber das enterotoxische Escherichia-coli-Bakterium (ETEC). Es wird in bis zu 40% der Durchfallstühle von Reisenden nachgewiesen. Und auch diese Infektion hat zuweilen Folgeerscheinungen: 5% der Erkrankten entwickeln zum Teil mit erheblichem Zeitabstand zur Reise ein postinfektiöses Reizdarmsyndrom. Bei Reiserückkehrern, insbesondere aus tropischen Regionen, muss natürlich auch an multiresistente Keime einschließlich der Extended-Spectrum-Betalaktamase(ESBL)-Bildner gedacht werden. Dies ist insbesondere bei immunsupprimierten Patienten von Bedeutung. Zur Vermeidung von Komplikationen steht an erster Stelle der Therapiemaßnahmen die orale Rehydratation. Als Medikamente, die nach ausreichender Aufklärung meist zur Selbsttherapie mitgenommen werden, eignen sich Rifamycin, Rifaximin oder Azithromycin. Chinolone hält Weinke mittlerweile nicht nur wegen der Nebenwirkungen, sondern vor allem aufgrund der Resistenzlage für kontraindiziert. In Studien konnte gezeigt werden, dass Rifamycin, das seit Dezember 2019 zur Behandlung der Reisediarrhö zugelassen ist und kaum resorbiert wird, bei gleicher Effektivität deutlich weniger multiresistente Erreger erzeugt, als Ciprofloxacin. Auch eine kurzfristige symptomatische Therapie mit Loperamid kann hilfreich sein. Salmonella typhi, der Erreger des Typhus, hat in Deutschland nur noch im Zusammenhang mit Reisen in Risikogebiete eine Bedeutung. Aber auch weltweit ist ein deutlicher Rückgang der Fallzahlen zu erkennen. Die meisten der in Deutschland im Jahr 2019 gemeldeten Fälle wurden aus Indien, Pakistan und Nepal importiert. Bislang stehen für Reisende ein oraler Lebendimpfstoff und ein Totimpfstoff zur Verfügung, die allerdings nicht für Kleinkinder eingesetzt werden können und eine Effektivität von jeweils etwa 60% aufweisen. Eine große doppelblinde randomisierte Phase-III-Studie mit einem Typhus-Konjugat-Impfstoff (TCV) in Nepal hat in der Zwischenanalyse nach einem Jahr nun auch bei Jüngeren erfreuliche Ergebnisse erkennen lassen. Bei Kindern zwischen neun Monaten und sechs Jahren wurde nach Einmalgabe eine Wirksamkeit von 82% erreicht.

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