Die Lungentransplantation (LuTX) ist eine etablierte Option bei chronischen Lungenerkrankungen, wenn alle anderen therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Die häufigsten Indikationen stellen weiterhin das Lungenemphysem (30 %), die idiopathische Lungenfibrose (26 %) sowie die zystische Fibrose (15 %) dar. Zurzeit erfolgt in den meisten Fällen eine doppelseitige Operation. Mögliche Kandidaten für eine LuTX werden sorgfältig voruntersucht, um Komorbiditäten zu erfassen, die eine absolute oder relative Kontraindikation darstellen würden. Die Überlebenszahlen verbesserten sich in den letzten Jahren weiter. In großen Zentren betragen das 1‑Jahres-Überleben >90 % und das 5‑Jahres-Überleben 75–80 %. Zu den Problemen im Langzeit-Follow-up gehört die Entwicklung einer sog. chronischen Abstoßung (CLAD [„chronic lung allograft dysfunction“]). Sie stellt die häufigste Todesursache ab dem 2. Jahr nach LuTX dar, und die Therapiemöglichkeiten sind, trotz intensiver Bemühungen, noch gering.
Hinweise
Wissenschaftliche Leitung
S. Eisenmann, Halle (Saale)
C. Geßner, Leipzig
O. Karg, Gauting
H. Olschewski, Graz
Lernziele
Nach der Lektüre dieses Beitrages
können Sie beurteilen, welche Indikationen es für eine Lungentransplantation (LuTX) gibt,
wissen Sie, welche Auswahlkriterien und Kontraindikationen bei einer LuTX zu beachten sind,
können Sie entscheiden, welche Patienten/Patientinnen wann an ein Transplantationszentrum überwiesen werden sollen,
haben Sie einen Überblick über die aktuelle Immunsuppression nach LuTX,
kennen Sie die möglichen Probleme einer LuTX, wie akute humorale und zelluläre Abstoßungsreaktionen und das Bild der sog. chronischen Abstoßung (CLAD [„chronic lung allograft dysfunction“]),
sind Ihnen die Resultate einer LuTX (Überlebenszahlen, Komplikationen) geläufig,
können Sie beurteilen, ob ein Patient/eine Patientin ein geeigneter LuTX-Kandidat/eine geeignete LuTX-Kandidatin ist oder nicht.
Indikationen und Warteliste
Die Lungentransplantation (LuTX) ist eine etablierte Therapieoption bei chronischen Lungenerkrankungen, wenn alle anderen therapeutischen Optionen (medikamentös, chirurgisch, Rehabilitation, Sauerstoff; [1]) ausgeschöpft sind. Ziele der LuTX sind die Verbesserung der Lebensqualität und der Überlebenszeit. Die prognostischen Faktoren der Grunderkrankung sowie der individuelle Krankheitsverlauf sollten den Überlebensraten nach LuTX gegenübergestellt werden.
Seit 2014 wurden weltweit jährlich mehr als 4000 Lungentransplantationen durchgeführt. Im Jahr 2019 wurden im Eurotransplantraum 657 Lungen transplantiert, davon 327 in Deutschland und 99 in Österreich (https://statistics.eurotransplant.org).
Zurzeit wird in den meisten Fällen eine doppelseitige Transplantation durchgeführt. Gründe dafür sind einerseits das bessere Langzeitüberleben und andererseits Probleme, die von einer im Körper belassenen Lunge ausgehen können (Tumoren, Infekte, mechanische Probleme; [2, 3]).
Ob ein Patient/eine Patientin für diesen komplexen und aufwendigen chirurgischen Eingriff geeignet ist, wird im jeweiligen Transplantationszentrum beurteilt. Es gibt sowohl internationale als auch nationale Leitlinien [4] für zuweisende Ärzte/Ärztinnen, um schon im Vorfeld ein entsprechendes Screening durchführen zu können und auch den Patienten/Patientinnen unnötige Untersuchungen und voreilige Hoffnungen zu ersparen (Tab. 1).
Tab. 1
Indikationen zur Zuweisung an ein Zentrum bzw. Listung zur Transplantation
COPD/Emphysem (α1-ATM)
FEV1 <20 % (Erstvorstellung <30 %)
pCO2 >50 mm Hg, <60 mm Hg O2 (in Ruhe ohne O2-Insufflation)
Pulmonale Hypertonie
BODE-Index >7 (Erstvorstellung bei einem BODE-Index von 5–6)
Die häufigsten Indikationen laut des Jahresberichtes 2018 der ISHLT („International Society for Heart and Lung Transplantation“) stellen das Lungenemphysem (30 %), die idiopathische Lungenfibrose (IPF; 26 %) sowie die zystische Fibrose (CF; 15 %) dar. Außerdem gibt es eine Reihe weiterer seltener Lungenerkrankungen, die ebenfalls zu einer Transplantation zugewiesen werden.
Merke
Die häufigsten Indikationen für eine LuTX stellen das Lungenemphysem, die idiopathische Lungenfibrose sowie die zystische Fibrose dar.
Mögliche Kandidaten für eine LuTX werden sorgfältig voruntersucht (Tab. 2 und 3), um Komorbiditäten zu erfassen, die eine absolute oder relative Kontraindikation darstellen würden. Bei Patienten/Patientinnen >50 Jahre sind als Begleiterkrankung v. a. kardiovaskuläre Probleme (besonders bei Rauchern), extrapulmonale Organdysfunktionen (Niere, Leber) sowie der Ausschluss eines Malignoms transplantationsrelevant. Bei CF-Patienten/CF-Patientinnen und bei anderen chronischen pulmonalen Infektionen ist der Keimbefund aus dem Sputum oder aus der bronchoalveolären Lavage notwendig, um multi- oder panresistente Keime auszuschließen, da diese manchmal eine Kontraindikation darstellen können (Tab. 4).
Tab. 2
Obligatorische Untersuchungen für alle Patienten/Patientinnen
Blutgruppenschein
Lungenfunktion inklusive DLCO und BGA bei Raumluft
Antibiogramm (Sputum)
Röntgenaufnahmen des Thorax p. a. und seitlich (in Originalgröße als Hardcopy)
CT des Thorax auf CD-ROM
Echokardiographie inklusive PAP-Messung
EKG
Sonographie von Oberbauch und Nieren
Zahnstatus
6 min-Gehtest
Blutbefunde
Routinelaborwerte
24 h-Harn für Kreatininclearance
TSH, T3, T4
PTH, Kalzitonin, Osteokalzin, Vitamin D
HLA-Typisierung
PRA
Mendel-Mantoux-Test oder andere Nachweisverfahren für Mycobacterium tuberculosis
Die Wartezeiten auf ein Organ sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. Die Zahl der Patienten/Patientinnen auf der Warteliste nimmt weltweit kontinuierlich zu, die Zahl der Spender zeigte in Deutschland bis 2017 eine gegenteilige Entwicklung. Im Jahr 2018 gab es in Deutschland 955 postmortale Organspenden, etwa 20 % mehr als im Vorjahr, dagegen waren es 2017 bundesweit nur 797 Menschen, die nach ihrem Tod Organe spendeten. Das war der niedrigste Stand seit 20 Jahren.
Um die Organverteilung möglichst gerecht zu gestalten, sind weltweit verschiedenste Allokationsverfahren in Verwendung, d. h. Organe werden bevorzugt an die medizinisch dringlichsten Patienten/Patientinnen mit den besten Erfolgsaussichten nach der Transplantation verteilt. Auf diesem Prinzip basierend wurde im Mai 2005 in den Vereinigten Staaten die Allokation für die Lungentransplantation von einem wartezeitbasierten System durch eine Verteilung nach dem LAS („lung allocation score“ bzw. Lungenallokationsscore; [6, 7]) ersetzt. In Deutschland löste der LAS im Dezember 2011 das bisherige Verteilungssystem nach Dringlichkeit und Wartezeit ab. Mit diesem Score werden aus verschiedenen Messwerten wie z. B. Vitalkapazität, 6 min-Gehstrecke und Sauerstoffbedarf die Überlebenswahrscheinlichkeit auf der Warteliste und die 1‑Jahres-Überlebensrate nach LuTX vorhergesagt. Patienten/Patientinnen mit höheren LAS-Werten haben aufgrund des vorausgesagten höheren Überlebensvorteils Priorität.
Merke
Mit dem LAS werden aus verschiedenen Messwerten wie z.B. Vitalkapazität, 6 min-Gehstrecke und O2-Bedarf die Überlebenswahrscheinlichkeit auf der Warteliste und die 1-Jahres-Überlebensrate nach LuTX vorhergesagt.
In Österreich findet die Allokation aufgrund der geringen Zahl an LuTX-Zentren (Innsbruck, Wien) meist zentrumsintern statt (nach Vermittlung der Organe über Eurotransplant). Die Ermittlung eines individuellen LAS-Werts kann in Ausnahmefällen beantragt werden. Durchschnittlich wartet ein Empfänger in Österreich 6–9 Monate auf eine Transplantation. In akuten Fällen (Patient/Patientin auf Intensivstation mit nichtinvasiver oder invasiver Beatmung und/oder ECMO [extrakorporale Membranoxygenierung]) kann die Wartezeit auch deutlich kürzer sein.
Die Mortalität auf der Warteliste in Österreich ist im internationalen Vergleich ebenfalls sehr gering (<3 %), wobei die Sterblichkeit auf der Liste für Patienten/Patientinnen mit Lungenfibrose, idiopathischer pulmonalarterieller Hypertension oder CF deutlich höher ist als für Menschen mit Lungenemphysem.
Transplantation und Follow-up
Der Großteil der Spenderorgane stammt von hirntoten Spendern/Spenderinnen, die an einer intrazerebralen Blutung (>50 % in Deutschland 2019, danach folgen ischämisch-hypoxische Hirnschäden, Hirntraumen und Hirninfarkte) verstorben sind. Die Qualität der Spenderlungen/Spenderinnenlungen muss optimal sein, nur so können ein gutes perioperatives Outcome und adäquates Langzeitüberleben gewährleistet werden.
Merke
Vorgeschädigte Spenderorgane können heute durch die sog. Ex-vivo-Lungenperfusion verbessert werden.
Vorgeschädigte Spenderorgane können heute durch die sog. Ex-vivo-Lungenperfusion [8] verbessert werden. Hierbei werden Organe bis zur Implantation nicht wie üblich auf Eis gelagert, sondern für mehrere Stunden mit einer Speziallösung perfundiert und beatmet. In ca. 2/3 der Fälle verbessert sich durch diese Behandlung die Funktion eines primär nicht akzeptablen Organs, sodass es implantiert werden kann. In mehreren Studien wurde in den letzten Jahren gezeigt, dass die Verwendung von ex vivo perfundierten Organen zu einem ausgezeichneten Kurz- und Langzeitüberleben führt, vergleichbar mit konventionellen Transplantationsverfahren. Ex-vivo-Verfahren werden derzeit nur an einigen größeren Transplantationszentren wie Toronto, Leuven, Wien und anderen zur Verfügung gestellt. Die Kosten für diese Verfahren sind zentrumsabhängig sehr verschieden, die Methoden auch noch nicht weltweit standardisiert [9, 10].
Ebenfalls entscheidend für ein gutes Langzeitüberleben ist die entsprechende Auswahl der Empfänger/Empfängerinnen. Je älter diese sind und je mehr Komorbiditäten bestehen, desto geringer sind die postoperative Lebenserwartung und die Lebensqualität der Patienten/Patientinnen. Es ist nicht nur der perioperative Zeitraum, der ein hohes Risiko beinhaltet. Auch die Probleme im Langzeitverlauf, wie akute Abstoßungsreaktionen, schwere Infektionen oder die Nebenwirkungen der lebenslang notwendigen immunsuppressiven Therapie können das Ergebnis beeinträchtigen.
Die Transplantationsoperation ist heute ein äußerst standardisierter Eingriff. Zur Kreislaufunterstützung sowie zum optimalen Schutz der zu implantierenden Organe, wird routinemäßig eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) verwendet. Die hierzu eingesetzte Maschine ist eine Weiterentwicklung der Herz-Lungen-Maschine. Sie saugt Blut vom rechten Vorhof ab und führt es mit Hilfe einer Zentrifugalpumpe nach Oxygenierung wieder in die Aorta zurück. Nach Entfernung der ersten erkrankten Lunge wird das Spenderorgan/Spenderinnenorgan mit seinem Bronchus, seinen Pulmonalvenen und seiner Pulmonalarterie mit den entsprechenden Empfängerstrukturen vernäht. Die ECMO garantiert während dieser Zeit einen optimalen Schutz des Spenderorgans/Spenderinnenorgans, da ein Teil des Blutflusses an den Lungen sozusagen vorbeigeschleust wird und das implantierte Organ sich somit langsam an die neuen Gegebenheiten anpassen kann. Zusätzlich können die Beatmungsdrücke gering gehalten werden, da ein Großteil der „Atmung“ über die ECMO erfolgt. Mit dieser Strategie der optimalen Transplantathandhabung („graft handling“) konnten die Raten der primären Transplantatdysfunktion (PGD [„primary graft dysfunction“]) in den letzten Jahren stark gesenkt werden – mit ein Grund für das verbesserte Langzeitüberleben. Im Idealfall sollten Patienten/Patientinnen, die mit einer ECMO überbrückend behandelt werden, extubiert und wach sein (sog. Wach-ECMO).
Die Nachsorge wird zu einem großen Teil am Transplantationszentrum, speziell im sehr sensiblen, ersten postoperativen Jahr, durchgeführt. Alle Patienten/Patientinnen kommen nach der stationären Entlassung für die Dauer von ca. 4 Wochen in ein spezielles Rehabilitationszentrum. Während dieser Zeit sind wöchentliche Kontrollen an der Ambulanz des Transplantationszentrums unerlässlich. Im ersten Jahr nach der Transplantation werden regelmäßige Bronchoskopien durchgeführt (nach 2 Wochen, 1, 2, 3, 6 und 12 Monaten). Zusätzliche Bronchoskopien sind bei unklarer Verschlechterung der Lungenfunktion oder Veränderungen im Röntgenbild erforderlich. Des Weiteren werden regelmäßige Kontrollen der Blutwerte sowie Röntgenkontrollen veranlasst. Die Patienten/Patientinnen selbst sind angehalten, täglich ein Selbstmonitoring durchzuführen (Gewicht, Blutdruck, Fieber, Peak-Flow-Messung) und die Werte in ein Tagebuch einzutragen. Diese Aufzeichnungen werden mit dem Ambulanzarzt/der Ambulanzärztin bei jeder Kontrolle besprochen.
Patienten/Patientinnen im Langzeitverlauf kommen deutlich seltener an das Transplantationszentrum oder können auch an entsprechend geschulte pneumologische Spezialambulanzen ausgelagert werden.
Immunsuppressive Therapie und Komedikation
Die meisten Lungentransplantatempfänger werden mit einem immunsuppressiven Dreifachregime behandelt. Dieses umfasst
einen Kalzineurininhibitor (meist Tacrolimus, seltener Ciclosporin),
einen Purinsyntheseantagonisten (meist Mykophenolatmofetil) und
Die meisten Lungentransplantat-Empfänger werden mit einem immunsuprressiven Dreifach-Regime aus einem Calcineurin-Inhibitor, einem Purin-Synthese-Antagonisten und Prednisolon behandelt.
Eine Induktionstherapie mit antilymphozytären Substanzen, monoklonalen Antikörpern gegen CD 52 (Alemtuzumab, CD: „cluster of differentiation“; [15]) oder einem Interleukin-2-Rezeptor (Basiliximab) wird international bei mehr als 50 % aller Patienten/Patientinnen durchgeführt, um eine frühzeitige Abstoßungsreaktion zu verhindern. Mit Alemtuzumab zeigte sich die geringste Inzidenz von akuten Abstoßungen, außerdem kann mit dieser Form der Induktionstherapie eine deutlich reduzierte Immunsuppressionsdosis erreicht werden, was wiederum zu einer Verminderung der Toxizität und der Nebenwirkungen führt [16].
Eine Prophylaxe gegen Pneumocystis jirovecii-Pneumonie (3-mal Cotrimoxazol/Woche) ist lebenslang üblich, ebenso in den meisten Zentren eine postoperative Prophylaxe gegen Zytomegalievirusinfektion (CMV-Infektion) mit oralem Valganciclovir für 3 Monate, bei Hochrisikopatienten/-patientinnen (CMV-positiver Spender/CMV-positive Spenderin bei CMV-negativem Empfänger/CMV-negativer Empfängerin) bis zu 12 Monate. Eine Tuberkuloseprophylaxe ist in der Regel nicht üblich (nur in Hochrisikoländern gelegentlich indiziert).
Die Tacrolimusdosis wird nach Kontrolle des Vollblutspiegels gesteuert. Die Zielspiegel der Kalzineurininhibitoren sind insgesamt höher als bei anderen Organtransplantationen (Herz, Niere, Leber, Pankreas), da die Lunge als immunkompetentes Organ deutlich höhere Abstoßungsraten zeigt. Kalzineurininhibitorfreie oder steroidfreie Protokolle sind kaum gebräuchlich, sodass die Toxizität der immunsuppressiven Therapie tendenziell höher ist als bei anderen Organtransplantationen.
Überleben und Probleme nach Lungentransplantation
Überlebensraten werden von großen Registern und Zentren regelmäßig veröffentlicht (Eurotransplant oder ISHLT-Register). Die perioperative Mortalität/Morbidität werden v. a. durch das sog. Reperfusionsödem und das dadurch verursachte primäre Transplantatversagen sowie durch nichtbeherrschbare Infektionen bestimmt. In den letzten Jahren wird am Transplantationszentrum Wien bei allen Transplantationen routinemäßig eine intraoperative venoarterielle ECMO [17, 18] verwendet, wodurch die Inzidenz des Reperfusionsödems deutlich reduziert wurde.
Merke
Die perioperative Mortalität/Morbidität werden v. a. durch das sog. Reperfusionsödem und das dadurch verursachte primäre Transplantatversagen sowie durch nichtbeherrschbare Infektionen bestimmt.
Obwohl akute Abstoßungsreaktionen [19] und CMV-Infekte [20] im ersten Jahr nach der Transplantation häufig sind, sind tödliche Verläufe dadurch selten. Bei der akuten Abstoßungsreaktion kann zwischen einer zellulären (T-Lymphozyten) und einer humoralen (antikörpermediierte) Abstoßung unterschieden werden. Beide können isoliert oder auch in Kombination vorkommen (Tab. 5; Abb. 1).
Tab. 5
Zelluläre Abstoßungsreaktionen – histologisches Grading (nach den Richtlinien der „International Society for Heart and Lung Transplantation“ [19])
A. Akute Abstoßungsreaktion
Grad A0 (keine akute Abstoßung)
Normales Parenchym
Grad A1 (minimale akute Abstoßung)
Perivaskuläre mononukleäre Infiltrate im Parenchym
Grad A2 (milde akute Abstoßung)
Mononukleäre Infiltrate im Parenchym mit geringer Vergrößerung sichtbar um Venolen
Grad A3 (moderate akute Abstoßung)
Dichte perivaskuläre mononukleäre Infiltrate um die Arteriolen und Venolen
Grad A4 (schwere akute Abstoßung)
Diffuse perivaskuläre, interstitielle und alveolenauskleidende mononukleäre Zellen (intraalveoläre nekrotische Zellen, Makrophagen und Hyalinmembranen)
AX
Nicht auswertbar
B. Entzündungen im Atmungstrakt – lymphozytische Bronchitis/Bronchiolitis
BO
Keine Entzündung der Atemwege
Grad B1R (niedriggradig)
B1
Minimale Entzündung der Atemwege
B2
Milde Entzündung der Atemwege
Grad B2R (hochgradig)
B3
Mäßige Entzündung der Atemwege
B4
Schwere Entzündung der Atemwege
BX
Nicht auswertbar
C. Chronische Abstoßungsreaktion der Atemwege – Bronchiolitis obliterans
0
Fehlt
1
Vorhanden
D. Chronische vaskuläre Abstoßungsreaktion– beschleunigte vaskuläre Transplantatsklerose
×
Die schon seit den Anfangstagen der Transplantationsgeschichte bekannte zelluläre Abstoßungsreaktion (ACR) ist histologisch klar definiert und wurde auch therapeutisch in vielen Studien untersucht [23, 24]. Ihre Inzidenz beträgt 10–30 %, abhängig von der Art der Immunsuppression.
Der Begriff der antikörpermediierten Abstoßungsreaktion (AMR) [25] ist zwar ebenfalls schon lange bekannt, diese wurde in der Lungentransplantation in den letzten Jahren allerdings durch neue diagnostische Methoden und Therapeutika völlig neu definiert. Ihre Inzidenz beträgt 5–10 %. Wichtigster diagnostischer Faktor ist der Nachweis donorspezifischer Antikörper (DSA), die de novo auftreten können oder in ihrer Konzentration ansteigen. Die AMR führt zum Abfall der Lungenfunktion, und es finden sich pulmonale Infiltrate. Spätestens nach Ausschluss anderer Ursachen für die klinische Verschlechterung, wie Infekte, zelluläre Abstoßung oder Lungenödem, und einer entnommenen Biopsie sollte mit einer entsprechenden Therapie begonnen werden. Leider gibt es bezüglich der optimalen Behandlung keine prospektiven randomisierten Studien, und in den meisten Zentren wird nach individuellen Behandlungskonzepten (Plasmapherese, Immunadsorption, Immunglobuline, Rituximab, Photopherese usw.) vorgegangen [26, 27, 28]. Auch ohne klinische Symptome stellen DSA eine potenzielle Gefahr für das Transplantat dar, weshalb Patienten/Patientinnen mit De-novo-DSA in einigen Zentren bereits vor dem Auftreten klinischer Beschwerden behandelt werden, d. h. nur der Anstieg oder ein Neuauftreten von Antikörpern reicht aus, um eine Therapie zu beginnen.
Ab dem 2. postoperativen Jahr sind die chronische Abstoßung und Infektionen die Haupttodesursachen. Kardiovaskuläre Ereignisse spielen im Gegensatz zu anderen Organtransplantationen eine untergeordnete Rolle (Abb. 2).
×
Die Überlebenszahlen besserten sich in den letzten Jahren weiter, in großen Transplantationszentren beträgt das 1‑Jahres-Überleben >90 %, und das 5‑Jahres-Überleben liegt bereits bei 75–80 %.
Unabhängig von der Grunderkrankung ist nach erfolgreicher Lungentransplantation das kardiopulmonale Leistungsniveau deutlich verbessert, bleibt aber hinter dem Alterssoll zurück.
Merke
Bei der „chronic lung allocraft dyfunction“ handelt es sich um einen pathologischen Prozess im Bereich der kleinen Atemwege und/oder des Interstitiums, der zu einer Inflammation und zu einer irreversiblen Fibrosierung der Lunge führt.
Zu den Problemen im Langzeit-Follow-up gehört die Entwicklung einer sog. chronischen Abstoßung, auch als „chronic lung allograft dysfunction“ (CLAD; früher Bronchiolitis-obliterans-Syndrom) bezeichnet (Tab. 6). Dabei handelt es sich um einen pathologischen Prozess im Bereich der kleinen Atemwege und/oder des Interstitiums, der zu einer Inflammation und schlussendlich zu einer irreversiblen Fibrosierung der Lunge führt, was sich funktionell in einer zunehmenden bronchialen Obstruktion und/oder Restriktion widerspiegelt. Klinisch kommt es bei dem betroffenen Patienten/der betroffenen Patientin zu zunehmender Dyspnoe und, abhängig vom Grad der Schädigung, zu rezidivierenden oder chronischen Infekten mit Pseudomonaden oder Pilzen. Die Patienten/Patientinnen versterben in vielen Fällen mit dem Bild einer chronischen globalen Ateminsuffizienz. Die Pathogenese der CLAD ist bislang nicht klar, es gibt viele bekannte Risikofaktoren wie die Anzahl akuter Abstoßungsreaktionen, CMV-Infekte, virale und bakteriell Infekte, fehlende Compliance usw. [30, 31].
Tab. 6
Stadien der chronischen Abstoßung (CLAD [„chronic lung allograft dysfunction“])
Die Therapiemöglichkeiten sind gering, es gibt mehrere Ansätze in Richtung antiinflammatorischer Therapie mit Azithromycin [32] oder extrakorporaler Phototherapie [33, 34]. In den meisten Fällen kann der FEV1-Abfall (FEV1: Einsekundenkapazität) nur gestoppt oder verlangsamt werden, eine Verbesserung ist nicht zu erwarten. Bei jüngeren Patienten/Patientinnen ohne Komorbiditäten bleibt oft als einzige Option eine Retransplantation. Die Inzidenz der CLAD ist relativ hoch. International ist eine Häufigkeit von >50 % nach 5 Jahren beschrieben, im Wiener Zentrum liegt die Inzidenz deutlich darunter, bei <30 % nach 5 Jahren [35].
Durch eine Lungentransplantation kann eine deutlich verbesserte Lebensqualität erzielt werden [36, 37]. Diese bleibt auch jahrelang nachweisbar, es sei denn Komplikationen, wie die chronische Abstoßung, treten auf. Bis zu 50 % der Transplantierten können wieder ins Berufsleben einsteigen.
Die Nachsorge nach Lungentransplantation ist komplex und erfordert ein hohes Maß an Mitarbeit des Patienten/der Patientin. Ziel ist v. a., Komplikationen vorzubeugen, frühzeitig zu erkennen und präemptiv zu behandeln.
Zukünftige Fragen und Probleme
Wichtiges Ziel ist die Erweiterung des Spenderpools/Spenderinnenpools, z. B. durch Inklusion von Spendern/Spenderinnen nach Herzstillstand („donation after cardiac death donors“) oder durch Weiterentwicklung der sog. Ex-vivo-Lungenperfusion, um damit grenzwertige Organe qualitativ zu verbessern und anschließend zu transplantieren.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt in der Verbesserung maschineller Überbrückungsverfahren zur LuTX mit Hilfe extrakorporaler Verfahren (z. B. ECMO).
Auf molekularer und zellulärer Ebene wird intensiv geforscht, um die Mechanismen des primären Transplantatversagens zu verstehen und zu therapieren, ebenso sind das Lungenmikrobiom und die spezifische Immunantwort des Empfängers/der Empfängerin weitere interessante Themen. Auch hoffen wir, in Zukunft die sog. CLAD besser zu verstehen, Phänotypen genauer zu definieren und daraus entsprechende prophylaktische Therapien entwickeln zu können.
Fazit für die Praxis
Häufigste Indikationen der Lungentransplantation (LuTX) sind Lungenemphysem, idiopathische Lungenfibrose und zystische Fibrose.
Mögliche LuTX-Kandidaten werden sorgfältig auf Komorbiditäten untersucht, je höher das Alter und je mehr Komorbiditäten, desto geringer sind postoperative Lebenserwartung und -qualität.
Der LAS (Lungenallokationsscore) löste das bisherige Verteilungssystem nach Wartezeit ab.
Mit der Strategie der optimalen Transplantathandhabung sanken die Raten der primären Transplantatdysfunktion.
Nach LuTX sind regelmäßige Bronchoskopien, Blutwert- sowie Röntgenkontrollen und ein tägliches Selbstmonitoring unerlässlich.
Meist wird mit einem immunsuppressiven Dreifachregime (Kalzineurininhibitor, Purinsyntheseantagonist und Prednisolon) behandelt.
Neben operativen Komplikationen und primärem Transplantatversagen sind auch Abstoßungsreaktionen gefürchtet, ab dem 2. Jahr nach LuTX sind chronische Abstoßung und Infektionen die Haupttodesursachen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
Gemäß den Richtlinien des Springer Medizin Verlags werden Autoren und Wissenschaftliche Leitung im Rahmen der Manuskripterstellung und Manuskriptfreigabe aufgefordert, eine vollständige Erklärung zu ihren finanziellen und nichtfinanziellen Interessen abzugeben.
Autoren
P. Jaksch: A. Finanzielle Interessen: P. Jaksch gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Angestellter Pulmologe an der Thoraxchirurgie, Medizinische Universität Wien, Intern-Leiter des LuTX-Programmes, Medizinische Universität Wien | Mitgliedschaften: ERS („European Respiratory Society“), ÖGP (Österreichische Gesellschaft für Pneumologie), ISHLT, ESOT („European Society for Organ Transplantation“), ATX (Austrotransplant). K. Hoetzenecker: A. Finanzielle Interessen: K. Hoetzenecker gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Außerordentlicher Professor für Thoraxchirurgie, Direktor des Wiener Lungentransplantationsprogramms, Medizinische Universität Wien, Österreich.
Wissenschaftliche Leitung
Die vollständige Erklärung zum Interessenkonflikt der Wissenschaftlichen Leitung finden Sie am Kurs der zertifizierten Fortbildung auf www.springermedizin.de/cme.
Der Verlag
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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