Lupusnephritis: aktuelle und zukünftige Konzepte

Die Lupusnephritis (LN) zählt zu den häufigsten und schwerwiegendsten Organmanifestationen beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) [1]. Trotz des verbesserten pathogenetischen Verständnisses und der erweiterten Therapiemöglichkeiten bleibt die LN eine bedeutende Ursache für die erhöhte SLE-assoziierte Morbidität und Mortalität [2]. Da die Prognose der Patient*innen maßgeblich vom Vorliegen einer LN abhängt, kommt es auf eine frühzeitige Diagnostik, die unverzügliche Therapieeinleitung und möglichst das Erreichen einer vollständigen Remission der LN an. Innovative Therapieansätze, die das Therapiespektrum in Zukunft erweitern könnten, befinden sich in klinischer Erprobung. Der SLE ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die sich klinisch oftmals sehr vielgestaltig präsentiert – sehr häufig mit Nierenbeteiligung. Die Nierenbeteiligung wird auch in den 2019 aktualisierten Klassifikationskriterien der EULAR (European League Against Rheumatism) und dem ACR (American College of Rheumatology) als eigenes Kriterium berücksichtigt. Die Klassifikationskriterien bieten eine hohe Spezifität (>93%), sind jedoch primär für die Klassifikation konzipiert und nicht für die Diagnosestellung einer SLE oder für die Therapieentscheidung geeignet [3]. Aktuelle Kriterien zur Klassifikation der SLE Obligates Eingangskriterium ist der Nachweis antinukleärer Antikörper (ANA; Titer ≥1:80 auf Hep-2-Zellen oder ein äquivalenter positiver Test) [3]. Bis auf das Kriterium „nicht infektiöses Fieber“ sind alle Kriterien von früheren Klassifikationssystemen bekannt, darunter auch die Nephritis. Neu ist die Gewichtung der einzelnen Kriterien, wobei die LN der Klasse III oder IV mit 10 Punkten, die LN der Klasse II oder V mit 8 Punkten und die Proteinurie (>0,5g/Tag) mit 4 Punkten gewichtet sind. Da laut der Kriterien ab ≥10 Punkten ein SLE vorliegt, reicht eine proliferative Nephritis (Klasse III/IV) für eine Klassifizierung aus – bei positivem ANA-Titer und wenn keine andere Ursache wahrscheinlicher ist [3]. Anhand einer Kohorte von insgesamt 1.197 Patient*innen mit SLE wurden Sensitivität und Spezifität der Klassifikationskriterien gemessen. Für die Proteinurie ergab sich eine Sensitivität von 33,3% (Spezifität: 99%), für die LN der Klasse II/V eine Sensitivität von 10,4% (Spezifität: 99,8%) und für die LN der Klasse-III/IV eine Sensitivität von 21,9% (Spezifität: 99,9%). „Die Angaben zur Sensitivität entsprechen in etwa der Prävalenz dieser Kriterien bei SLE”, erklärte Prof. Dr. Martin Aringer, Bereichsleiter Rheumatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden [4]. Mortalität bei LN hoch „Ein historischer Durchbruch beim Therapiemanagement der LN war die Einführung von Cyclophosphamid (CYC)”, berichtete Aringer. Im Vergleich zur Monotherapie mit Prednisolon konnte das Risiko für eine Progression zu einer terminalen Niereninsuffizienz deutlich gesenkt werden [5]. Auch heute ist CYC vor allem bei schweren oder lebensbedrohlichen Manifestationen wichtiger Bestandteil der SLE-Therapie [6]. Die Mortalität bleibt bei Vorliegen einer LN allerdings nach wie vor erhöht: In einer großen internationalen Inzeptionskohorte (n=1.827) hatten Patient*innen mit LN (38,3%) nicht nur eine 10-Jahresinzidenz von 4,3% für eine terminale Nierenerkrankung, sondern auch ein höheres Sterberisiko als SLE-Patient*innen ohne LN (Hazard Ratio 2,98; 95%-Konfidenzintervall 1,48–5,99; p=0,002) [7]. Risikofaktoren für eine LN „Die LN stellt eine frühe Manifestation der SLE dar”, betonte Prof. Dr. Kirsten de Groot, Chefärztin der Klinik für Nieren-, Bluthochdruck- und Rheumaerkrankungen, Sana Klinikum Offenbach. Die Nephritis manifestiere sich mehrheitlich schon in den ersten fünf Jahren ab der Erstmanifestation des SLE [8]. In einer aktuellen Literaturanalyse wurden ein jüngeres Alter bei SLE-Diagnose, männliches Geschlecht und der ethnische Hintergrund (Lateinamerika, Asien, Afrika) als Risikofaktoren für eine LN identifiziert. Als Schlüsselrisikofaktoren für die Progression zu einer terminalen Nierenerkrankung werden zusätzlich eine LN der Klasse IV, ein erhöhter Serumkreatininwert, ein niedriger Serumkomplementwert und Hypertonus aufgeführt. Bei einer initialen Biopsie sowie einer Protokoll-/Kontrollbiopsie wurde bei Patient*innen mit LN am häufigsten eine LN der Klasse IV dokumentiert, am seltensten eine LN der Klasse I/VI [8]. Diagnostik der LN Im Rahmen der ergänzenden serologischen LN-Diagnostik erfolgt die Bestimmung der Nierenfunktion. Hierfür wird die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate auf Basis des Serumkreatininwerts erhoben. Hinzu komme, so de Groot, die Autoantikörperdiagnostik mit der Bestimmung der Antikörper gegen Cardiolipin, Beta-2-Glykoprotein I, SSA (Sjögren Syndrom A)/Ro, Sm (Smith-Antigen) oder Lupusantikoagulans sowie SLE-spezifischer Antikörper [1]. Die Urindiagnostik umfasst die Erhebung des Urinstatus (als Suchtest ist der Urinstreifentest auf Blut und Protein geeignet) sowie bei Auffälligkeiten die Untersuchung des Urinsediments. Ein nephritisches Urinsediment kann neben einer Proteinurie durch Akanthozyten und/oder Erythrozytenzylinder gekennzeichnet sein [9]. Allerdings, gab de Groot zu bedenken, erlaube der Serum- oder Urinsedimentbefund keine Ausschluss- bzw. Rückschlussdiagnostik auf die Art der Nierenpathologie. Sonografisch lassen sich ggf. ein Harnstau feststellen und weitere Informationen wie z.B. zur Größe und Echogenität der Nieren gewinnen. Für die Diagnosesicherung, die histologische Einordnung der LN sowie auch zur Prognoseeinschätzung ist die Nierenbiopsie obligat. Eine absolute Indikation liegt de Groot zufolge bei Patient*innen mit einer Proteinurie >0,5 g/Tag, einem nephrotischen Syndrom, einem unklaren akuten Nierenversagen sowie bei glomerulärer Mikrohämaturie plus Proteinurie mit/ohne Kreatininanstieg vor. Eine Kontrollbiopsie empfehle sich bei Verdacht auf ein LN-Rezidiv, bei Therapieresistenz sowie eventuell bei Patient*innen in klinischer Remission vor Absetzen der Erhaltungstherapie (Protokollbiopsie) [9]. Frühzeitige Therapie wichtig Die Behandlung von Patient*innen mit LN zielt auf das Erreichen einer Teilremission, besser aber einer vollständigen Remission ab, da sie für das Langzeitüberleben der Patient*innen prädiktiv ist, betonte de Groot. Bei einer Verzögerung des Therapiebeginns verschlechtere sich für die Patient*innen auch die Aussicht auf eine Remission der LN und damit auch auf den längerfristigen Erhalt der Nierenfunktion. In einer prospektiven Studie mit 86 Patient*innen mündete eine Therapieverzögerung von mehr als drei Monaten in einer um 42% reduzierten Remissionswahrscheinlichkeit – in dieser Studie als Verbesserung der Proteinurie um ≥30% auf <3g/Tag definiert [10]. „Zeit ist Niere“, fasste de Groot zusammen. Aktuelle Therapiekonzepte Zu den Basismaßnahmen bei LN gehört die immunmodulierende Behandlung mit Hydroxychloroquin (HCQ). Zusätzlich können ACE(angiotensin-converting enzyme)-Hemmer oder AT1(Angiotensin-II-Rezeptor Subtyp 1)-Antagonisten zur optimierten Blutdruckeinstellung und Nierenprotektion zum Einsatz kommen (Abb. 1) [1]. Liegt bei Patient*innen mit einer LN der Klasse II eine begleitende Podozytopathie und große Proteinurie >3 g/Tag oder >1 g/Tag mit nephritischem Urinsediment vor, wird eine niedrig dosierte Glukokortikoidtherapie allein oder in Kombination mit Azathioprin (AZA) oder einem Calcineurininhibitor (CNI) empfohlen [1, 2]. Abb. 1 Therapiealgorithmus bei Lupusnephritis (modifiziert nach [1]) Springer Medizin Verlag GmbH × Bei einer proliferativen LN (Klasse III/IV) wird zusätzlich zu den genannten Basismaßnahmen eine immunsuppressive Kombinationstherapie empfohlen (Abb. 1) [1]. Zur Remissionsinduktion wird eine Kombination aus Glukokortikoiden und entweder CYC oder Mycophenolatmofetil (MMF) empfohlen [1]. Nach dem Erreichen einer Remission (stabil partiell oder komplett) wird die Behandlung mit einer weniger potenten Erhaltungstherapie (z.B. Cyclosporin A, MMF, AZA) fortgeführt – mit vergleichbaren Ergebnissen, was den Langzeit-Remissionserhalt betrifft [11]. „Aktuell werden neue therapeutische Zielstrukturen in verschiedenen Phasen der klinischen Entwicklung untersucht, von denen einige Optionen künftig auch Eingang in das Therapiekonzept der LN finden könnten”, erklärte Prof. Dr. Christof Specker, Direktor der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie, Evang. Krankenhaus Essen-Werden. Er zeigte eine Übersicht der vielversprechendsten Pipeline-Substanzen, nach der u.a. ein hochaffiner CNI, eine Antikörpertherapie gegen Interferon alpha, ein Interleukin-17-Hemmer sowie B-Zell-depletierende Therapieansätze beim SLE ein fortgeschrittenes Entwicklungsstadium (Phase II–III) erreicht hätten. Kürzlich zugelassen wurde unter den neueren Therapieansätzen die Zusatztherapie mit dem monoklonalen Antikörper Belimumab, der BLyS (B-Lymphozyten Stimulator) inhibiert. Literatur Schreiber J et al., Internist 2019, 60:468–477 Bertsias GK et al., An Rheum Dis 2012, 71:1771–1782 Aringer M et al., Ann Rheum Dis 2019, 78:1151–1159 Aringer M et al., Ann Rheum Dis 2021, doi: 10.1136/annrheumdis-2020-219373 Steinberg AD, Steinberg SC, Arthr Rheum 1991, 34:945–950 Fanouriakis A et al., Ann Rheum Dis 2019, 78:736–745 Hanly JG et al., Rheumatology 2016, 55:252–262 Mahajan A et al., Lupus 2020, 29:1011–1020 Anders HJ et al., Nat Rev Primers 2020, 6:7 Chen YE et al., Clin J Am Soc Nephrol 2008, 3:46–53 Argolini LM et al., J Nephrol 2021, 34:389–398 Impressum „Management der Lupusnephritis heute und morgen: Standard und neue Entwicklungen” Symposium anlässlich des virtuellen Deutschen Rheumatologiekongresses 2021,17. September 2021 Bericht: Dr. Yuri Sankawa, Stuttgart Artikel gedruckt in „Zeitschrift für Rheumatologie“, Band 81, Heft 1, Februar 2022 Mit freundlicher Unterstützung der Otsuka Pharma GmbH, Frankfurt am Main Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Annette Schilling Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Systemischer Lupus erythematodes - Lupusnephritis: aktuelle und zukünftige Konzepte

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