Lässt sich das Thrombektomie-Fenster bei ischämischem Insult noch weiter öffnen?

Für manche Patienten mit ischämischem Zerebralinsult könnte das Zeitintervall für eine sinnvolle Thrombektomie weit mehr als 24 Stunden umfassen. Geeignete Kandidaten lassen sich womöglich mit der CT-Angiografie identifizieren. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. „Bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall, klinisch relevantem neurologischem Defizit und Verschluss einer großen Arterie im vorderen Kreislauf soll, wenn innerhalb von sechs Stunden (Zeit zwischen Symptombeginn und Leistenpunktion) möglich, eine mechanische Thrombektomie erfolgen, um das funktionelle Ergebnis zu verbessern“ – so ist die Indikation zur mechanischen endovaskulären Therapie von Schlaganfallpatienten in der deutschen Leitlinie zur Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls formuliert. Dort wird jedoch auch empfohlen, nach diesem Zeitfenster noch zu thrombektomieren, sofern zu vermuten sei, dass rettbares Risikogewebe vorliege. Formal gilt das bis 24 Stunden nach Symptombeginn. Die Leitlinienautoren erachten diese Grenze allerdings als willkürlich – und womöglich sehr zu Recht. Denn wie Ergebnisse einer aktuellen Studie vermuten lassen, könnte das therapeutische Fenster für die Thrombektomie für manche Patienten erheblich länger offen stehen als 24 Stunden. Robert Regenhardt von der Harvard Medical School in Boston und Kollegen haben für ihre Studie das ischämische Kernvolumen und die Wachstumsrate des ischämischen Kerns (IGR, definiert als ischämisches Kernvolumen in ml dividiert durch die Zeit seit Symptombeginn in h) zu Hilfe genommen. Patienten mit einem Insult durch Verschluss eines großen Gefäßes – hier im vorderen Kreislauf – und einem geringen Kernvolumen bzw. einer niedrigen IGR sind es nämlich, die auch noch von einer späten Thrombektomie profitieren könnten. Diese per Magnetresonanztomografie bestimmten Größen korrelierten Regenhardt und sein Team mit den Befunden in der computertomografischen Angiografie (CTA) der Patienten zum Aufnahmezeitpunkt. Entscheidend war hier das Kontrastmuster der Kollateralen distal der Okklusion: symmetrisch (gleich oder ähnlich dem Muster im relevanten Stromgebiet der kontralateralen Arteria cerebri media), maligne (kein Kontrast über mindestens 50% des relevanten Stromgebiets) und andere (weder symmetrisch noch maligne). CTA ist leichter verfügbar Verwendet wurden Daten von 31 Insultpatienten, 14 mit symmetrischem, vier mit malignem und 13 mit anderem Kollateralenmuster. Sie hatten in den Jahren 2007 bis 2009 an einer (erfolglosen) Phase-II-Studie zur Sauerstofftherapie teilgenommen und waren keiner Reperfusionsbehandlung unterzogen worden. Die Forscher wollten retrospektiv herausfinden, ob es eine Assoziation zwischen den MRT-Befunden zum Kernvolumen sowie der IGR und dem Kollateralenmuster in der CTA gibt. Das ist deshalb besonders interessant, weil nicht überall, wo über die weitere Therapie von Schlaganfallpatienten entschieden werden muss, eine MRT oder CT-Perfusion (mit der sich die Kollateralensituation ebenfalls abschätzen lässt) verfügbar ist, eine CTA aber in der Regel schon. Wie sich zeigte, korrelierten MRT- und CTA-Befunde signifikant. Ein symmetrisches Kollateralenmuster war sowohl mit einem geringeren ischämischen Kernvolumen zum Zeitpunkt der Präsentation sowie nach 24 und 48 Stunden verbunden, wie auch die IGR zu allen genannten Zeitpunkten geringer ausfiel. Sensitivität und Spezifität für ein Kernvolumen von unter 50 ml nach 24 Stunden betrugen für symmetrische Kollateralen 87% und 94%, der Wert für die Fläche unter der Kurve der Receiver-Operating-Characteristic für die Vorhersage eines solchen Volumens lag bei starken 0,92. Und auch nach 48 Stunden lag das ischämische Kernvolumen von Patienten mit symmetrischen Kollateralen median noch bei 36 ml, hingegen bei 183 ml für Patienten mit anderen und bei 281 ml für Patienten mit malignen Kollateralen in der CTA. „Die Arbeit liefert weitere Belege für die entscheidende Rolle, die Kollateralen in der Entwicklung von Infarkten von Patienten mit Verschlüssen großer Hirngefäße spielen, mit faszinierenden Daten über 24 Stunden hinaus“, schreibt der Neuroradiologe Steven Messina, Mayo Clinic Rochester, in einem Kommentar zur Studie von Regenhardt et al. In den Kollateralen sieht er den künftigen Schlüssel dafür, um das Thrombektomie-Fenster über diesen Zeitpunkt hinaus offen zu halten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Was sagt das Kollateralenmuster in der CT-Angiografie nach einem Insult aufgrund des Verschlusses großer Gefäße über die Chancen einer späten mechanischen Thrombektomie? Antwort: Ein zur kontralateralen Seite symmetrisches Kollateralenbild spricht für ein geringes ischämisches Kernvolumen und eine geringe Zunahme des ischämischen Kerns über die Zeit. Bedeutung: Das Kollateralenmuster in der CT-Angiografie von Insultpatienten mit Verschluss eines großen Gefäßes könnte helfen, Patienten zu identifizieren, die auch noch jenseits von 24 Stunden nach dem Ereignis von einer Thrombektomie profitieren könnten. Einschränkung: Die Studie war retrospektiv angelegt, die Teilnehmerzahl gering, was es erschwert, die Ergebnisse zu verallgemeinern.

Springer Medizin

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