Wenig Ausbildung, kaum Geld: Beim Praktischen Jahr lässt sich viel verbessern

Wie geht es angehenden Ärztinnen und Ärzten im Praktischen Jahr? Der Marburger Bund hat dazu 1.700 Medizinstudierende und junge Medizinerinnen und Mediziner befragt. Ihre Antworten fallen durchwachsen aus. Viel Arbeit, viel Verantwortung, aber sehr wenig Geld. So lässt sich die Situation eines Großteils der angehenden Ärzte im Praktischen Jahr beschreiben. Das geht aus dem PJ-Barometer des Marburger Bundes hervor, welches am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. So gab mehr als die Hälfte der 1.700 Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer an, 40 bis 50 Stunden pro Woche in der Klinik zu verbringen. Auch Nacht- und Wochenenddienste seien keine Seltenheit. „Widerspricht eklatant dem Ausbildungscharakter des PJ“ Laut Approbationsordnung sollen die Studierenden „in der Regel ganztägig an allen Wochenarbeitstagen im Krankenhaus anwesend sein“. Das schließt regelmäßige Anwesenheitszeiten von mehr als 40 Stunden pro Woche und zusätzliche Dienste eigentlich aus. Laut PJ-Barometer leisten allerdings 52 Prozent der Befragten durchschnittlich einmal im Monat einen Dienst außerhalb der regelhaften Anwesenheitszeiten, 27 Prozent leisten zwei Dienste pro Monat, mehr als jeder Fünfte sogar drei und mehr Dienste. „Eine solche Verpflichtung zu Diensten verstößt gegen die Approbationsordnung und widerspricht eklatant dem Ausbildungscharakter des PJ“, kritisiert der Marburger Bund. Erschwerend komme hinzu, dass die wenigsten für ihren zusätzlichen Einsatz eine Entlohnung außerhalb der ohnehin meist geringen Aufwandsentschädigung für das PJ erhalten. So gehen laut PJ-Barometer 80 Prozent der Befragten leer aus. Finanzielle Lage sehr angespannt Die Situation der meisten Medizinstudierenden im Praktischen Jahr ist ohnehin sehr angespannt. So liegt die monatliche Aufwandsentschädigung deutlich unterhalb des Bafög-Höchstsatzes von derzeit 934 Euro. Knapp 17 Prozent erhalten nur bis zu 300 Euro, elf Prozent überhaupt keine und 62 Prozent werden mit einem Betrag zwischen 301 und 649 Euro – dem vormaligen Bafög-Höchstsatz – entlohnt. Acht Prozent erhalten 650 bis 934 Euro und lediglich 2,4 Prozent mehr als den aktuellen Bafög-Höchstsatz. „Die Aufwandsentschädigung sollte sich am Bafög-Höchstsatz orientieren, das ist unsere Mindestforderung“, sagte die Vorsitzende des Sprecherrates der Medizinstudierenden im MB, Pauline Graichen, bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. Die nachfolgende Grafik zeigt, wie PJ‘ler ihren Lebensunterhalt sonst noch finanzieren. Grafik: Ärzte Zeitung; schu | Quelle: PJ-Barometer Marburger Bund × Ein erheblicher Anteil der PJler hadert auch mit der Art der Ausbildung in den Kliniken. So gaben zwar immerhin 58 Prozent der Umfrageteilnehmer an, von Mentoren oder Lehrbeauftragten im ersten PJ-Tertial fachlich oder persönlich unterstützt worden zu sein, aber bei den übrigen 42 Prozent gab es diese Unterstützung nicht. So fühlten sich 44 Prozent in praktischer Hinsicht nicht auf ihre Aufgaben vorbereitet. Ärztliche Leistungen müssen ohne Aufsicht erbracht werden Höchst bedenklich ist laut Marburger Bund, dass 77 Prozent der Befragten angaben, ärztliche Kernleistungen ohne Aufsicht durch einen Arzt oder eine Ärztin vorgenommen zu haben (siehe nachfolgende Grafik). Zum Beispiel Anamnesen, Untersuchungen, Diagnosestellungen oder Aufklärungsgespräche. Mit 97 Prozent rangierten allerdings delegationsfähige Leistungen wie Injektionen, Verbandswechsel oder Blutentnahmen auf dem ersten Platz. Häufig erledigen PJ’ler aber auch nichtmedizinische Aufgaben wie Botengänge, die kein anderer machen will oder kann. Immerhin 83 Prozent der angehenden Ärzte wurden für diese Aufgaben eingesetzt. Grafik: Ärzte Zeitung; schu | Quelle: PJ-Barometer Marburger Bund × Auf die Frage, was zur Verbesserung des PJ beitragen könne, wird zum Beispiel in einer Freitextantwort genannt: „Verpflichtende Standards, Kontrolle der Lehreinrichtungen, alles was dazu führt, dass man nicht ausnahmslos als kostenloser Hakenhalter/Blutabnehmer verwendet wird“. „PJ’ler werden immer noch häufig als Lückenbüßer benutzt und dafür sind sie definitiv nicht da“, kritisierte die Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna. Viele erlebten die Praxisphase bereits in einem sehr hohen Zeitdruck. Häufig bleibe nicht genug Zeit fürs Mentoring oder dieses sei wenig strukturiert. „Man muss am Patienten ausgebildet werden und zum Beispiel hören, wie eine Lungenentzündung durch ein Stethoskop klingt“, so Johna. PJler sind oft Lückenbüßer „Die Lehrkrankenhäuser und Unikliniken sind zu einer guten praktischen Ausbildung gesetzlich verpflichtet. Wir erwarten, dass sie diesen Auftrag erfüllen und Studierende im Praktischen Jahr nicht wie billige Arbeitskräfte behandeln“, fordert auch Pauline Graichen. Es gehe im PJ um die Vertiefung der im Studium erworbenen ärztlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten und nicht darum, „uns als Lückenbüßer zu missbrauchen“, kommentiert sie die Umfrageergebnisse. Nach der Approbation zieht es offenbar viele junge Ärztinnen und Ärzte in die Anästhesiologie (siehe nachfolgende Grafik). 16 Prozent der Befragten wollen in diesem Fach ihre Weiterbildung absolvieren, elf Prozent zieht es in die Innere Medizin und immerhin zehn Prozent sehen ihre berufliche Zukunft in der Allgemeinmedizin. Grafik: Ärzte Zeitung; schu | Quelle: PJ-Barometer Marburger Bund × An dem PJ-Barometer haben sich im März und April dieses Jahres etwa 1.700 Medizinstudierende sowie Ärztinnen und Ärzte beteiligt, deren PJ nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Zwei Drittel der Teilnehmenden waren laut MB weiblich. Das entspricht in etwa dem Frauenanteil unter den Medizinstudierenden. Quelle: Ärzte Zeitung

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