Schmerzen nach Rippenbruch bei Senioren unterschätzt?

In einer US-Studie lagen die selbstberichteten Schmerzwerte nach einer Rippenfraktur bei Senioren deutlich niedriger als bei jüngeren Patienten. Das könnte bedeuten, dass Ältere weniger schmerzempfindlich sind, aber auch, dass ihre Schmerzen von den gängigen Scores nicht adäquat erfasst werden. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Ein Team der Universität Stanford in Kalifornien hat die subjektiven Schmerz-Scores von 166 Rippenfraktur-Patienten im Alter von 65 Jahren und darüber mit denen von 219 jüngeren Patienten verglichen. Das Ergebnis: Viermal so viele Senioren wie jüngere Patienten gaben in den ersten vier Tagen nach einer isolierten Brustwandverletzung mit Rippenbruch gar keine Schmerzen an (< 1 auf der numerischen Rating-Skala; auf der 10-Punkte-Skala steht 0 für „kein Schmerz“; 10 für „stärkste vorstellbare Schmerzen“). Bei den Senioren, die Schmerzen berichteten (Schmerz-Score ≥ 1), lagen die Werte signifikant, nämlich im Mittel um 15% niedriger als bei den Jüngeren. Senioren erhalten weniger Schmerzmittel Tatsächlich erhielten die älteren Patienten auch deutlich weniger Opioide (median 76 mg gegenüber 177 mg orale Morphinäquivalente pro Tag). Nicht signifikant waren dagegen die Unterschiede beim Einsatz von Periduralanästhesie bzw. Nervenblock. Für Dr. Jeff Choi und sein Team ist es insgesamt schwer zu sagen, was hinter den Befunden steckte: Waren die Älteren etwa weniger wehleidig oder empfanden sie tatsächlich weniger Schmerzen als die Jungen? Der Schweregrad der Verletzungen war bei den geriatrischen Patienten zwar im Mittel niedriger (10,5 gegenüber 14); dieser Unterschied war jedoch nicht signifikant. Ohnehin hatten die Forscher den Verletzungsgrad (Injury Severity Score) bei den o. g. Ergebnissen bereits berücksichtigt. Zwischen den Gruppen gab es allerdings deutliche Abweichungen im Hinblick auf den Unfallmechanismus: So überwogen bei den Senioren naturgemäß häusliche Stürze, die jüngeren Patienten hatten dagegen viel häufiger Unfälle mit dem Fahrrad oder Motorrad gehabt. Dabei geben die Forscher zu bedenken, dass die Knochen von älteren Patienten in der Regel spröder sind; sie dürften daher auch bei geringfügigen Traumata im Vergleich zu jungen Knochen leichter brechen. Bemerkenswert war außerdem der deutlich höhere Frauenanteil in der Gruppe der älteren Patienten (53% gegenüber 18%). Schmerzen bei Älteren unzureichend erfasst? Letztlich sei beides denkbar, so Choi et al.: dass geriatrische Patienten nach einer Rippenfraktur wirklich weniger Schmerzen empfinden, aber auch, dass die niedrigen Score-Werte eine mangelnde Erfassung von Schmerzen widerspiegelten. Aus früheren Studien wisse man jedenfalls, dass Senioren bei der Angabe von Schmerzen eher untertreiben. Dies sei insofern relevant, als die subjektiven Scores im Klinikalltag oft als Grundlage für das analgetische Management dienten. Die Forscher plädieren daher dafür, bei geriatrischen Patienten eine niedrigere Schmerzschwelle zu erwägen. Alternativ könne man auch andere, funktionelle Messgrößen anwenden, z. B. spirometrische Volumina, um nach einem Rippenbruch eine angemessene Analgesie zu gewährleisten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie bewerten geriatrische im Vergleich zu jüngeren Patienten ihre Schmerzen nach einer Rippenfraktur? Antwort: Geriatrische Patienten geben viel häufiger gar keine Schmerzen an. Wenn sie welche berichten, sind die Werte deutlich niedriger als bei jüngeren Patienten. Bedeutung: Da Senioren möglicherweise dazu neigen, ihre Schmerzen zu untertreiben, sollten die analgetischen Strategien daran angepasst werden. Einschränkung: Retrospektive Studie; mögliche Lücken in der Erfassung von Schmerzen.

Springer Medizin

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