Menschen, die im Alter zwischen 15 und 40 schon einmal an Krebs erkrankt waren, haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein um 25% höheres Risiko, langfristig einen neuen Tumor zu entwickeln. Das Risiko, daran zu sterben, ist im Vergleich fast doppelt so hoch. US-Forschende plädieren für eine bessere Qualität der Nachsorge und intensivere Früherkennungsmaßnahmen bei jungen Krebsüberlebenden.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
Wer in jungen Jahren eine Krebserkrankung überlebt hat, trägt abgesehen vom Rezidivrisiko auch ein deutlich erhöhtes Risiko, neu an einer anderen Tumorentität zu erkranken. Bislang mangelt es jedoch an Studien, die zeigen, welche Krebsarten mit welchen nachfolgend auftretenden Primärtumoren (subsequent primary cancer, SPC) verknüpft sind, welche Risikofaktoren dabei eine Rolle spielen und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, daran zu versterben.
Registerdaten von über 170.000 Überlebenden
Ein Team der American Cancer Society hat hierzu Daten aus neun Registern des SEER-Programms (Surveillance, Epidemiology, and End Results) ausgewertet. Die darin erfassten 170.404 Krebsüberlebenden (63% Frauen) hatten im Alter zwischen 15 und 39 Jahren ihre erste Tumordiagnose erhalten, 64% davon nach dem 30. Geburtstag. Bei diesen Indextumoren dominierten Brustkrebs, Melanom, Schilddrüsen- und Hodenkrebs. Nach einem Beobachtungszeitraum von knapp 15 Jahren waren insgesamt 13.420 der ehemaligen Krebspatientinnen und -patienten an einem SPC, das explizit nicht an der Stelle des Indextumors aufgetreten war, erkrankt, 5008 waren daran verstorben. Vergleichen mit den Raten, die man in der Allgemeinbevölkerung erwarten würde, entspricht das einem um 25% höheren Neuerkrankungs- und einem um 84% höheren Sterberisiko oder 10,8 bzw. 9,2 überzähligen Fällen pro 10.000 Personen.
Brust-, Lungen- und Darmkrebs am häufigsten
Auch bei den SPC waren Mammakarzinome führend (17,8%), gefolgt von Karzinomen der Lunge (10,8%), des Kolorektums (7,6%) und der Prostata (7,1%). Bei den SPC-assoziierten Todesfällen stand mit 23,7% klar das Lungenkarzinom an erster Stelle, mit großem Abstand folgten Brust- und Darmkrebs sowie das Pankreaskarzinom (8,6%, 6,9% bzw. 6,8%). Das Forscherteam um Hyuna Sung betont, dass ausschließlich SPC berücksichtigt worden waren, die frühestens fünf Jahre nach der Indexdiagnose aufgetreten waren.
Bei den einzelnen Tumorentitäten heben die Wissenschaftlerinnen vor allem folgende Ergebnisse hervor:
- Das Risiko, an Lungenkrebs als SPC zu erkranken oder zu sterben, war vor allem bei Überlebenden von Lymphomen sowie nach Karzinomen von Anus, Vagina oder Vulva, Kopf und Hals, Harnblase und Zervix erhöht.
- Überlebende eines Hodgkin-Lymphoms (HL) hatten ein Exzessrisiko (SIR, Standardized Incidence Ratio) von 4,3 (Frauen) bzw. 4,7 (Männer) für Lungenkrebs (Erkrankung oder Tod).
- Das Risiko für einen späteren Brustkrebs war besonders hoch bei Überlebenden von Lymphomen oder Sarkomen. Die SIR für Brustkrebs (Erkrankung oder Tod) nach überstandenem HL betrug z. B. 3,3.
- Für Darmkrebs als SPC war das Risiko vor allem bei früheren Tumoren von Dünndarm, Corpus uteri und Ovarien erhöht.
So wichtig ist der Rauchstopp!
Nach Sung und ihren Mitforschenden machten Tumoren an Lunge, Brust und Kolorektum zusammengenommen mehr als ein Drittel aller SPC-Fälle und fast 40% aller SPC-Todesfälle aus. Umso wichtiger seien gezielte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung der jungen Krebsüberlebenden. Dazu müssten vor allem Interventionen zum Rauchstopp gehören, umso mehr, als unter jungen Krebsüberlebenden das Rauchen deutlich mehr verbreitet sei als in der Allgemeinbevölkerung. Aber auch die Impfung gegen HPV zum Schutz vor damit assoziierten Tumoren sei in dieser Gruppe besonders wichtig. Bei der Prävention von Darmkrebs schließlich spielten neben dem Rauchen auch Übergewicht, metabolische Risikofaktoren und Alkohol eine Rolle.
Dazu, wie verschiedene Krebsregime in jungen Jahren das Risiko einer späteren Tumorerkrankung beeinflussen, gibt es nach Sung et al. noch einigen Forschungsbedarf. Zu einzelnen Chemotherapeutika geben die SEER-Datenbanken kaum Auskunft, genauso wenig zu genetischen Risikofaktoren oder konkreten Lebensstilfaktoren. Was man jedoch sehen konnte, war, dass zum Beispiel HL-Patienten, die nur eine Radiotherapie erhalten hatten, besonders gefährdet waren, später an Brustkrebs zu erkranken.
Früherkennung verhindert Todesfälle!
Weitere Studien zu möglichen Risikokonstellationen und vor allem bessere Überwachungsstrategien sind nach Sung et al. dringend nötig, vor allem, weil die Zahl der jungen Krebsüberlebenden stetig steigt. Immerhin: Für die Überwachung im Hinblick auf Brust- und Schilddrüsenkrebs liegen bereits konsolidierte Leitlinien vor, eine entsprechende Leitlinie für kolorektale Tumoren ist in Vorbereitung.
„Junge Krebsüberlebende sterben fast doppelt so häufig wie die Allgemeinbevölkerung an einem neuen Primärtumor“, betonen Sung und ihr Team. Daher sei die Rolle von Ärztinnen und Ärzten der Primärversorgung essenziell, sowohl bei der Nachsorge nach beendeter Therapie als auch bei der Früherkennung neuer Tumoren.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Inzidenz und Mortalität von neuen Primärtumoren (subsequent primary cancers, SPC) bei jungen Krebsüberlebenden. Antwort: Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung hatten Menschen, die als Jugendliche oder junge Erwachsene an Krebs erkrankt waren, ein um 25% höheres Risiko für ein SPC an anderer Stelle als der Ersttumor. Die dadurch bedingte Mortalität war fast doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Bedeutung: Junge Krebsüberlebende benötigen mehr und verbesserte Überwachungsstrategien. Einschränkung: Datenbankauswertung, retrospektiv; Ereignisraten zum Teil sehr gering; Beschränkung auf SPC, die nach frühestens fünf Jahren auftraten; keine detaillierten Angaben zu Therapieregimen, genetischen Risiken und Lebensstilfaktoren. |