Die Behandlung der NEN erfolgt multimodal und interdisziplinär. In der Folge werden die am häufigsten eingesetzten Therapiekonzepte vorgestellt.
Biotherapie
Die Biotherapie von NEN ist seit Langem etabliert und besteht heutzutage hauptsächlich aus der Behandlung mit SSA, wohingegen Interferon‑α in den letzten Jahren nur noch selten eingesetzt wird [
86]. Die für die Therapie von NEN zugelassenen, lang wirksamen SSA der 1. Generation, Octreotid-LAR („long-acting repeatable“) und Lanreotid-ATG (Autogel), verbessern die Symptome bei Patienten mit funktionell aktiven NEN, weswegen sie initial lediglich zur symptomatischen Behandlung verwendet wurden (s. Abschn. „Symptomatische Therapie“). Vor einigen Jahren konnte allerdings für beide Substanzen ein antiproliferativer Effekt auf GEP-NEN und hierüber eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens („progression-free survival“, PFS), insbesondere bei funktionell inaktiven GEP-NEN, nachgewiesen werden, wodurch die Indikation für eine SSA-Therapie erweitert wurde [
9,
78]. Die antiproliferative Wirkung beruht sowohl auf direkten als auch auf indirekten (u. a. Inhibition der Tumorangiogenese, Unterdrückung tumorstimulierender Wachstumsfaktoren) über die SSTR vermittelten Effekten [
63]. So verbesserte Lanreotid in der CLARINET-Studie das PFS von Patienten mit GEP-NEN nach 24 Monaten auf 65,1 % (95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 54,0 bis 74,1 Monate), verglichen mit 33,0 % (95 %-KI 23,0 bis 43,3 Monate) in der Placebogruppe und zeigte auch langfristig eine gute Tumorkontrolle bei ebenfalls guter Verträglichkeit [
9,
10]. In der PROMID-Studie konnte bereits zuvor die Wirksamkeit von Octreotid in der Behandlung von NEN des Mitteldarms nachgewiesen werden, das die Zeit bis zur ersten Dokumentation eines Tumorprogresses auf 14,3 Monate (95 %-KI 11,0 bis 28,8 Monate), verglichen mit 6 Monaten (95 %-KI 3,7 bis 9,4 Monate) in der Placebogruppe, verlängerte [
78]. Die Tumorkontrolle mithilfe dieser Substanzen ist v. a. für Patienten mit gut differenzierten NEN (G1 und G2, Ki-67-Index bis 10 %) geeignet, die in den durchgeführten Studien das beste Therapieansprechen zeigten. Für die meisten GEP-NEN-Subgruppen bewirken SSA insbesondere eine Stabilisierung des Tumorwachstums über einen langen Zeitraum und somit eine signifikante Verzögerung des Krankheitsprogresses; für manche NEN (u. a. des Magens) konnte auch eine Tumorregression nachgewiesen werden [
63].
Somatostatinanaloga haben einen antiproliferativen Effekt auf GEP-NEN
Die GEP-NEN können verschiedene SSTR exprimieren; in den meisten Fällen dominiert eine SSTR2- (bis zu 90 %) bzw. SSTR5-Expression (bis zu 80 %; [
63,
65]). Sowohl Octreotid als auch Lanreotid haben eine hohe Affinität zu SSTR2 und zeigen eine geringere Wirkung auf SSTR5, wobei eine höhere Effektivität der SSA-Therapie im Hinblick auf die antiproliferative Wirkung in NEN mit SSTR2- und SSTR5-Expression, verglichen mit einer alleinigen SSTR2-Expression, festgestellt werden konnte [
63]. Bei 100 bzw. 86 % der Teilnehmenden in der CLARINET- bzw. PROMID-Studie konnte eine SSTR-Expression auf den Tumorzellen in einer vor Therapiebeginn durchgeführten SSTR-Szintigraphie festgestellt werden [
32]. Der Nachweis von SSTR auf den Tumorzellen (durch immunhistochemische oder nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden) vor einem Therapiebeginn mit SSA erscheint daher sinnvoll. Ein Zusammenhang zwischen einem Therapieansprechen und der prätherapeutischen SSTR-Expression wurde bisher allerdings nur in wenigen Studien gefunden [
32].
Die Verträglichkeit von Lanreotid und Octreotid ist gut, wobei funktionelle gastrointestinale Beschwerden, die nach wenigen Behandlungswochen sistieren, sowie eine Cholestase zu den häufigsten bzw. Letztere zu den schwerwiegenderen Therapiekomplikationen zählen. Die Applikation der Substanzen erfolgt alle 28 Tage mithilfe der i.m.- (Octreotid) bzw. tiefen s.c.-Injektion (Lanreotid). Sowohl für Lanreotid als auch für Octreotid sind 3 unterschiedliche Wirkstärken verfügbar. Da die Medikation die Korrelation zwischen der Tumormasse und dem Tumormarker CgA einschränkt, sollten CgA-Verlaufskontrollen möglichst immer zum gleichen Zeitpunkt innerhalb des SSA-Injektionsintervalls erfolgen [
20].
Mittlerweile gilt die SSA-Gabe als Erstlinientherapie für Patienten mit funktionell aktiven und inaktiven, gut differenzierten GEP-NEN im lokal fortgeschrittenen, metastasierten oder nichtresektablen Zustand. Bei niedriger Tumorlast eines nichtvollständig resektablen, funktionell inaktiven und gut differenzierten NET kann als Alternative zum sofortigen Beginn der SSA-Therapie die „Watch-and-wait“-Strategie diskutiert werden, da die vorliegenden Studienergebnisse zwar Hinweise auf ein besseres Gesamtüberleben („overall-survival“, OS) bei frühem Therapiebeginn (und niedriger Tumorlast) ergaben, ein Überlebensvorteil bisher aber nicht klar nachgewiesen werden konnte [
20]. Bei mangelndem bzw. fehlendem Ansprechen auf die SSA-Behandlung kann eine Kombination mit anderen Therapien (beispielsweise zielgerichtete Therapien, PRRT) oder auch eine über die gängigen Schemata hinausgehende Dosierung der SSA erwogen werden, deren Wirksamkeit und Sicherheit derzeit u. a. im Rahmen der Phase-II-Studie CLARINET FORTE überprüft wird [
63].
Medikamentöse Therapie
Eine medikamentöse Therapie ist bei gut differenzierten GEP-NEN in metastasierten/inoperablen Erkrankungsstadien indiziert. Die Unterteilung in nichtpankreatische vs. pankreatische Tumoren ist bei der Therapieentscheidung elementar.
Nichtpankreatische GEP-NET sind meist nicht chemosensibel und werden nicht mit klassischen Zytostatika behandelt. Bei Progress steht nach der
RADIANT‑4-Studie Everolimus als zielgerichtete Substanz zur Verfügung. Es wurden 302 Patienten mit nichtfunktionellen NET G1/G2 (Lungen und Gastrointestinaltrakt) 2:1 in Behandlungsgruppen mit 10 mg Everolimus- bzw. Placebo randomisiert. Der primäre Endpunkt, das mediane PFS, betrug 11,0 vs. 3,9 Monate zugunsten der Interventionsgruppe („hazard ratio“ [HR] 0,48; 95 %-KI 0,35–0,67;
p < 0,001; [
91]). In einer Post-hoc-Analyse konnte für die Subgruppe Ileum-NET kein positiver Effekt gezeigt werden (Ileum
n = 71: HR = 1,22 [95 %-KI: 0,56–2,65]; NET außerhalb des Ileums
n = 141 HR = 0,34 [95%KI: 0,22–0,54]; [
80]). Formal besteht eine Therapiezulassung, die Indikation sollte jedoch sehr kritisch gestellt werden.
Für Patienten mit nichtresezierbaren, fortgeschrittenen und/oder metastasierten, gut und mäßig differenzierten panNEN (G1 oder G2) und nachweisbarer Krankheitsprogression innerhalb der letzten 12 Monate stehen 2 molekular-zielgerichtete Therapien zur Verfügung:
Im Jahr 2011 hat Everolimus in einer Dosis von 10 mg/Tag die Zulassung für gut und mäßig differenzierte panNEN aufgrund der Daten der RADIANT-3-Studie erhalten. Primärer Endpunkt dieser multizentrisch, randomisierten Doppelblind-Phase-III-Studie war das PFS einer „Best-supportive-care“(BSC)-Strategie mit Everolimus im Vergleich zu einer BSC und Placebostrategie.
Das mediane PFS konnte von 4,6 auf 11,04 Monate in der Interventionsgruppe verlängert werden (HR = 0,35; 95 %-KI:0,27–0,45;
p < 0,0001; [
92]).
Als weitere Option steht seit Ende 2010 Sunitinib zur Verfügung, dessen Zulassung auf den Ergebnissen einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie beruht. Das Studiendesgin war mit dem der RADIANT-3-Studie vergleichbar. Auch hier wurde eine BSC-Strategie entweder mit Placebo oder Verum verglichen. Sunitinib wurde in einer Dosierung von 37,5 mg/Tag eingesetzt. Eine klinische Überlegenheit zugunsten des Sunitinib mit einer Verdopplung des PFS von 5,5 auf 11,4 Monate führte zur Zulassung der Substanz in dieser Indikation (HR 0,42; 95 %-KI 0,26–0,66;
p < 0,001, [
77]).
Als einzige der gut differenzierten NEN sind panNET chemosensibel
Die panNET nehmen eine Sonderstellung innerhalb der gut differenzierten NEN ein, da sie als einzige chemosensibel sind. Aufgrund der höheren Ansprechraten sollte die Chemotherapie gegenüber den molekular-zielgerichteten Therapien bevorzugt werden.
Bereits seit den 1980er-Jahren wird Streptozotocin (STZ) in Kombination mit 5‑Fluoruracil bzw. Doxorubicin bei panNEN eingesetzt [
67]. Es können Remissionsraten von 28–43 % und „disease control rates“ (DCR) bis zu 90 % erreicht werden. Die mediane Dauer des Ansprechens wird mit 9,3 Monaten angegeben, die Zweijahres-PFS-Rate mit 41 % und die Zweijahres-OS-RATE mit 74 % [
52].
Eine weitere, jedoch aktuell nicht zugelassene Therapieoption stellt die Kombination von Capecitabin und Temozolomid (CAPTEM) dar. Das CAPTEM-Schema wird zunehmend bei panNET angewendet. Die Datenlage beruht jedoch ganz überwiegend auf retrospektiven Erhebungen. Es sind Ansprechraten von 14 bis 70 % und ein mPFS von 5 bis 36 Monaten beschrieben [
14,
51,
85]. Eine Phase-II-Studie, die Temozolomid in der Mono- vs. der Kombinationstherapie mit Capecitabin prospektiv untersucht, wurde nach einer geplanten Interimsanalyse gestoppt, da nach 144 in die Studie aufgenommenen Patienten eine deutliche Überlegenheit in der Kombinationsgruppe festgestellt wurde. Das mediane PFS betrug 22,7 vs. 14,4 Monate (HR = 0,58,
p = 0,023), das mediane OS 38 vs. „not been reached“ (HR = 0,41,
p = 0,012). Die endgültigen Daten stehen jedoch noch aus [
54].
Grundsätzlich ist eine neo- bzw. adjuvante Therapie gut differenzierter NEN noch nicht etabliert. Es gibt erste Daten, die einen Vorteil einer neoadjuvanten Therapie bei hepatisch metastasierten panNEN zeigen. Die Daten sind jedoch noch limitiert und stellen keinen neuen Standard dar [
17]. Bei schlecht differenzierten NEC kann als Einzelfallentscheidung ein neo-/adjuvanter Ansatz als Therapie außerhalb der Leitlinie diskutiert werden.
Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapien
Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapien bedienen sich radioaktiv-markierter SSA. Sie sind nebenwirkungsarm und effizient in der Behandlung von Läsionen der NEN, die hoch differenziert sind und SSTR 2 in hoher Dichte exprimieren [
55].
Die am häufigsten verabreichten SSA sind „[DOTA0,Tyr3]octreotide“ (DOTATOC) und „[DOTA0,Tyr3]octreotate“ (DOTATATE), wobei als Therapienuklid am häufigsten 177Lutetium (177Lu) eingesetzt wird. Durch Verbindung beider entsteht das Therapiekonjugat. Ganz überwiegend werden 2 bis 4 Zyklen mit jeweils 7,4 GBq verabreicht. Bei Einhalten der Indikationskriterien werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Wegen dem Schutz des Pflegepersonals vor zu hoher Strahlenexposition können keine pflegebedürftigen Patienten behandelt werden.
Für die PRRT muss die Knochenmarkreserve des Patienten ausreichend hoch sein
Die Entscheidung zur PRRT sollte innerhalb eines interdisziplinären Tumorboards unter Abwägung der Therapiealternativen erfolgen. Dabei muss eine Behandlungsnotwendigkeit vorliegen, z. B. innerhalb eines Progresses. Prinzipiell geeignet sind Tumoren, die chirurgisch nicht kurativ behandelbar sind und in der Somatostatinrezeptor-PET/-CT oder der Somatostatinrezeptorszintigraphie eine intensive Tracer-Anreicherung in den Tumormanifestationen aufweisen. Die Knochenmarkreserve muss ausreichend hoch sein (Leukozyten >3 × 10
9/l; Thrombozyten >75 × 10
9/l; Hämoglobin >5 mmol/l [8 g/dl]; [
25]). Absolute Kontraindikationen sind eine fehlende Tracer-Anreicherung therapeutisch relevanter, makroskopisch sichtbarer Tumormanifestationen/Tumoranteile in der PET/CT oder der Szintigraphie sowie eine Schwangerschaft [
76]. Als relative Kontraindikationen gelten u. a. rasch proliferierende Tumoren (z. B. Ki-67-Index ≥20 %, [
24]), nichtprogrediente Tumoren und eine eingeschränkte Knochenmarkreserve sowie Nierenfunktion.
Die Therapie muss gemäß der Richtlinie „Strahlenschutz in der Medizin – Richtlinie zur Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV)“ auf einer nuklearmedizinischen Therapiestation mit zumindest 48-stündiger Aufnahme erfolgen. Begleitend werden eine antiemetische Therapie und ein nephroprotektives Infusionsprotokoll angeordnet.
In der größten Studie zur PRRT mit
177Lu-DOTATATE bei GEP-NET wurde ein PFS von 40 Monaten erzielt; die Remissionsrate betrug 30 %, das mediane Überleben 46 Monate. Allerdings wurden in diese Studie nicht nur Patienten eingeschlossen, die eine Krankheitsprogression zeigten [
55]. Die Netter-1-Studie als randomisierte, prospektive Studie verglich 4 Zyklen à 7,4 GBq
177Lu-DOTATATE + Octreotid-LAR 30 mg alle 4 Wochen (Interventionsgruppe) vs. Octreotid-LAR 60 mg alle 4 Wochen (Kontrollgruppe) bei 229 Patienten mit gut differenzierten Midgut-NET (Ki-67-Index <20 %), fehlender Operabilität, Progress unter Octreotid und SSTR-positivem Nachweis in der bildgebenden Untersuchung. Es zeigten sich in der Interventions- vs. Kontrollgruppe nach 20 Monaten ein PFS von 65,2 % vs. 10,8 %, Ansprechraten von 18 % vs. 3 % und 14 vs. 26 Todesfälle. Die Hämatotoxizitäten (Neutro‑, Thrombo- und Lymphopenie) waren mit 1 %, 2 % bzw. 9 % in der Interventionsgruppe sowie 0 % in der Kontrollgruppe jeweils gering; Grad-4-Toxizitäten traten nicht auf [
84].
In der ENETS Consensus Guideline Update für das Management von Patienten mit funktionellen panNET und nichtfunktionellen panNET wird die PRRT bei fortgeschrittenen NET und Versagen einer medikamentösen Therapie empfohlen [
25]. Ebenfalls leitliniengerecht ist die Durchführung einer PRRT bei SSTR-positiven gastroenteropankreatischen Tumoren und NEC [
31].
Operation
Die Resektion von NEN bleibt der einzig kurative Therapieansatz. Die Indikation sollte interdisziplinär unter Berücksichtigung von Lokalisation des Primarius, Tumor-Grading, Ki-67-Expression und hormoneller Aktivität gestellt werden. Die Therapiestrategie variiert von Verlaufskontrollen über endoskopische Abtragung und lokale Exzision bis hin zu onkologischen Resektionen mit Lymphadenektomie. Offene chirurgische und laparoskopische Herangehensweisen werden angewendet.
Die Resektionsverfahren, bezogen auf die Tumorlokalisationen, einschließlich Tumorbesonderheiten, in Anlehnung an die aktuelle Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF, [
20]) fasst Tab.
3 zusammen.
Tab. 3
Resektionsverfahren, bezogen auf die Tumorlokalisation. (In Anlehnung an Rinke et al. [
20])
Magen | Typen 1 + 2, < 2 cm Typ 3, < 1 cm | Typen 1 + 2, < 2 cm Typ 3, > 1 cm Typ 4 | Endoskopische Abtragung aller multiplen NEN bei Typen 1 + 2, < 1 cm nicht erforderlich |
Duodenum | <1 cm, G1 | >1 cm Lokalisation: Pars descendens [ 41] Gastrinom | Gastrinom – MEN1? Laparoskopische Techniken werden nicht empfohlen |
Dünndarm | – | Indikation auch bei palliativer/prophylaktischer Resektion [ 11] | Beschwerden? Metastasierung? Hedinger-Syndrom? Karzinoidsyndroma |
Kolon | <1 cm, G1, keine Submukosainfiltration | >1 cm <1 cm bei G2/G3, Infiltration der Muscularis propria, V1 oder endoskopische R1/R2-Abtragung NEC | – |
Rektum | <1 cmb, G1, keine Infiltration der Muscularis propria, Ki67-Index < 2 %, L0 | >1 cm bei RF >2 cm ohne RF | – |
Appendix | – | OP | GCC mit Peritonealkarzinose bei möglicher R0- oder R1-Resektion ggf. zytoreduktive Chirurgie + HIPEC [ 58] |
Pankreas | <2 cm Verlaufskontrollec | >2 cm Insulinom, Gastrinom, VIPom, Glukogonom Funktionelle panNEN mit nichtresektablen Fernmetastasen, ggf. Resektion Primarius + Debulking der Metastasen | Hormonell aktiv? Ggf. laparoskopische Resektion [ 88] Enukleation: IOUS, ggf. intraoperativer SS |
Kontroversen bestehen bei der operativen Therapie von fortgeschrittenen Tumoren mit Lebermetastasierung sowie G3-NEN und NEC.
Im Laufe ihrer Erkrankung entwickeln 60–90 % der Patienten mit NEN eine Lebermetastasierung [
83]. Eine Studie des Jahres 2010 ermittelte eine Rezidivrate bis zu 94 % in den ersten 5 Jahren nach Leberresektion [
62]. Eine aktuelle Arbeit von Bagante et al. mit 396 analysierten Leberresektionen zeigte dagegen ein deutlich vielversprechenderes Ergebnis mit einem rezidivfreien Fünfjahresüberleben von 40 %. Entscheidende prognostische Faktoren umfassten gemäß den Autoren die Lokalisation des Primarius, das Tumor-Grading und eine Tumorlast der Leber <50 % [
6]. Weitere beschriebene Einflussfaktoren sind das Vorliegen von mehr als 10 Lebermetastasen [
60] sowie eine extrahepatische Fernmetastasierung [
62].
Eine sinnvolle Ergänzung können lokal-ablative Techniken sein, die allein oder gemeinsam mit chirurgischen Eingriffen (intraoperativ) bei gut differenzierten NET durchgeführt werden können [
68]. Eine Radiofrequenzablation wird grundsätzlich nur bei limitierten Lebermetastasen und einer Kontraindikation für die Operation angewendet. Auch intraoperativ kommt diese Methode primär bei einem komplexeren Metastasierungsmuster (z. B. beide Lappen) und größeren Metastasen bis zu 5 cm Durchmesser zum Einsatz [
2]. Ein ausreichender Abstand zu „vitalen“ Strukturen (große Gefäße) muss beachtet werden.
Bei diffuser Lebermetastasierung sollte eine intraarterielle (Chemo)Embolisation erwogen werden. Besonders geeignet ist dieses Verfahren bei hypervaskularisierten Metastasen mit einem Tumorvolumen <50 % des Lebervolumens und nach Resektion des Primärtumors. Die primären Indikationen einer solchen zielgerichteten Therapie der Lebermetastasen durch transarterielle Embolisation (TAE), Chemoembolisation (TACE) oder Radioembolisation (TARE) sind G1- und G2-NET, operativ nicht mehr angehbare Tumorprogression und überwiegend hepatische Metastasierung. Kontraindikationen sind Vorliegen einer Portalvenenthrombose, verminderte Lebersyntheseleistung, hochgradig reduzierter Allgemeinzustand und überwiegend extrahepatisches Metastasierungsmuster. Zu den genannten Verfahren liegen keine vergleichenden Studien vor; im klinischen Alltag werden TAE und TACE häufiger durchgeführt.
Im Vergleich zu anderen Tumorentitäten ist der Stellenwert einer neoadjuvanten Therapie umstritten. Eine aktuelle Studie von Cloyd et al. zeigte einen Benefit einer neoadjuvanten Chemotherapie mit Fluoruracil, Doxorubicin und STZ bei panNEN mit Lebermetastasierung [
17].
Die Indikationsstellung zum operativen Vorgehen bei Lebermetastasierung sollte auf einem kompletten Staging (Ausmaß der Lebermetastasierung und Tumorlast, Ausschluss von Fernmetastasierung) und Erfassung von individuellen Tumorcharakteristika (Lokalisation des Primarius, Tumorprogress und Tumorbiologie) beruhen. Intraoperativ sollte die Option einer Sonographie (IOUS) und Radiofrequenzablation (RFA) bestehen. Interdisziplinär kann ggf. die Einleitung einer neoadjuvanten Therapie diskutiert werden. Bei der Frage nach der Resektion des Primarius bei nichtresektabler hepatischer Metastasierung zeigte sich in 3 aktuellen Metaanalysen ein Überlebensvorteil für Patienten mit panNEN und Midgut-NEN [
3,
89,
96]. Die Fünfjahresüberlebensrate der Patienten nach Resektion im Vergleich zu konservativ therapierten Patienten betrug bei panNEN 57–81 % vs. 21–46 % sowie bei Midgut-NEN 35,7–83 % vs. 5,4–50 % [
89,
96].
Im Fall des fortgeschrittenen Tumorleidens besteht die Option eines Tumor-Debulking. Chakedis et al. zeigten in einer aktuellen Studie bei 332 Patienten mit hormoninaktiven GEP-NEN (Lebermetastasierung 61 %, lymphogene Metastasierung 24 %) und palliativ erfolgter Resektion einen Überlebensvorteil durch Tumor-Debulking von 98,2 Monaten vs. 50 Monaten [
12]. Darüber hinaus kann eine Reduktion der Tumorlast die Effektivität anderer Therapiemodalitäten, einschließlich PRRT, TAE/TACE und systemischen Therapien, erhöhen [
34]. Eine Symptomkontrolle konnte in einer Studie von Kimbrough et al. nur bei 22,7 % der CS-Patienten nach Tumor-Debulking gegenüber 50,7 % nach kurativer Resektion erzielt werden [
49]. Symptomatische Erfolge des Debulking werden auch bei selteneren Problemsituationen wie dem therapierefraktären Insulinom, Glukagonom oder VIPom erreicht.
Circa 5 % der NEN zeigen eine G3-Differenzierung mit einem OS von 41 bis 55 Monaten [
94]. Bei lokalisiertem oder regional begrenztem GEP-NET G3 und NEC wird ein operatives Vorgehen angestrebt, ggf. mit adjuvanter Therapie [
81]. Ausnahme könnten die Ösophagus-NEC darstellen. Hier ergaben kleinere Studien einen Vorteil der Radiochemotherapie [
19,
64], wobei aufgrund der geringen Fallzahlen und der mangelnden Berücksichtigung von Patienten mit sog. Kollisionstumoren keine eindeutige Empfehlung zur Bevorzugung der Radiochemotherapie gegenüber der Operation erfolgen kann. Bei fortgeschrittenem oder metastasiertem Befund bleibt die Operation dagegen strittig und die Datenlage überschaubar. Wenn die Erstdiagnose gestellt wird, weisen 88 % der Patienten mit GEP-NEC bereits eine Fernmetastasierung auf [
30]. Die NET G3 sollten analog den NEN G2 therapiert werden [
81]. Bei hepatisch-metastasiertem panNEC konnte eine aktuelle Studie einen Überlebensvorteil im selektionierten Patientenkollektiv mit erniedrigter Ki-67-Expression zeigen [
30]. Generell ist die Indikation zur Operation derzeitig sehr zurückhaltend zu sehen und anderen Therapiemodalitäten der Vorzug zu geben.
Abschließend soll kurz auf die Möglichkeit und Bedeutung der Lebertransplantation eingegangen werden, die in wenigen ausgewählten Fällen als Option infrage kommt. Insbesondere sollten folgende Kriterien erfüllt sein: Ki-67-Index <10 %, junges Alter (als allerdings relativer Begriff), Ausschluss extrahepatischer Metastasierung, Resektion des Primärtumors, hepatische Tumorlast <50 % und „stable disease“ für einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten [
16].
Symptomatische Therapie
Die symptomatische Behandlung von Patienten mit GEP-NEN fokussiert sich auf die durch Hypersekretionssyndrome verursachten Beschwerden. Als Erstlinientherapie für das CS werden SSA empfohlen, die in 40–60 % der Fälle eine effektive Symptomkontrolle sowie in ca. der Hälfte der Fälle ein biochemisches Ansprechen bewirken [
20,
63]. Zum Einsatz kommen, ebenso wie im Fall einer antiproliferativen Therapie, die Erstlinien-SSA Octreotid und Lanreotid, die eine vergleichbare Effektivität und Verträglichkeit aufweisen. Sie inhibieren die Sekretion von Serotonin, aber auch von anderen Peptiden (wie Gastrin, Glukagon, Insulin, VIP), weswegen sie auch in der Behandlung weiterer Hypersekretionssyndrome eingesetzt werden können (s. unten; [
63]). Durch die SSA vermittelte Reduktion der Serotoninsekretion kann die Entwicklung von Folgeerkrankungen des CS, beispielsweise von kardialen Komplikationen, verzögert oder im günstigsten Fall sogar aufgehalten werden [
65]. Obwohl die Datenlage uneinheitlich ist, wird für Patienten mit bekanntem CS zudem eine perioperative Octreotidprophylaxe empfohlen, um eine Karzinoidkrise zu verhindern [
15]. Wenn sich durch die SSA-Behandlung keine ausreichende Symptomkontrolle erreichen lässt, bestehen verschiedene Möglichkeiten der Therapieeskalation. So kann die SSA-Dosis über die übliche Maximalmenge hinaus erhöht werden (entweder durch eine Erhöhung der Dosis pro Applikation oder durch eine Verkürzung der Injektionsintervalle, s. Abschn. „Biotherapie“). Diese Option wird von der aktuellen deutschen S2k-Leitlinie „Neuroendokrine Tumore“ als erste Möglichkeit der Therapieintensivierung vorgeschlagen und ging in den bisher durchgeführten Studien mit einer guten Verträglichkeit einher [
20]. Ebenso zeigen die Patienten, die nach initial gutem Therapieansprechen im Verlauf der Behandlung, typischerweise nach 9 bis 12 Monaten, eine erneute Beschwerdezunahme im Sinne einer Tachyphylaxie erleben, zumindest zeitweise eine bessere Symptomkontrolle nach einer Dosiserhöhung.
Interferon‑α ist prinzipiell für die symptomatische Behandlung eines CS zugelassen, hat aber aufgrund der besseren Wirksamkeit und Verträglichkeit alternativer Therapiekonzepte in den vergangenen Jahren an Relevanz verloren. In Fällen eines CS, das durch die Standardtherapie nichtausreichend kontrollierbar ist, und hoher (insbesondere hepatischer) Tumorlast können lokoregionäre Therapieverfahren (TACE, selektive interne Strahlentherapie [SIRT] …), ein chirurgisches Tumor-Debulking oder auch eine PRRT durch die Reduktion der Tumorlast zur Beschwerdebesserung beitragen und sollten im individuellen Fall interdisziplinär im Tumorboard diskutiert werden.
Seit 2017 ist in Deutschland zudem der oral verfügbare Tryptophanhydroxylaseinhibitor Telotristatethyl, der die periphere Serotoninsekretion hemmt, zur Behandlung der SSA-refraktären Diarrhö zugelassen. In 2 randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studien reduzierte die Einnahme von Telotristatethyl, zusätzlich zur SSA-Standardtherapie, die Stuhlfrequenz signifikant [
5]. Die bisher verfügbaren Daten ergaben eine auch in der Langzeitbeobachtung gute Verträglichkeit und Wirksamkeit dieses Medikaments, dessen Einsatz, ergänzend oder alternativ zu konservativen Behandlungsoptionen der SSA-refraktären Diarrhöen (beispielsweise Loperamid), empfohlen wird [
20,
86].
Die Behandlung weiterer Hypersekretionssyndrome orientiert sich an der Wirkung der sezernierten Hormone bzw. Peptide und dem Verlauf der Erkrankungen. Zusätzlich zu den oben genannten Therapieoptionen ergeben sich daher spezifische Behandlungsempfehlungen, die interdisziplinär in GEP-NEN-Zentren festgelegt werden sollten. So wird zur Behandlung rezidivierender Hypoglykämien bei fortgeschrittenen Insulinomen als Erstlinientherapie zur Symptomkontrolle die Gabe von Diazoxid empfohlen [
20]. Die Behandlung von Gastrinomen sollte initial als Therapie der Wahl die Verabreichung hochdosierter PPI beinhalten, wohingegen SSA eine gute Symptomkontrolle bei bis zu 90 % der Patienten mit VIPomen bzw. Glukagonomen bewirken [
15]. Insgesamt sollte allerdings bei allen funktionell aktiven GEP-NET im fortgeschrittenen Stadium in jedem Einzelfall geprüft werden, ob neben den dargestellten medikamentösen Behandlungsoptionen alternative Therapiekonzepte (lokal-ablative, chirurgische oder nuklearmedizinische Verfahren) eine bessere Symptomkontrolle des Hypersekretionssyndroms bewirken können [
20].
Interdisziplinäres Tumorboard
Um die optimale Behandlung von Patienten mit GEP-NEN zu ermöglichen und die Prognose der Betroffenen zu verbessern, wird in den verfügbaren Leitlinien eine multidisziplinäre Betreuung der Patienten empfohlen, die der Komplexität und Interdisziplinarität der Erkrankungen gerecht wird [
20,
23]. So fordert der europäische ENETS-Verbund von den durch ENETS als Centers of Excellence (CoE) ausgezeichneten GEP-NEN-Zentren den Nachweis von Spezialisten aus den Fachbereichen Endokrinologie, Onkologie, Chirurgie, Pathologie, Radiologie, Nuklearmedizin und Gastroenterologie, die über langjährige Erfahrung in der Betreuung und Behandlung von Patienten mit GEP-NEN verfügen. Zudem sollten assoziierte Partner aus den Bereichen Kardiologie/Kardiochirurgie, Palliativmedizin, Humangenetik, Schmerz- und Labormedizin an den Zentren verfügbar sein, um im Fall bestimmter Fragestellungen die schnelle Versorgung der Patienten zu ermöglichen. Darüber hinaus wird eine enge Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des lokalen psychosozialen Teams, mit Ernährungsberatern und mit den regionalen Selbsthilfegruppen empfohlen. Vertreter aus den hauptsächlich in die Behandlung von GEP-NEN-Patienten involvierten Fachdisziplinen treffen sich an den jeweiligen Zentren in regelmäßigen, meistens 7‑ bis 14-tägigen Abständen, um das Management aller an den Zentren behandelten GEP-NEN-Patienten multidisziplinär zu besprechen und festzulegen [
22].
Die multidisziplinäre und standardisierte Therapie verbessert langfristig die Prognose der Patienten
Es konnte gezeigt werden, dass ein standardisierter und interdisziplinärer Ansatz eine zuvor unzureichende Befundübereinstimmung der verschiedenen Fachbereiche (u. a. biochemische, histopathologische und radiologische Befunde) reduzieren kann. Zudem kann dieser Ansatz zur Verbesserung des therapeutischen Managements dieser Patientengruppe führen sowie eine leitliniengerechte und somit optimierte Behandlung ermöglichen. Aufgrund der geringen Prävalenz der Erkrankungen können durch einen multidisziplinären Ansatz Kompetenzen gebündelt sowie durch die Optimierung und Standardisierung der Behandlung langfristig auch die Prognose der Patienten verbessert werden [
87]. Durch den über ENETS als Dachverband hergestellten Verbund aus CoE besteht zugleich eine Struktur, die eine Zusammenarbeit zwischen GEP-NEN-Spezialisten über nationale Grenzen hinweg erlaubt. Hierüber wird u. a. der Zugang zu nicht an jedem Standort verfügbaren Untersuchungs- und Behandlungstechniken erleichtert. In den jährlichen ENETS-Konferenzen werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse und neue Empfehlungen für die Betreuung von GEP-NEN-Patienten vorgestellt und deren Überführung in die Klinik ermöglicht. Das NET-Register der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), das ebenso wie ENETS Vertreter verschiedener, in die Betreuung von GEP-NEN-Patienten involvierter Fachdisziplinen vereint, erfasst darüber hinaus seit 2004 deutschlandweit retro- und prospektiv patienten- und krankheitsspezifische Informationen über Patienten mit NEN und ermöglicht auch auf nationaler Ebene eine enge und interdisziplinäre Zusammenarbeit der beteiligten Zentren [
39]. Für die im europäischen European Reference Network on Rare Endocrine Conditions (EndoERN) organisierten GEP-NEN-Zentren besteht des Weiteren die Möglichkeit, Patienten, die im Rahmen eines familiären Tumorprädispositionssyndroms (insbesondere MEN 1 und Von-Hippel-Lindau-Syndrom) eine NEN entwickeln, in virtuellen, interdisziplinären und transnationalen Fallkonferenzen vorzustellen [
21].
Zusammenfassend sind multidisziplinäre Tumorboards, die in den letzten Jahren in der Behandlung onkologischer Patienten mehr und mehr zum Einsatz kommen, insbesondere für Patienten mit seltenen malignen Erkrankungen wie GEP-NEN von zentraler Bedeutung. Die beteiligten Fachdisziplinen sollten das Spektrum in der Diagnostik und Behandlung dieser Patientengruppe abdecken sowie über entsprechende Erfahrung in der Betreuung von GEP-NEN-Patienten verfügen. Durch nationale und internationale Netzwerke wird die lokale Interdisziplinarität erweitert und die optimierte und standardisierte Versorgung dieser Patienten ermöglicht.