In den ersten Monaten nach der Diagnose einer kardiovaskulären Erkrankung ist das Risiko für eine terminale Niereninsuffizienz bis um den Faktor 100 erhöht. Erst nach drei Jahren normalisiert sich die Gefahr, dass eine Dialyse oder Nierentransplantation nötig wird.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
Wer bei seinen Patientinnen und Patienten erstmals eine kardiovaskuläre Erkrankung diagnostiziert, sollte in den folgenden Monaten und Jahren auch die Nieren der Betroffenen genau im Blick haben: Das Risiko, dass eine renalen Ersatztherapie nötig wird, ist in den ersten drei Jahren drei- bis fünffach erhöht. Besonders gesteigert – bis um den Faktor 100 – ist diese Gefahr in den ersten drei Monaten nach der Diagnose. Gefährdet sind primär Personen mit Herzinsuffizienz, gefolgt von solchen mit Herzinfarkt und Vorhofflimmern. Darauf deutet eine Analyse mit rund 26 Millionen Personen aus weltweit 81 Kohortenstudien.
Erhebliche Risikoerhöhung vor allem nach Herzinsuffizienz
Forschende um Dr. Patrick Mark von der School of Cardiovascular and Metabolic Health an der Universität in Glasgow in Schottland haben für ihre Analyse Studien sowie Gesundheits- und Versicherungsdatenbanken ausgewählt, welche sowohl die Nierenfunktion der Teilnehmenden als auch neue kardiovaskuläre Ereignisse registrieren. Berücksichtigt haben sie sowohl Screeningstudien mit Personen aus der Allgemeinbevölkerung als auch solche mit Personen mit hohem kardiovaskulärem Risiko oder mit bereits bestehender chronischer Niereninsuffizienz. Im Median umfassten die Kohorten 166.000 Teilnehmende, diese waren zu Beginn der einzelnen Studien im Mittel 53 Jahre alt, der mittlere eGFR-Wert betrug 83 ml/min/1,73m2. Knapp 10% hatten schon bei der Aufnahme eine kardiovaskuläre Erkrankung.
Im Laufe einer mittleren Nachbeobachtungsdauer von 4,2 Jahren bekamen rund 270.000 Personen (1,0%) neu eine KHK diagnostiziert, 1,2% erlitten einen Schlaganfall, 2,8% eine Herzinsuffizienz und 2,5% ein Vorhofflimmern, zugleich benötigten 101.000 Personen (0,4%) erstmals eine renale Ersatztherapie.
Wie erwartet, entwickelten Personen mit zu Beginn bestehenden kardiovaskulären Diagnosen in den Folgejahren vermehrt eine terminale Niereninsuffizienz – die Rate für eine Ersatztherapie war bei ihnen je nach Diagnose um 12–40% erhöht. Eine neu diagnostizierte kardiovaskuläre Erkrankung ging jedoch mit einer erheblich gesteigerten Rate von Nierenersatztherapien einher. Diese war bei einer Herzinsuffizienz um den Faktor 4,5 erhöht, bei einem Herzinfarkt um den Faktor 3,1, bei Vorhofflimmern um das 2,8- und bei einem Schlaganfall um das 2,0-Fache. Bei der Berechnung wurden Alter, Geschlecht und diverse Begleitfaktoren berücksichtigt. Adjustierten die Forschenden um Mark auch noch für bestehende kardiovaskuläre Erkrankungen, war die Rate für eine renale Ersatztherapie nach einer neu diagnostizierten Herzinsuffizienz noch immer um knapp das Vierfache erhöht, für andere kardiovaskuläre Diagnosen schwächte sich der Zusammenhang jedoch deutlich ab, hier ergab sich dann nur noch eine Risikoerhöhung um 30–50%. Danach geht – wenig überraschend – vor allem eine neu diagnostizierte Herzinsuffizienz unabhängig von anderen kardiovaskulären Erkrankungen mit einem stark erhöhten Risiko für eine terminale Niereninsuffizienz einher.
Bis zu einem Viertel braucht nach zwei Jahren eine Ersatztherapie
Dieses Risiko ist vor allem in den ersten drei Monate nach der Diagnose gesteigert: Nach einer Herzinsuffizienz um den Faktor 106, nach einem Herzinfarkt oder einem Vorhofflimmern um etwa den Faktor 80 und nach einem Schlaganfall um das 45-Fache.
Werden wiederum bestehende kardiovaskuläre Erkrankungen berücksichtigt, geht eine Herzinsuffizienz in den ersten drei Monaten unabhängig von anderen Leiden mit einem 46-fach erhöhten Risiko für eine renale Ersatztherapie einher, ein Herzinfarkt mit einem vierfach erhöhten, Vorhofflimmern sowie Schlaganfall mit einem verdoppelten Risiko. Das Risiko fällt anschließend aber steil ab und ist nach spätestens drei Jahren nicht weiter erhöht.
Wie zu erwarten, entwickelten vor allem Personen mit zu Beginn bereits schwacher Nierenfunktion nach einer kardiovaskulären Diagnose eine terminale Niereninsuffizienz. In der Gruppe mit eGFR-Werten zwischen 15 und 29 sowie einer Makroalbuminurie benötigten 26% innerhalb von zwei Jahren nach einer Herzinsuffizienzdiagnose eine renale Ersatztherapie, nach einer KHK waren es 21%, nach einem Schlaganfall 17% und nach Vorhofflimmern 19%.
Neue kardiovaskuläre Erkrankungen seien in den ersten Monaten stets mit einem hohen Risiko für eine gravierende Niereninsuffizienz verbunden, dies gelte vor allem für Personen mit einer Herzinsuffizienz und solche mit einer ohnehin schon schwachen Nierenfunktion, so das Fazit der Kardiologinnen und Kardiologen um Mark.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Welche Bedeutung haben neue kardiovaskuläre Erkrankungen für die Nierenfunktion? Antwort: Das Risiko für eine terminale Niereninsuffizienz, die eine renale Ersatztherapie erfordert, ist in den ersten Monaten nach einer neuen kardiovaskulären Diagnose drastisch erhöht, nach einer Herzinsuffizienz um über das 100-Fache. Bedeutung: In den ersten Monaten nach einer neu diagnostizierten kardiovaskulären Erkrankung lohnt es sich, die Nierenfunktion genau zu überwachen, vor allem bei Personen mit Herzinsuffizienz. Einschränkung: Daten beruhen auf sehr heterogenen Kohorten. |