Schützt Metformin vor Steroid-Nebenwirkungen?

Kann Metformin die negativen Effekte einer Langzeitbehandlung mit Glukokortikoiden abmildern oder gar umkehren? In einer randomisierten Phase-II-Studie hatten die damit behandelten Patienten deutliche Vorteile im Hinblick auf Glukosestoffwechsel, Lipidprofil, Knochengesundheit, Atherosklerose- und Infektionsrisiko. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Eine langfristige Therapie mit Glukokortikoiden erhalten in Europa derzeit bis zu 3% aller Erwachsenen; bei den über 60-Jährigen steigt dieser Anteil auf 7%, ab 80 sogar auf 10%. Die Nebenwirkungen, die mit einer solchen Langzeitbehandlung verbunden sind, sind äußerst vielfältig, sie reichen von Gewichtszunahme und Bluthochdruck über Hyperglykämie und Dyslipidämie bis hin zu einer erhöhten Thrombose- und Osteoporoseneigung sowie Leberverfettung und Infektanfälligkeit. Ein Team aus Großbritannien will diesen bekannten Risiken nun mit einem altbewährten oralen Diabetesmedikament begegnen: Metformin. Dieses soll in der Lage sein, die negativen Folgen der langfristigen Steroidexposition abzuschwächen, ohne die erwünschten antientzündlichen Effekte zu schmälern. Entsprechende Hinweise fand das Team um Ida Pernicova von der Queen Mary University in London in einer randomisierten Phase-II-Studie mit insgesamt 53 erwachsenen Patienten aus Großbritannien, die zur Behandlung einer chronisch entzündlichen Erkrankung eine langfristige Glukokortikoidtherapie (≥ 20 mg Prednisolonäquivalent pro Tag über mindestens vier Wochen, danach für den Rest der Studie ≥ 10 mg/Tag) erhielten. Das Steroid konnte sowohl oral als auch systemisch verabreicht werden. Diabetiker waren von der Teilnahme ausgeschlossen. Metformin in ansteigender Dosierung Die Studienteilnehmer, die u. a. an Asthma, Vaskulitis, Sarkoidose, systemischem Lupus erythematodes oder rheumatoider Arthritis litten, wurden zwei Gruppen zugelost: Die einen bekamen ergänzend zur Glukokortikoidtherapie Metformin in ansteigender Dosierung (850 mg über fünf Tage einmal täglich, dann zweimal und nach weiteren fünf Tagen dreimal täglich), die anderen ein nicht unterscheidbares Placebopräparat. Ausgewertet werden konnten die Daten von insgesamt 40 Patienten, 19 in der Metformin- und 21 in der Placebogruppe. Nach zwölf Behandlungswochen war zwar der Unterschied im primären Endpunkt, dem per CT gemessenen Verhältnis zwischen viszeralem und subkutanem Fett als Marker für das metabolische Risiko, nicht signifikant. Dafür hatte sich jedoch eine Reihe anderer, nach Pernicova et al. klinisch bedeutsamer Parameter unter Metformin gegenüber Placebo deutlich gebessert. Das galt zum einen für die Insulinresistenz, die Funktion der B-Zellen im Pankreas und den Glukosestoffwechsel: Während zu Studienbeginn noch bei jeweils vier Patienten aus beiden Gruppen eine Dysglykämie nachgewiesen wurde, war dies drei Monate später bei keinem Patienten der Metformingruppe mehr der Fall. In der Placebogruppe dagegen war am Studienende noch jeder dritte Patient dysglykämisch (mit Werten von mindestens 6,1 mmol/l für die Nüchternglukose und mindestens 7,8 mmol/l im Glukosetoleranztest). Hungergefühl gebremst Die mit Metformin behandelten Patienten berichteten zudem über ein geringer ausgeprägtes Hungergefühl, speziell auch weniger Heißhunger nach Süßem. Dies korrelierte mit einer signifikanten Reduktion von Adiponektin, welches zusammen mit anderen Fettgewebshormonen das Hungergefühl reguliert. Auch das Fortschreiten des unter Langzeit-Kortikosteroidbehandlung häufigen „Mondgesichts“ konnte in dieser Gruppe offenbar gebremst werden. Zum Studienende hatten sich außerdem die Leberfunktion (ALT) sowie Gesamt- und LDL-Cholesterin verbessert, Letzteres um immerhin 19%, und zwar, wie die Autoren betonen, ohne Einnahme von Statinen. Ferner beobachtete man in der Metformingruppe eine leichte Verbesserung bei Parametern des Knochenstoffwechsels, eine verstärkte Fibrinolyse und eine geringere Intima-Media-Dicke. Die Stärke der beiden Schichten der Arteria carotis communis gilt als Marker für das individuelle Atheroskleroserisiko. Deutliche Abnahme von Entzündungsparametern Pernicova und ihr Team stellten schließlich auch eine deutliche Abnahme von Entzündungsmarkern fest, u. a. beim hochsensitiven C-reaktiven Protein; dies sei „angesichts der schweren Immunsuppression der Patienten klinisch relevant“. Tatsächlich kam es bei den mit Metformin behandelten Patienten zu deutlich weniger Pneumonien (ein Fall gegenüber sieben in der Placebogruppe) und weniger mittelschweren bis schweren Infektionen (zwei gegenüber elf Fällen). Allerdings traten Diarrhöen in der Metformingruppe deutlich häufiger auf (18 gegenüber acht Fällen). Für Pernicova und Kollegen hat die ergänzende Metformintherapie insgesamt „das Potenzial, die behandlungsbedingten Komplikationen einer Glukokortikoidtherapie abzumildern und die kardiovaskuläre Prognose zu verbessern“. Eine Behandlung mit Steroiden lässt bekanntermaßen die Glukosekonzentrationen steigen. Die Eigenschaft von Metformin, diesem Effekt entgegen zu wirken, ist den Forschern zufolge für die kardiovaskuläre Gesundheit von besonderer Bedeutung, gerade bei Patienten, die (noch) nicht an Diabetes erkrankt sind. Wirkung über Schlüsselenzym Noch ist nicht ganz klar, über welche Pfade Metformin die Vielzahl an beobachteten Wirkungen erzielt. Das Biguanid-Derivat greift an der AMP-stimulierten Proteinkinase (AMPK), welche an zahlreichen metabolischen Prozessen, z. B. Glukoseaufnahme und Fettsäureoxidation, beteiligt ist. Die AMPK gilt als wichtigster Inhibitor der Lipogenese. Glukokortikoide führen bei Langzeitanwendung zu einer Herabregulierung dieses Schlüsselenzyms. Metformin dagegen ist offenbar in der Lage, diesen Effekt abzuschwächen oder gar umzukehren. Für eine Umsetzung dieser Erkenntnisse in die Praxis ist es allerdings noch zu früh; hierfür bedarf es weiterer Forschung, z. B. in Form einer großen Phase-III-Studie. Das Wichtigste in Kürze Frage: Lassen sich die metabolischen Nebenwirkungen einer Langzeit-Glukokortikoid-Therapie durch den Einsatz von Metformin abmildern? Antwort: In einer Phase-II-Studie profitierten die Patienten im Hinblick auf eine Vielzahl klinisch relevanter Parameter. Bedeutung: Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse lassen sich Patienten mit chronischen entzündlichen Erkrankungen möglicherweise vor den Nebenwirkungen einer Steroid-Langzeittherapie schützen. Einschränkung: Geringe Teilnehmerzahl; Phase-II-Studie; kein signifikanter Effekt im primären Endpunkt; relativ kurze Behandlungsdauer.

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