Vesikoureteraler Reflux: „Routineprophylaxe mit Antibiotika nicht gerechtfertigt“

Obwohl eine antibiotische Prophylaxe Säuglinge mit vesikoureteralem Reflux in einer kontrollierten Multicenterstudie vor einer ersten Harnwegsinfektion geschützt hat, nähren die Studienergebnisse die Zweifel an der Indiziertheit dieser Maßnahme. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Zwar werden Säuglinge mit einem höhergradigen vesikoureteralen Reflux (VUR) üblicherweise kontinuierlich mit Antibiotika behandelt, mit dem Ziel, Harnwegsinfektionen und Langzeitschäden an den Nieren zu verhindern. Mit Blick auf die Nieren ist der Wert der Prophylaxe jedoch fraglich. In einer europäischen Multicenterstudie wurde jetzt kein diesbezüglicher Nutzen gefunden. An der Studie beteiligt waren 292 Kinder im Alter zwischen einem und fünf Monaten mit VUR von Grad III–V (zu 80% Grad IV oder V), die bisher noch keine Harnwegsinfektion (UTI) durchgemacht hatten. Jeweils 146 Säuglinge wurden auf eine 24-monatige Antibiotikaprophylaxe bzw. keine Prophylaxe randomisiert. Die Wahl des Antibiotikums richtete sich nach den länderspezifischen E.-coli-Resistenzen, vorrangig wurde Amoxicillin/Clavulansäure (49%) eingesetzt. NNT von 7 zur Vermeidung von UTI Das primäre Studienziel wurde durch die Prophylaxe erreicht: Eine erste symptomatische UTI trat darunter bei 21,2% der Kinder auf, eine signifikant geringere Quote als die 35,6% in der unbehandelten Gruppe und eine relative Risikoreduktion um 45%. Demnach müssten zur Verhinderung von einer ersten UTI sieben Kinder zwei Jahre lang mit einem Antibiotikum behandelt werden (Number Needed to Treat, NNT). In einer Subgruppenanalyse nach Geschlecht und Schweregrad war ein deutlicher Vorteil der Prophylaxe in Bezug auf eine erste UIT allerdings nur bei Mädchen mit einem VUR von Grad IV oder V zu erkennen. Insgesamt ereigneten sich 60 bzw. 79 UTI in den Gruppen mit und ohne Prophylaxe, eine Reduktion um 24%. Kein Unterschied bei neuen Nierennarben Bei der renalen Narbenbildung, einem sekundären Endpunkt, war die Prophylaxe ohne Vorteil: 21 Kinder mit und 17 ohne waren betroffen. Bei Kindern mit und ohne UTI kam es gleich häufig zu neuen Narben. Auf die eGFR nach 24 Monaten hatte die Antibiotikaprophylaxe ebenfalls keinen Einfluss. Pseudomonas-Arten fanden sich ausschließlich und andere Nicht-E.-coli-Bakterien mit einem erhöhten Anteil in UTI-Isolaten von Kindern mit Antibiotikum. Diese Isolate enthielten zudem häufiger Bakterien mit Resistenz gegen mindestens zwei First-Line-Antibiotika (52% vs. 17%). Die Rate schwerer unerwünschter Ereignisse war in den beiden Gruppen jedoch nicht signifikant verschieden. "Nur bei Mädchen mit VUR von Grad IV oder V in Betracht ziehen" „Der kleine, aber signifikante Effekt in der Prävention von UTI, bei fehlendem Nutzen bezüglich der Entstehung renaler Narben, muss abgewogen werden gegen eine vermehrte Antibiotikaresistenz und die Störung des Darmmikrobioms“, schreiben Studienerstautor William Morello von der Universität Mailand und die Mitforschenden. Sie verweisen außerdem darauf, dass auch ohne Antibiotikum nur ein Drittel der Patienten eine UTI erlitt und dass zwar Mädchen mit VUR-Grad IV oder V von der Prophylaxe profitierten, nicht aber die größte Gruppe der Jungen mit einem VUR vom Grad V (n = 99). „Obwohl die Studie einen numerischen Benefit der Primärprophylaxe von UTI gezeigt hat, ist der klinische Nutzen der Antibiotikagabe zweifelhaft“, lautet daher ihre Schlussfolgerung. Aus Sicht von Morello et al. ist „eine routinemäßige Primärprophylaxe nicht gerechtfertigt, sie sollte vielmehr nur bei Patientinnen mit einem Grad-IV- oder -V-VUR in Betracht gezogen werden“. In Deutschland ist im September die erste Leitlinie speziell zu VUR im Kindesalter angemeldet worden, die Fertigstellung ist für Ende 2025 angekündigt. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie gut schützt eine 24-monatige antibiotische Primärprophylaxe Säuglinge mit höhergradigem vesikoureteralem Reflux (VUR) vor symptomatischen Harnwegsinfektionen (UTI)? Antwort: Das Risiko für eine erste UTI wird signifikant gesenkt, von 35,6% auf 21,2%. Die renale Narbenbildung wird durch Antibiotika aber nicht beeinflusst. Zudem kommt es vermehrt zu Antibiotikaresistenzen und Störungen des Darmmikrobioms. Bedeutung: Eine routinemäßige Antibiotikaprophylaxe ist nicht gerechtfertigt. Einschränkung: Studie nicht verblindet; Verwendung unterschiedlicher Antibiotika.

Springer Medizin

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