Erste Hinweise: Aminosäure bremst frühen M. Parkinson

Überraschendes Ergebnis bei zwei Personen mit REM-Schlafverhaltensstörungen (RBD): Eine Therapie mit Acetyl-DL-Leucin konnte die Parkinson-typische Neurodegeneration weitgehend stoppen. Zum Teil normalisierten sich Biomarker wie DAT-SPECT wieder, auch die RBD verschwand. Antikörper gegen Alpha-Synuclein, intrathekale RNA- oder Gentherapien? Bislang ist solchen Hightech-Behandlungen in der Parkinsontherapie und -prävention kein Erfolg beschieden. Selbst wenn die Entwicklung hier erst am Anfang steht, vielleicht lassen sich positive Effekte auch mit Lowtech-Ansätzen erzielen. Ein erster Behandlungsversuch mit der modifizierten Aminosäure Acetyl-DL-Leucin (ADLL) hat jedenfalls für überraschende Resultate gesorgt: Über einen Zeitraum von 22 Monaten kam die Krankheitsprogression bei zwei Personen mit einer isolierten REM-Schlafverhaltensstörung (RBD) und ersten Parkinson-typischen Biomarkerveränderungen weitgehend zum Stillstand, Biomarkerbefunde per Dopamintransporter-Szintigrafie (DAT-SPECT) normalisierten sich zum Teil fast wieder, berichten Forschende um Professor Wolfgang Oertel von der Klinik für Neurologie an der Universität Marburg. Noch ist es zu früh, um über eine wirksame Prävention im Parkinsonprodrom zu sprechen. Sollten sich die Ergebnisse aber in größeren Studien bestätigen, hätte ADLL einige wichtige Begleiteigenschaften für die Anwendung in der Prävention: Die Substanz ist recht billig, oral anwendbar und nebenwirkungsarm. RBD verschwindet weitgehend ADLL ist das Racemat aus Acety-L- und -D-Leucin und wird schon seit über 60 Jahren bei Gleichgewichtsstörungen eingesetzt. Erste Studien weisen auch auf einen Nutzen bei lysosomalen Speicherkrankheiten wie Niemann-Pick Typ C. Wenig erfolgreich waren bislang allerdings Untersuchungen mit Ataxiepatienten. Zell- und Tierexperimenten zufolge kann ADLL sowohl den Energiehaushalt als auch die lysosomale Funktion von Neuronen verbessern – Probleme, die auch den dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra bei Morbus Parkinson zu schaffen machen. Anlass für den Therapieversuch war allerdings eine Behandlung mit ADLL bei einer Frau, die ein Restless-Legs-Syndrom (RLS) aufwies. Mit der Behandlung gingen nicht nur die RLS-Beschwerden zurück, die Frau berichtete zudem, dass sie nachts weniger aggressiv träumte und auch die nächtlichen Bewegungen des begleitenden RBD verschwanden. Aus diesem Grund haben Forschende um Oertel einen Therapieversuch bei einer Frau und einem Mann mit RBD unternommen. Fast alle Menschen mit einer isolierten RBD entwickeln in den folgenden Jahren Morbus Parkinson oder eine Lewykörperchendemenz, sodass von einer prodromalen Alpha-Synucleinopathie auszugehen ist, vor allem dann, wenn bereits erste Biomarker in diese Richtung weisen. Wie Oertel und Mitarbeitende berichten, hatte die Frau bereits im Jahr 2006 erste RBD-Symptome entwickelt, polysomnografisch wurde die RBD 2011 bestätigt. Bei dem Mann begann die RBD im Jahr 2018, die RBD-Diagnose erfolgte zwei Jahre später. Die Frau hatte sich seit 2013 mehreren DAT-SPECT-Untersuchungen unterzogen, der Mann seit 2020. Beide zeigten in Riechtests deutliche Auffälligkeiten, ebenso im DAT-SPECT, was den Verdacht auf ein Parkinsonprodrom erhärtete. Die Frau hatte vor der ADLL-Therapie einen Wert von 21 Punkten nach dem „3-week RBD-severity sum-score“ (RBD-SS-3, maximal 84 Punkte), der Mann hatte mit 7 Punkten deutlich schwächere Symptome. Die Behandlung mit 5 g ADLL pro Tag begann zwischen November 2021 und Januar 2022. Nach drei Wochen Behandlung war der RBD-Score bei der Frau auf nur noch 5 Punkte gesunken und blieb bei diesem Wert über insgesamt 22 Behandlungsmonate. Die Frau gab an, dass lebhafte Träume fast vollständig ausblieben. Der Mann wies nach drei Wochen einen Summenscore von 0 Punkten auf, RBD-Beschwerden zeigten sich nur noch gelegentlich bei Alkoholkonsum und verschwanden komplett, als der Mann den Alkoholgenuss aufgab. An diesem Zustand änderte sich über die folgenden 18 Behandlungsmonate hinweg wenig. Motorische Tests ergaben im Studienverlauf keine Auffälligkeiten, die Frau entwickelte innerhalb von knapp zwei Jahren eine leichte kognitive Einschränkung (MCI). Verbesserte Werte im DAT-SPECT Beide Personen wurden während der Untersuchung weiteren DAT-SPECTs unterzogen. Bei der Frau ergab sich im Putamen im Jahr 2013 ein Bindungsverhältnis des Radioliganden von 1,88, was noch im Bereich des Normalen liegt. 2019 war der Wert auf 1,22 gesunken, drei Monate nach Therapiebeginn auf 1,43 und nach 22 Monaten auf 1,67 gestiegen. Der Mann wies 2020 einen Wert von 1,42 auf, nach 18 Monaten von 1,72 und lag damit fast schon wieder im Normalbereich – ein Hinweis auf eine weitgehend normalisierte nigrostriatale Funktion. Mittels FDG-PET schauten die Forschenden um Ortel ebenfalls nach metabolischen Veränderungen in Parkinson-relevanten Hirnarealen. Diese waren bei der Frau anfangs recht ausgeprägt und stabilisierten sich unter der Therapie, bei dem Mann normalisierten sie sich weitgehend. „Je besser die Ausgangswerte oder je leichter ausgeprägt die Krankheitswerte zu Behandlungsbeginn, desto effektiver ist möglicherweise die Therapie“, so Oertel in einer Pressemitteilung zur Publikation. „Was uns optimistisch stimmt und besonders fasziniert, sind die Bildgebungsdaten, da die Verbesserung der Hirnpathologie nicht mit einem Placeboeffekt erklärt werden kann“, erläutert der Neurologe. Nun sollen größere Studien prüfen, ob sich die Therapieeffekte mit ADLL auch bei anderen RBD-Kranken wiederholen lassen und, natürlich, ob die Behandlung tatsächlich den Ausbruch einer Alpha-Synucleinopathie wie Morbus Parkinson verhindern oder verzögern kann.

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