Nikotin kann Parkinson nicht bremsen

In einer placebokontrollierten Studie aus Deutschland ließ sich mit Nikotinpflastern die Krankheitsprogression bei frühem M. Parkinson nicht verzögern. Tendenziell wurde sie sogar beschleunigt. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Zu den spärlichen gesundheitlichen Vorteilen des Rauchens zählt ein vermindertes Parkinsonrisiko. Es könnte also sein, dass Nikotin neuroprotektive Effekte in der Substantia nigra induziert. Darauf deuten nicht zuletzt Tierexperimente. Natürlich sind auch viele andere Erklärungen möglich, etwa, dass Personen mit einem hohen Parkinsonrisiko risikoscheuer sind oder Raucher ihren Tabakkonsum stoppen, wenn sie erste Symptome bemerken. Da sich kaum sagen lässt, wer einmal an Parkinson erkrankt, sind keine Präventionsstudien mit Nikotin möglich. Das früheste Zeitfenster ergibt sich bei Personen, die ihre Parkinsondiagnose frisch erhalten haben und noch keine dopaminerge Therapie benötigen. Ein Team um Professor Wolfgang Oertel von der Universität Marburg hat bei solchen Menschen eine Behandlung mit Nikotinpflastern geprüft. Wie die Forschenden aktuell berichten, ergeben sich dadurch keine positiven Effekte auf den Krankheitsverlauf, ganz im Gegenteil, dieser scheint sich eher zu beschleunigen. Für ihre Studie NIC-PD konnten sie 163 Personen mit Morbus Parkinson im Hoehn-und-Yahr-Stadium von maximal 2 gewinnen. Alle benötigten noch keine dopaminergen Medikamente, allenfalls MAO-B-Hemmer. Beteiligt waren 13 Zentren in Deutschland und 11 in den USA. Ausgeschlossen wurden Erkrankte, die im Jahr vor dem Studienbeginn geraucht hatten. Im Schnitt waren die Betroffenen 61 Jahre alt, Männer stellten etwas mehr als die Hälfte, 50% nahmen MAO-B-Hemmer. Rund die Hälfte der Teilnehmenden erhielten Nikotinpflaster, zunächst mit einer Dosis von 7 mg/24 h, diese wurde sukzessive bis auf 28 mg/24 h erhöht. Die übrigen bekamen Pflaster ohne Wirkstoff. Die Therapie dauerte ein Jahr, anschließend wurde acht Wochen ausgewaschen, um keine symptomatischen Effekte zu erfassen, dann schauten die Ärztinnen und Ärzte um Oertel nach den Veränderungen beim UPDRS-Gesamtwert. Empfehlung der Redaktion Morbus Parkinson – Themenseite Wie Sie Frühzeichen der Parkinson-Erkrankung erkennen und welche Therapieoptionen es gibt, lesen Sie auf dieser Themenseite. Hier finden Sie Übersichten, News, Interviews und kommentierte Studienreferate. Keinerlei positive Effekte Ausgehend von etwa 21 Punkten hatte sich dieser in der Gruppe mit Nikotinpflaster zum Studienende nach 60 Wochen um 6,0 Punkte verschlechtert, in der Placebogruppe nur um 3,5 Punkte, die Differenz von 2,5 Punkten war statistisch nicht signifikant. Dies spricht klar gegen einen krankheitsmodifizierenden Effekt von Nikotin. Es zeigten sich aber auch keine symptomatischen Verbesserungen mit der Droge: Zum Behandlungsende nach 52 Wochen hatte sich der UPDRS-Wert mit Nikotin um 9,1 Punkte, mit Placebo um 5,4 Punkte erhöht, das Signifikanzniveau wurde nur knapp verfehlt. Nikotin scheint die Parkinsonbeschwerden also eher noch zu verstärken. Auch bei anderen Endpunkten wie Depressivität und Lebensqualität ergaben sich keine belastbaren Unterschiede, allenfalls ein Trend für einen Nachteil unter Nikotin. In beiden Gruppen begann rund ein Drittel im Studienverlauf eine dopaminerge Therapie, unter Placebo deutlich später als unter Nikotin. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich in der Nikotingruppe von Beginn an mehr Personen mit einer rascheren Progression befanden und Nikotin weder einen positiven noch einen negativen Effekt auf den Krankheitsverlauf hat. Nebenwirkungen traten unter Nikotin etwas häufiger auf als unter Placebo, allerdings zeigte sich dabei kein klares Muster. Entzugserscheinungen nach dem Absetzen wurden nicht beobachtet. Geschmälert wird die Aussagekraft der Studie durch die hohe Abbruchrate, hauptsächlich bedingt durch den Beginn einer dopaminergen Therapie. Das Wichtigste in Kürze Frage: Können Nikotinpflaster den Krankheitsverlauf im Parkinsonfrühstadium verzögern? Antwort: In einer placebokontrollierten Studie war dies nicht der Fall. Bedeutung: Nikotin eignet sich nicht zur Parkinsontherapie. Einschränkung: Kleine Studie, hohe Abbruchrate.

Springer Medizin

Nikotin kann Parkinson nicht bremsen

Neu in den Fachgebieten Neurologie und Psychiatrie

Klimaangst: Kollektives Anliegen erreicht Psychotherapie

Lassen sich altersassoziierte Erkrankungen via Bluttest vorhersagen?

Schluckstörungen im Alter – erkennen Sie die Anzeichen?

Alzheimer-Diagnose bereits im MCI-Stadium