Tonsillitis: Was bei der Therapie zu beachten ist

Halsschmerzen gehören wohl mit zu den häufigsten Beratungsanlässen in der pädiatrischen Praxis. Manchmal steckt eine Tonsillitis dahinter. Dann gilt es, eine Übertherapie zu vermeiden und gleichzeitig fulminante Verläufe bzw. Komplikationen zu verhindern. Dr. Frank Waldfahrer, Uniklinik Erlangen, fasst zusammen, worauf es ankommt. Bei Kindern mit akuter Tonsillitis stellt sich immer die Frage, ob womöglich eine Antibiotikatherapie erforderlich ist. Die Wahrscheinlichkeit einer viralen oder bakteriellen Genese lasse sich gut anhand der Centor- bzw. McIsaac-Kriterien beurteilen, wie der Oberarzt Dr. Frank Waldfahrer von der HNO-Klinik der Universität Erlangen beim diesjährigen Pädiatrie-Update ausführte. Sprechen die Symptome für eine akute bakterielle Tonsillitis, würde man zu einer Antibiotikatherapie (Penicillin V) raten, um Streptokokken-Folgeerkrankungen zu vermeiden. Doch auch bei der akuten bakteriellen Tonsillitis stehe die Notwendigkeit einer Antibiose aktuell in der Diskussion. Bei der Frage, wie lange die Penicillingabe fortgeführt werden sollte, verwies Waldfahrer auf die neue Leitlinie „Halsschmerzen“, die eine Dauer von fünf bis sieben Tagen als ausreichend erachtet. Für eine Erregereradikation könnte eine fünftägige Penicillintherapie jedoch zu kurz sein, wie Waldfahrer mit Blick auf ältere Studien bemerkte (Eradikation nach 5 Tagen: 80,4% vs. Eradikation nach 10 Tagen: 90,7%). Wenn die Tonsillitis ständig wiederkehrt Durchaus günstig bewertet Waldfahrer den Nutzen von Probiotika zur Infektionsprophylaxe bei rezidivierender Tonsillitis. Er warnte jedoch vor überzogenen Erwartungen: Realistisch sei gemäß einer Metaanalyse aus dem Jahr 2019 (King et al. Eur J Public Health 2019) eine moderate Risikoreduktion (RR = 0,71). Eine sichere Indikation zur Tonsillektomie bestehe bei Kindern, die innerhalb der letzten zwölf Monate sechsmal aufgrund einer akuten bakteriellen Tonsillitis mit Antibiotika therapiert werden mussten, so Waldfahrer. In diesem Zusammenhang bat er, auf die korrekte Bezeichnung des Krankheitsbildes zu achten. Das wiederholte Auftreten akuter Tonsillitiden mit beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervallen werde als rezidivierende akute Tonsillitis bezeichnet, der Terminus „chronische Tonsillitis“ soll hingegen nicht mehr verwendet werden. Risiko Nachblutung in bestimmten Fällen besonders hoch Eine gefürchtete Komplikation der Tonsillektomie ist die Nachblutung. Das Risiko variiere, so Waldfahrer, unter anderem in Abhängigkeit des gewählten Operationsverfahrens und liege bei den „heißen“ Operationsmethoden verglichen mit den „kalten“ Techniken um den Faktor 4 bis 5 höher. Ähnliches gelte übrigens auch für die postoperative Schmerzintensität (Cassano et al. Clin Otolaryngol 2018), weshalb Waldfahrer eindeutig für die „kalte“ Tonsillektomie plädierte. Mit Blick auf das Nachblutungsrisiko sollte auf Ibuprofen zur postoperativen Analgesie besser verzichtet werden (OR 1,38), vor allem bei Kindern ab zwölf Jahren (Stokes et al. Otolaryngol Head Neck Surg 2019). Zur erhöhten Vorsicht mahnte Waldfahrer zudem bei allen Kindern mit einer ersten Nachblutungsepisode. Das Reblutungsrisiko innerhalb der nächsten fünf Tage bezifferte Waldfahrer mit rund 10% und riet dringend zu einer ebenso langen stationären Beobachtung. Das gelte insbesondere bei über 11-Jährigen oder übergewichtigen Kindern (> 85. Perzentile). Sonderindikationen der Tonsillektomie Eine Tonsillektomie kann, wie Waldfahrer ergänzte, auch beim PFAPA-Syndrom erwogen werden. Das PFAPA-Syndrom ist das bei Kindern am weitesten verbreitete periodische Fiebersyndrom. Weiter zählte Waldfahrer die IgA-Nephritis, die Pustolosis palmoplantaris sowie pädiatrische autoimmun-neuropsychiatrische Krankheiten mit Infektion durch beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (PANDAS) zu den besonderen Indikationen. Ebenfalls eine Überlegung wert sei die Operation aus seiner Sicht bei Kindern mit Enuresis. Gemäß einer Metaanalyse (n = 890) war bei bis zu 50% der Patienten im Anschluss an die Tonsillektomie eine Komplettremission erreicht worden (Lehmann KJ et al. J Pediatr Urol 2018). Für Waldfahrer ist dieses Ergebnis nicht überraschend: „Wer eine Verlegung der Atemwege hat, schläft schlecht, wacht nachts öfter auf und dann passiert sowas eben häufiger.“ Basierend auf: Waldfahrer F. Vortrag beim 14. Pädiatrie-Update-Seminar, 16. April 2021, Berlin Weitere Beiträge vom Pädiatrie Update 2021 Neue Reanimationsleitlinien: So geht Wiederbelebung bei Säuglingen, Kindern, Jugendlichen Atopisches Ekzem: „Lassen Sie Säuglinge nicht unterbehandelt!“ S3-Leitlinie „Halsschmerzen“ aktualisiert Otitis media: Kein „watchful waiting“ mehr bei den unter Zweijährigen? Wann bei pädiatrischer Harnwegsinfektion eine stationäre Aufnahme indiziert ist

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