Klinische Scores ungeeignet zur Antibiotikavermeidung bei Pharyngitis

Scores, die bei Halsschmerzen das Risiko einer bakteriellen Pharyngitis abschätzen helfen sollen, sind offenbar nicht in der Lage, unnötige Antibiotikaverordnungen zu reduzieren. Geeigneter erscheinen Schnelltests auf GAS, bei korrekter Anwendung. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Akute Halsschmerzen ohne Red Flags (z. B. Immunsuppression, schwere Komorbidität) sind in der Regel selbstlimitierend und nach sieben Tagen vorbei, das Risiko für suppurative Komplikationen ist gering. Als Indikation für eine antibiotische Behandlung gilt vor allem eine Pharyngitis durch Gruppe-A-Streptokokken (GAS), obwohl auch hier schwere Komplikationen extrem selten geworden sind. Laut einer Studiengrupppe um Hannelore Wächtler von der Universität Kiel liegt die Antibiotikaverordnungsrate aber etwa zwei- bis dreimal so hoch wie die GAS-Prävalenz unter Pharyngitispatienten. Die Ärztinnen und Ärzte haben daher in einer Studie untersucht, ob sich Überverordnung durch den Einsatz von Scores zur klinischen Risikoabschätzung, wie sie in der DEGAM-Leitlinie „Halsschmerz“ empfohlen werden, vermeiden lässt. Zusätzliche Einsparungen erhofften sie sich vom Einsatz von GAS-Schnelltests im Fall hoher Score-Werte. In einer Cluster-randomisierten kontrollierten Studie in 61 norddeutschen Hausarztpraxen wurden die beiden Strategien mit dem ärztlichen Routinevorgehen verglichen, das in der Studienlaufzeit von 2010 bis 2012 noch relativ selten Scores oder Schnelltests einbezog. Dreimal so häufig Antibiotika wie GAS Jeweils ein Drittel der Praxen sollte bei bis zu elf konsekutiven Patienten ab dem Alter von zwei Jahren mit Erstvorstellung wegen Pharyngitis und mindestens mittelschwerer Beeinträchtigung je eine der drei Strategien verfolgen; in allen Fällen sollten Rachenabstriche für eine GAS-Kultur genommen werden. Insgesamt wurden 520 Patienten und Patientinnen in die Studie einbezogen. Mit Blick auf die Verordnungshäufigkeit von Antibiotika spielte es keine Rolle, in welcher Praxis die Patienten gesehen worden waren: Die Rate betrug 52% in Praxen, die gemäß damaliger Leitlinie den Centor- oder McIsaac-Score einsetzen sollten (Score ≥ 3: verzögert oder sofort Antibiotika). In den Praxen, die bei einem Score-Wert ab 3 zusätzlich einen Antigenschnelltest auf GSA zurate ziehen sollten, lag die Quote bei 43%. Exakt gleich hoch war sie bei der Routineversorgung. Rezepte für Antibiotika wurden damit in allen Gruppen rund dreimal so häufig aufgestellt, wie GAS festgestellt wurden (Prävalenzen zwischen 14% und 16%). Schnelltests senken Verordnungswahrscheinlichkeit Ein Unterschied ergab sich jedoch, wenn berücksichtigt wurde, dass mehr Kranke in der Gruppe mit Schnelltests als in der Gruppe mit Risikoscores allein einen Score-Wert ≥ 3 hatten (55% vs. 35%). Nach entsprechender Adjustierung war die Wahrscheinlichkeit für ein Antibiotikum bei zusätzlichem Schnelltest signifikant niedriger (OR 0,23) – und das, obwohl die Behandelnden 35 von 90 Patienten trotz negativem Schnelltest ein Antibiotikum verschrieben hatten. Drei Viertel der Patienten hatten Symptomtagebücher geführt. Im Gruppenvergleich ließen sich keine Unterschiede im Krankheitsverlauf ausmachen. Negative Testergebnisse oft ignoriert Wächtler und Mitarbeitende schließen daraus, dass die auch in der aktuellen Leitlinie (u. a.) empfohlenen Scores Centor und McIsaac „ungeeignet erscheinen, um die Antibiotikaverordnungen bei Halsschmerzen zu reduzieren“. Erfolgversprechender seien die Schnelltests auf GAS: „Stärkere Adhärenz der Ärzte zu einem negativen Schnelltest sollte die Zahl der Verschreibungen reduzieren.“ Das Wichtigste in Kürze Frage: Lässt sich die Häufigkeit von Antibiotikaverordnungen bei Pharyngitis reduzieren, wenn klinische Scores oder Scores plus Streptokokken-Schnelltests zum Einsatz kommen? Antwort: In einer Cluster-randomisierten Vergleichsstudie führten Scores allein nicht zu einer Reduktion, mit zusätzlichen Schnelltests war die Verordnungswahrscheinlichkeit geringer, obwohl negative Testergebnisse nicht selten ignoriert wurden. Bedeutung: Die Verwendung von Scores und Schnelltests könnte bei besserer Adhärenz die Verordnungen reduzieren. Einschränkung: Selektive Rekrutierung von Patienten nicht ausgeschlossen.

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