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12.03.2021 | Praxis und Beruf | Für die Facharztausbildung | Nachrichten

Junge Internisten in der DGIM

„Wir brauchen mehr Struktur und Supervision in der Weiterbildung“

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Interviewt wurde:
PD. Dr. med., M.Sc. Matthias Raspe
Das Interview führte:
Dr. Beate Schumacher

Assistenzärzt*innen leiden oft doppelt unter dem Zeitdruck in Kliniken: Zur hohen Arbeitsbelastung kommt eine ungenügende Weiterbildung. Dass Änderungen nottun, machte Dr. med. Matthias Raspe im Gespräch mit Springer Medizin deutlich. Raspe ist Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie an der Berliner Charité und Sprecher der Jungen Internisten der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), die mit dem Forum Junge Internisten beim Digitalkongress der DGIM vertreten sind.

Herr Dr. Raspe, Sie haben sich bereits 2014 und 2016 in zwei bundesweiten Umfragen mit den Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen von Assistenzärzt*innen der Inneren Medizin befasst und dabei einigen Verbesserungsbedarf ausgemacht. Wie sieht es im Jahr 2021 aus?

Dr. Matthias Raspe: Die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen haben sich über die letzten Jahre nicht wesentlich verbessert. Es gibt weiterhin große Probleme, vor denen Ärzte in Weiterbildung stehen. Die Weiterbildung ist wenig strukturiert, sie besteht in learning by doing, man wird ins kalte Wasser geschmissen und muss sich vieles selbst beibringen. Es ist den Stationen überlassen, ob sich Oberärzte für die Weiterbildung engagieren oder ob sie völlig ungeregelt läuft. Die Landesärztekammern, die eigentlich die Aufgabe haben, sich um die Weiterbildung zu kümmern, tun das eben nicht ausreichend. Standard ist, dass man mit dem unterschriebenen Logbuch den ersten Kontakt mit der Ärztekammer hat, also kurz vor der Facharztprüfung, wenn eigentlich alles vorbei ist. Das zweite Problem sind die Arbeitsbedingungen: Durch das DRG-System ist der ökonomische Druck stark gestiegen, in kürzerer Zeit müssen viel mehr Patienten versorgt werden, es ist auch zu wenig pflegendes Personal da. Dadurch wird die Weiterbildung, die keinen geschützten Raum im Berufsalltag hat, noch weiter marginalisiert

Was raten Sie Assistenzärzt*innen, die den Eindruck haben, dass ihre Weiterbildung im Arbeitsalltag zu kurz kommt?

Raspe: Ich rate Ihnen, sich darum zu kümmern. Es gibt in den wenigsten Fällen jemanden in der Klinik, der ein Auge darauf hat und von sich aus nachfragt. Kollegen und Kolleginnen in Weiterbildung haben die Pflicht, das selbst im Blick zu haben. Das heißt, sie müssen darauf pochen, dass es Weiterbildungsgespräche gibt, dass sie alle Stationen absolvieren, dass sie Eingriffe machen etc. 

Andererseits brauchen wir mehr Struktur. Die neue Musterweiterbildungsordnung wird in einigen Bundesländern schon umgesetzt. Ich habe die Hoffnung, dass sie ein Plus an Struktur und an Supervision bringt. Das bleibt aber noch abzuwarten. Ich glaube, dass ein großes Problem darin besteht, dass das System unter großem ökonomischem Druck steht, die Weiterbildung aber zeitintensiv ist und den Kliniken und Praxen finanziell nichts einbringt. Daran muss sich etwas ändern. Die Kliniken, die viel und gute Weiterbildung machen, müssen das kompensiert bekommen und dürfen nicht das Nachsehen haben, weil sie mehr Zeit und Ressourcen für die Patientenversorgung brauchen.

Dr. med. Matthias Raspe, M.Sc.

Die hohe Arbeitsbelastung in der Inneren Medizin macht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwierig. Das führt auch dazu, dass Frauen in leitenden Positionen unterdurchschnittlich vertreten sind. Wie ließe sich die Situation verbessern?

Raspe: Ich sehe das Problem auch. Es gibt bei der Karriere noch zu wenig Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen. Da sind andere Länder wie etwa Schweden weiter als wir. Dort ist es akzeptierter, wenn die Arbeitszeit nach hinten limitiert ist und man für die Familie zu einer gewissen Zeit nach Hause geht. Wir müssen lernen, dass man Führungskraft auch in Teilzeit sein kann. Eine Möglichkeit sind geteilte Stellen, solche Doppelspitzen gibt es teilweise schon. In vielen Städten sind auch die Kinderbetreuungszeiten nicht mit dem Arztberuf kompatibel. Hier wäre eine größere Flexibilität hilfreich.

Welche Veränderungen in der internistischen Weiterbildung sind aus Ihrer Sicht am dringendsten?

Raspe: Das Wichtigste ist, dass wir in die Weiterbildung mehr Struktur und mehr Supervision hineinbringen. Das ist letztlich nur zu erreichen, wenn man mehr Ressourcen dafür freistellt. Sie einfach draufzusetzen auf alle anderen Verpflichtungen, die wir im Alltag bereits haben, wird nie zu einer guten Weiterbildung führen.

Haben Sie noch einen persönlichen Tipp für angehende Internisten, wie sie gut auch durch schwierige Zeiten kommen?

Raspe: Wichtig ist, sich die Freude am Beruf zu erhalten. Es gibt immer wieder Zeiten, in denen es nicht so gut läuft. Aber ich finde, wir sollten uns immer bewusst machen, was für einen schönen und vielseitigen Beruf wir haben. Was ich an der Inneren Medizin besonders schön finde, ist, dass man den ganzheitlichen Blick auf den Patienten bewahrt. Gerade in Zeiten ständiger Subsubspezialisierung brauchen wir Generalisten, die den Überblick behalten und mit den Patienten in ihrem sozialen Kontext Entscheidungen treffen. Deshalb ist die Innere Medizin auch ein absolut zukunftsträchtiges Fach.

Forum Junge Internisten beim Digitalkongress der DGIM

Die Arbeitsgruppe Junge Internisten der DGIM vertritt den internistischen Nachwuchs inner- und außerhalb der Fachgesellschaft. Zielpublikum des „Forum Junge Internisten“ sind vor allem – aber bei Weitem nicht nur – Medizinstudierende und junge Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung. 

Das Kongressprogramm der Forums Junge Internisten finden Sie in der Programmübersicht in Kanal 2.

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