Bei akuten Verhaltensänderungen: kraniales CT zu häufig im Einsatz

Seit der Entwicklung der Computertomografie (CT) in den 1970er-Jahren hat der Einsatz von CT-Untersuchungen exponentiell zugenommen. Ob CTs inflationär eingesetzt werden, etwa bei Menschen mit plötzlichen atraumatischen Verhaltensänderungen, untersuchte nun ein Team aus den USA und Nepal. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Bei Patientinnen und Patienten, bei denen es plötzlich zu ausgeprägten Persönlichkeits- und/oder Verhaltensänderungen kommt, wird häufig eine kraniale CT-Untersuchung (CCT) durchgeführt. Das American College of Radiology hat sich in den 2019 veröffentlichten „appropriateness criteria“ jedoch nicht ausdrücklich für eine CCT bei Erkrankten mit akuter Verhaltensänderung ohne Trauma, ohne das Risiko einer intrakraniellen Blutung (z. B. bei Einnahme von Antikoagulanzien), ohne hypertensiven Notfall, ohne bekannte intrakranielle Erkrankungen (Tumor, kürzlich stattgefundene Blutung oder Infarkt, Infektion des ZNS), ohne neu einsetzendes Delirium oder Psychose ausgesprochen. Die Entscheidung, eine CCT durchzuführen, liegt im Ermessen des behandelnden Arztes bzw. der behandelnden Ärztin. Aufgrund der einfachen und schnellen Durchführung ist die CCT häufig die bevorzugte Methode der radiologischen Untersuchung. Im Zuge eines systematischen Reviews mit Metaanalyse überprüften nun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Roshan Acharya vom Carilion Roanoke Memorial Hospital im US-Bundesstaat Virginia die Rate an CT-Untersuchungen ohne Kontrastmittel, die bei Betroffenen mit akut einsetzenden, ausgeprägten Persönlichkeits- und/oder Verhaltensänderungen eingesetzt wurden. 26 Studien kamen für ein systematisches Review und 25 für eine Metaanalyse infrage, insgesamt wurden knapp 80.000 Patientinnen und Patienten einbezogen. Ein CCT wurde bei 94% der Patientinnen und Patienten mit Verhaltensänderungen vorgenommen. Eine zusätzliche Untergruppenbildung je nach Einrichtung bzw. Abteilung ergab eine Rate von 100% auf der Intensivstation, gefolgt von 99% stationär aufgenommener Patientinnen und Patienten, 96% in der Notaufnahme und 76% bei Erkrankten, die in verschiedenen Abteilungen behandelt worden waren. Befunde aufgrund dieser CCT-Untersuchungen kamen bei 11% der Aufnahmen heraus, mit einem Maximum von 17% bei in der Notaufnahme vorgenommenen Untersuchungen, 12% auf der Intensivstation, 7% bei der Betreuung in verschiedenen Abteilungen und 3% stationär Aufgenommener. Über den Nutzen positiver CTH-Ergebnisse der analysierten Studien konnte das Forschungsteam nichts berichten. Nur vier Analysen hatten die Diagnosen positiver CCT-Befunde erörtert, und keine der Studien ging explizit darauf ein, ob anhand der Untersuchungsergebnisse das Management der Patientinnen und Patienten geändert wurde. Geringe Ausbeute Das Fazit der Studienautorinnen und -autoren fällt eindeutig aus: „In dieser Metaanalyse war der CCT-Einsatz bei Patienten mit akuten atraumatischen Persönlichkeits- und/oder Verhaltensänderungen sehr hoch, die Ausbeute aber gering.“ Es werden groß angelegte Studien benötigt, die dann die klinische Entscheidungsfindung in einer solchen Situation unterstützen können. Die Hauptgründe für die hohe Rate an CCT sind laut Acharya und seinem Team das Fehlen klarer Leitlinien sowie ein diagnostisches Dilemma. Die Forschenden erinnern in ihrer Studie auch nochmals an das Strahlenrisiko: Computertomografische Untersuchungen sind mit einer erheblichen Strahlenbelastung und einem hohen Krebsrisiko verbunden. Die mittlere Strahlendosis einer einzelnen CT-Untersuchung beträgt in der Regel bei Erwachsenen 15 mSv. Ein signifikantes Gesamtkrebsrisiko wurde bei Überlebenden der Atombombe festgestellt, die einer Strahlenbelastung zwischen 5 und 150 mSv (durchschnittlich 40 mSv) ausgesetzt waren. Diese Strahlendosis entspricht der relevanten Organdosis, die ein Erwachsener bei zwei oder drei Aufnahmen im Rahmen einer typischen CT-Untersuchung erhält, so die Berechnungen von Acharya et al. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sollten Vorsicht walten lassen und ihr klinisches Urteilsvermögen einsetzen, um den wahllosen Einsatz von CCT bei der Beurteilung von Patientinnen und Patienten mit atraumatischen Persönlichkeits- und/oder Verhaltensänderungen zu minimieren. In einer weiteren Untersuchung wurde festgestellt, dass rund ein Drittel der CT-Untersuchungen durch alternatives Vorgehen ersetzt werden können oder ganz ohne CTs auskommen. „Angesichts des Strahlenrisikos und der zusätzlichen Behandlungskosten sollten Ärztinnen und Ärzte CCT mit Bedacht einsetzen“, schreibt die Studiengruppe um Acharya. Prospektive Studien mit einer größeren Kohorte von Patientinnen und Patienten mit akuten Veränderungen des mentalen Status seien erforderlich, um Instrumente zur klinischen Risikostratifizierung zu entwickeln, die einen rationalen und vernünftigen Einsatz von CCT ermöglichen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie häufig wird eine kraniale Computertomografie (CCT) bei Patientinnen und Patienten mit einer akut aufgetretenen, atraumatischen Persönlichkeits- und/oder Verhaltensänderung eingesetzt und wie häufig kommt es zu einem Befund? Antwort: Eine Metaanalyse ergab, dass die Verwendung von CCT ohne Kontrastmittel bei Patienten mit akuten atraumatischen Verhaltensänderungen hoch und die Ausbeute an Befunden gering ist. Bedeutung: Angesichts des Strahlenrisikos und der hohen Behandlungskosten sollten CCT mit Bedacht eingesetzt werden. Einschränkung: Große Heterogenität der untersuchten Studien in puncto Größe und Setting und ein signifikanter Publikations-Bias wurden festgestellt.

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