Posttraumatische epileptische Anfälle gehören zu den häufigsten Komplikationen eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT). Das SHT ist weltweit ein erhebliches Gesundheitsproblem mit einer hohen Morbidität und Mortalität. Es ist am häufigsten Folge von Stürzen, Freizeitunfällen oder Verkehrsunfällen und hat einen Häufigkeitsgipfel im Kindes- und Jugendalter. Die geschätzte Inzidenz beträgt im Median etwa 180–250 Fälle/100.000 Einwohner/Jahr bzw. 690/100.000 Einwohner/Jahr (unter 20 Jahre; [
1]). Kinder unter 5 Jahren haben die höchste Inzidenz [
2]. Das SHT ist Folge jeglicher mechanischen Einwirkung auf das Gehirn bzw. die umgebenden knöchernen und Weichteilstrukturen. Diese mechanische Einwirkung kann milde sein (z. B. Commotio cerebri) oder aber zu erheblichen Verletzungen mit schwerem Koma führen. Diese schweren SHT können mit fokalen Schädigungen einhergehen einschließlich intrakranieller oder intrazerebraler Blutungen, Frakturen der Schädelbasis oder -kalotte bzw. sog. penetrierenden Verletzungen (i.e. Unterbrechung der duralen Kontinuität). Sie können aber auch diffuse Schädigungen, die in der Bildgebung nicht als regionale Läsionen dargestellt werden können, verursachen und sind dann meistens diffusen axonalen Schädigungen entsprechend [
3]. Der Schweregerad eines SHT ist in der Literatur unterschiedlich kategorisiert worden. Zumeist wird die Glasgow Coma Scale (GCS) herangezogen und es wird eine milde (GCS 13–15) von einer moderaten [
9‐
12] und schweren Gehirnverletzung [
3‐
8] unterschieden. Andere Maßstäbe sind der Bewusstseinsverlust (milde: 30–60 min, moderate: 1–6 h, schwere: > 6 h) oder die Dauer einer posttraumatischen (retrograden) Amnesie (< 24 h vs. > 24 h). Auch systematisierte Skalen (z. B. „Mayo Clinic Traumatic Brain Injury Severity Scale“), die wesentliche Faktoren wie Bewusstseinsverlust, Amnesie, neuroradiologisch fassbare Komplikationen oder Nachweis von Frakturen des Schädelknochens miteinbeziehen und entsprechend gewichten, werden herangezogen, um valide Aussagen über das Ausmaß und die Schwere eines SHT treffen zu können [
4]
.
Im direkten Anschluss an die erfolgte Gewalteinwirkung kommt es zu sekundären zerebralen Schädigungsprozessen, die wochen- bis monatelang, möglicherweise auch Jahre nach dem Ereignis anhalten können und als mitverantwortlich für das Auftreten einer posttraumatischen Epilepsie angesehen werden. So kommt es zu einer frühen und anhaltenden erhöhten Exzitabilität im Hippocampus (beobachtet bei Patienten und im Tierversuch [
5]) als Resultat eines selektiven Untergangs der besonders vulnerablen inhibitorischen Interneurone und verstärkter Ausbildung exzitatorischer synaptischer Verbindungen innerhalb des Gyrus dentatus („mossy fiber sprouting“; [
6])
. Auch in anderen Regionen kommt es zu ischämiebedingtem Zelltod, Apoptose, verstärkter mikroglialer und astrozytärer Migration oder Neogenese mit konsekutiver Gliose und kortikaler Atrophie. Die Folge sind Änderungen in der Textur der zerebralen Netzwerke verbunden mit möglicher erhöhter kortikaler Hyperexzitabilität [
7]
. Auf zellulärer Ebene kommt es ebenfalls zu einer Reihe von pathophysiologischen Reaktionsmechanismen: posttraumatisch bedingter oxidativer Stress führt zu Zellschwellung mit intrazellulärem Ödem und Zelltod und zu vermehrter Produktion exzitatorisch wirksamer Aminosäuren sowie zu Änderungen in der mitochondrialen Aktivität und der synaptischen bzw. Rezeptorfunktionen [
8]
. Weitere bedeutende Faktoren, die ebenfalls exzitatorische Konsequenzen nach sich ziehen können, sind Störungen der Blut-Hirn-Schranke sowie Ablagerungen von Blutprodukten (v. a. Eisen) nach großflächigen intrazerebralen Blutungsereignissen oder auch schon bei Mikrohämorrhagien nach mildem SHT [
9]
. Eine besondere Bedeutung – v. a. auch in Hinblick auf das Auftreten epileptischer Anfälle – haben neuroinflammatorische Vorgänge im Anschluss an ein zerebrales Trauma. Durch die erwähnten zellulären Prozesse werden inflammatorische Faktoren (in erster Linie Zytokine) freigesetzt und Leukozyten wandern in das zerebrale Parenchym ein [
10]
. Chemokine wie CXCL8 und CCL2 unterstützen diese Leukozytenmigration [
11]
. In weiterer Folge kommt es zur Freisetzung weiterer Zytokine, insbesondere TNF‑α („tumor necrosis factor α“), TGF‑β („transforming growth factor β“) und IL-1β (Interleukin 1β). Epileptische Anfälle, die in der Phase der sekundären zerebralen Schädigung auftreten, führen zu einer Unterstützung und Verstärkung dieser inflammatorischer Vorgänge, besonders durch zusätzliche Aktivierung von IL-1β [
12]
. Umgekehrt sind diese intrazerebralen Entzündungsprozesse wesentlich verantwortlich für die Entstehung epileptischer Anfälle, besonders aufgrund von Zytokin-mediierter Rezeptormodulation und dadurch erhöhter neuronaler Exzitabilität [
13]
. Neuroinflammation kann aber nicht nur das Auftreten einzelner epileptischer Anfälle triggern, sondern trägt durch die beschriebenen andere pathophysiologische Mechanismen auch zur Epileptogenese im Sinne des Entstehens einer posttraumatischen Epilepsie bei. Eine weitere Schlüsselrolle wird hierbei neben den erwähnten Zytokinen dem HMGB1 („high-mobility group box protein 1“) zugeschrieben [
14].