20.01.2023 | Schmerzmedizinische Pharmakotherapie | Originalien
Nutzen und Schaden von Cannabisarzneimitteln aus Sicht von Patienten mit chronischen Schmerzen und ihren Ärzten
Eine Kohortenstudie in drei saarländischen Schmerzzentren
verfasst von:
Claudia Böttge-Wolpers, Patric Bialas, Sven Gottschling, Stephanie Juckenhöfel, Dieter Konietzke, Albrecht Madlinger, Patrick Welsch, Winfried Häuser
Erschienen in:
Der Schmerz
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Hintergrund
Es liegen keine Studien vor, in denen Nutzen und Schaden von Cannabisarzneimitteln aus Sicht von Patienten mit chronischen Schmerzen und ihren Ärzten gleichzeitig erfasst wurden.
Methoden
In eine Querschnittsstudie wurden vom 01.01. bis 31.12.2021 alle Patienten von drei saarländischen Schmerzzentren eingeschlossen, welche mindestens eine Verordnung von Cannabisarzneimitteln (CAM) wegen chronischer Schmerzen im Studienzentrum erhalten hatten. Patienten und Ärzte füllten getrennt einen selbstentwickelten Fragebogen aus.
Ergebnisse
Alle 187 auf die Teilnahme angesprochenen Patienten nahmen teil. 44,9 % der Patienten gaben seit der Einleitung der Therapie mit CAM eine deutliche, 43,3 % eine mäßige, 8,0 % eine geringe, 2,7 % keine Besserung und 1,1 % eine mäßige Verschlechterung des Gesamtzustands an. Die häufigsten Symptome, bei denen eine deutliche Besserung angegeben wurde, waren aus Patientensicht Schlafstörungen (36,4 %), Muskelverspannung (25,1 %) und Appetitprobleme (22,1 %). Die am häufigsten auftretenden starken Nebenwirkungen waren Schwitzen (6,4 %), Konzentrationsprobleme (4,2 %) und Übelkeit (4,1 %). Ärzte stellten bei 60,7 % der Patienten eine relevante Schmerzreduktion, bei 65,7 % eine Verbesserung des Schlafs und bei 34,3 % eine Verbesserung des seelischen Befindens fest. Opioide konnten bei 64,7 %, Antikonvulsiva bei 57,9 % und Antidepressiva bei 60 % der mit diesen Medikamenten vorbehandelten Patienten vollständig abgesetzt werden.
Schlussfolgerungen
CAM können bei sorgfältig ausgewählten und überwachten Patienten mit chronischen Schmerzen zu einer klinisch relevanten Reduktion von Schmerz, Schlafstörungen, Muskelverspannungen und psychischer Symptombelastung sowie zu einer Verbesserung der Funktionsfähigkeit im Alltag führen. CAM können dazu beitragen, die Dosis anderer Schmerzmittel (Antidepressiva, Antikonvulsiva, Opioide) zu reduzieren bzw. diese vollständig abzusetzen.