Dreimonatskoliken: Alternativmedizin ohne nachgewiesenen Effekt

Die Wirksamkeit von Osteopathie und Chiropraktik zur Behandlung von Dreimonatskoliken wurde in einer aktuellen Metaanalyse untersucht. Ergebnis: Weder auf das Schreien noch auf die Schlafdauer hatten diese alternativmedizinischen Maßnahmen signifikanten Einfluss. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Nach einer gängigen Definition liegt eine Dreimonatskolik vor, wenn ein Säugling ohne erkennbare Ursache und ohne sich trösten zu lassen mindestens drei Wochen lang an drei Tagen pro Woche über mehr als drei Stunden täglich schreit. In solchen Fällen suchen Eltern oft und mit steigender Tendenz Hilfe in chiropraktischen oder osteopathischen Praxen. Metaanalyse über fünf randomisierte Studien Ein Team aus Spanien hat sich nun fünf randomisierte kontrollierte Studien von zumindest mittlerer Qualität vorgenommen, die die Wirksamkeit solcher Maßnahmen untersucht haben. In ihrer Metaanalyse kommt die Gruppe um Sara Cabanillas-Barea von der Universitat Internacional de Catalunya zu folgendem Ergebnis: Eine wie immer geartete osteopathische oder chiropraktische Manipulation oder Mobilisation kann auf der Grundlage der aktuellen Evidenz nicht zur Behandlung von Dreimonatskoliken empfohlen werden. Die Studie habe gezeigt, dass die angewendeten alternativmedizinischen oder komplementären Maßnahmen nicht geeignet waren, die Dauer des Schreiens maßgeblich zu verkürzen oder die Schlafdauer zu steigern, so das Team. Die Ergebnisse stehen im Einklang mit mehreren Übersichtsarbeiten und Metaanalysen zu Dreimonatskoliken, in denen ebenfalls kein Effekt alternativmedizinischer oder komplementärer Verfahren nachgewiesen werden konnte. An der vorliegenden Studie waren insgesamt 422 Babys mit entsprechender Diagnose beteiligt. Das Höchstalter in den Einzelstudien lag bei acht, neun, zwölf bzw. 14 Wochen. Zwei Studien hatten den Effekt von osteopathischen Techniken untersucht, die auf der Manipulation und/oder Mobilisierung des kraniosakralen Komplexes beruhten. Die übrigen drei hatten sich chiropraktischer Mobilisierung oder Manipulation gewidmet. Die Interventionsgruppen wurden jeweils mit Kontrollgruppen ohne diese Maßnahmen verglichen. Dabei musste die Zahl der Stunden, in denen das Baby innerhalb von 24 Stunden schrie bzw. schlief, von den Eltern in entsprechenden Tagebüchern festgehalten sein. Schreidauer nicht verkürzt, Schlafdauer nicht gesteigert In der Metaanalyse stellte sich heraus, dass die osteopathischen oder chiropraktischen Interventionen im Vergleich zur Kontrollgruppe insgesamt nicht zu einer signifikanten Verkürzung der Schreidauer oder einer signifikanten Verlängerung der Gesamtschlafdauer geführt hatten (Mean Difference, MD –1,08 bzw. 1,11). Drei der berücksichtigten Studien hatten zwar eine signifikante Abnahme des Schreiens nachgewiesen (zweimal nach osteopathischen, einmal nach chiropraktischen Interventionen), die methodische Qualität war jedoch in allen drei mittelmäßig. Umgekehrt hatte sich gerade in den beiden Studien mit hoher Qualität kein signifikanter Unterschied gezeigt. Die Angaben zu den Sitzungen variierten deutlich. Nur in zwei Studien war eine Sitzungsdauer definiert worden, die Bandbreite reichte von 30 bis 40 Minuten. Absolviert wurden zwischen einer und vier Sitzungen über insgesamt eine bis vier Wochen. Nebenwirkungen teilweise nicht erfasst Eventuelle Nebenwirkungen der Intervention waren in zwei Studien gar nicht erfasst worden. In zwei weiteren Studien hieß es, es seien keinerlei Nebenwirkungen aufgetreten. Die Autoren einer anderen Studie schließlich berichten, die Teilnahme sei in einem Fall aufgrund von verstärktem Weinen abgebrochen worden. Insgesamt bewerten Cabanillas-Barea und ihr Team den Evidenzgrad als „sehr niedrig“. In Bezug auf beide Outcome-Parameter habe es gravierende Verzerrungsrisiken gegeben; damit seien die Ergebnisse „unsicher“ und die Schätzungen zum Effekt wenig verlässlich. Für zukünftige Studien empfiehlt das Forschungsteam, die Intervention mit Schein- oder Placebointerventionen zu vergleichen und vor allem auch unerwünschte Wirkungen zu dokumentieren. Bevor solche Ergebnisse vorlägen, könne man die genannten Maßnahmen nicht empfehlen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wirksamkeit von Osteopathie und chiropraktischen Manipulationen zur Behandlung von Dreimonatskoliken. Antwort: In einer Metaanalyse über fünf randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 422 Säuglingen wurde mit den genannten Interventionen keine signifikante Verbesserung hinsichtlich Schreien bzw. Schlafdauer erzielt. Bedeutung: Weder Osteopathie noch Chiropraktik können evidenzbasiert zur Behandlung von Dreimonatskoliken empfohlen werden. Einschränkung: Metaanalyse mit hohen Verzerrungsrisiken; teilweise hohe Heterogenität der Einzelstudien; Nebenwirkungen überwiegend nicht erfasst; Evidenzgrad in Bezug auf beide Outcome-Parameter sehr niedrig.

Impuls - Die Nachhaltigkeitsinitiative von Springer Medizin

Springer Medizin

Dreimonatskoliken: Alternativmedizin ohne nachgewiesenen Effekt

Weiterführende Themen

Neu im Fachgebiet Pädiatrie

Vesikoureteraler Reflux: „Routineprophylaxe mit Antibiotika nicht gerechtfertigt“

Kinder entwickeln selten Long COVID

Warum Kinder mit Typ-1-Diabetes öfter in der Klinik landen

Lebensbedrohliche Tumorlyse kann auch spontan auftreten

Update Pädiatrie