Medikamentöse Abruptio – was für Hausärzte zu beachten ist

In den meisten Bundesländern dürfen Hausärztinnen und Hausärzte den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch anbieten. Ein Überblick, was Sie dabei beachten müssen. Dürfen Hausärzte die medikamentöse Abruptio (mSAB) durchführen? Generell darf eine Ärztin oder ein Arzt Abruptiones vornehmen, so steht es in Paragraf 218a des Strafgesetzbuchs. Explizit von Gynäkologen oder Hausärzten ist hier nicht die Rede. Jedoch gibt es bundesweit unterschiedliche Regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen Hausärztinnen und Hausärzte den mSAB vornehmen dürfen. In Bayern und Niedersachsen dürfen nur Ärzte und Ärztinnen mit Anerkennung auf dem Gebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe Abbrüche vornehmen (Bayrisches Schwangerschaftshilfeergänzungsgesetz, Artikel 3, Absatz 1; Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen Paragraf 13c Absatz 1 Satz 1). Weiterhin darf nach Schwangerschaftskonfliktgesetz, Artikel 13, Absatz 1, die Abruptio nur in einer Einrichtung vorgenommen werden, in der die notwendige Nachbehandlung gewährleistet ist. Die Einrichtung muss zudem den notwendigen personellen und sachlichen Anforderungen, auch zur Beherrschung von Notsituationen, genügen, verpflichtet die Richtlinie zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Wann ist eine Abruptio für Ärzte straffrei? Ein Schwangerschaftsabbruch ist nicht strafbar, wenn die betroffene Frau den Vorgaben der sogenannten Beratungsregelung folgt (Beratungsregelung nach Paragraf 218a Absatz 1 StGB). Straflos bleibt der Abbruch auch, wenn eine medizinische oder kriminologische Indikation vorliegt. Für alle drei Fälle sind die Vorgaben zur straflosen Abruptio unterschiedlich. Da der Großteil der Abbrüche nach der Beratungsregelung erfolgt – im Jahr 2021 waren es 96 Prozent –, beschränken wir uns im Nachfolgenden auf diesen Fall. Wann ist die Abruptio nach der Beratungsregelung straffrei Die Schwangere muss der Ärztin oder dem Arzt eine Bescheinigung zur nach Paragraf 219 StGB notwendigen Schwangerschaftskonfliktberatung durch eine staatlich anerkannte Beratungsstelle vorlegen. Das Original muss für zehn Jahre in der Praxis aufbewahrt werden. Zwischen dem Ausstellen des Beratungsscheins und dem Eingriff müssen mindestens drei Tage liegen. Die Beratung darf zudem nicht durch dieselbe Person erfolgt sein, die die Abruptio durchführt. Abruptiones sind unter diesen Umständen bis zur 12. Woche nach Empfängnis, also bis zur 14. Schwangerschaftswoche (SSW), möglich (Paragraf 218a Absatz 1 StGB). Jedoch sind die Medikamente für den medikamentösen Abbruch in Deutschland nur bis zur 9. SSW zugelassen (Fachinformation Mifegyne® [Wirkstoff Mifepriston]). Müssen Ärzte das Schwangerschaftsalter bestimmen? Die Altersbestimmung des Fötus ist verpflichtend, da eine Schwangerschaft in Deutschland nur bis zur 14. SSW abgebrochen werden darf (Paragraf 218a Absatz 1 StGB). Zudem ist die Anwendung von Mifegyne® (Mifepriston) laut Arzneimittelinformation nur bis zum 49. Tag der Gravidität erlaubt. Bestimmt wird die Schwangerschaftswoche mit vaginaler oder abdominaler Sonografie. Vor der Untersuchung sollten die Frauen gefragt werden, ob sie das Sonografie-Bild sehen möchten, raten die Autorinnen und Autoren der S2k-Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“. Empfehlung der Redaktion Eine Frau schaut auf einen Schwangerschaftstest 26.01.2023 | Schwangerschaftsabbruch | Nachrichten | Online-Artikel DGGG stellt Leitlinie für Schwangerschaftsabbruch vor Für Abruptiones im ersten Trimenon gibt es nun die erste nationale Leitlinie. Weil die Studienlage dünn ist, fallen manche Empfehlungen nicht so aus, wie es sich manche Beteiligte gewünscht hätten. Muss RhD-negativen Frauen vor dem Abbruch Anti-D-Immunglobulin injiziert werden? Nach Mutterschaftsrichtlinie des G-BA sollte RhD-negativen Frauen mit fehlenden Anti-D-Antikörpern und unbekanntem fetalen Rhesusfaktor des Fetus oder bekanntem RhD-positiven Fetus so bald wie möglich nach der Abruptio (innerhalb von 72 Stunden nach Mifepriston-Einnahme) 1500 IE i.m. Anti-D-Immunglobulin injiziert werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät hingegen beim medikamentösen Abbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche (SSW) RhD-negativen Frauen von einer Rhesus-Prophylaxe ab, da es zu wenig Evidenz für den Nutzen gebe. Die Autorinnen und Autoren der S2k-Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“ sprechen sich lediglich bei Rhesus-negativen-Frauen nach der 9. SSW für die Prophylaxe aus. Welche Medikamente sind in Deutschland für die Abruptio zugelassen? In Deutschland sind Mifegyne® (600 mg Mifepriston bzw. 2x200 mg Mifepriston) und MisoOne® (400 μg Misoprostol) zugelassen. MisoOne® wird 36 bis 48 Stunden nach der oralen Einnahme von Mifegyne® oral eingenommen (Arzneimittelinformation Mifegyne® und MisoOne®). Die CHMP-Empfehlung für Mifepriston besagt, dass der Wirkstoff für die Indikation medikamentöse Beendigung einer intakten intrauterinen Schwangerschaft in sequenzieller Anwendung mit einem Prostaglandin-Analogon (Gemeprost oder Misoprostol) bis zum 49. Tag der Amenorrhoe wirksam ist, wenn es in der Dosis 200 mg bzw. 600 mg Mifepriston oral + 1 mg Gemeprost vaginal oder 600 mg Mifepriston oral + 400 μg Misoprostol oral eingenommen wird. Zwischen dem 50. und 63. Tag der Amenorrhoe sei es wirksam, wenn es in der Dosis 200 mg bzw. 600 mg Mifepriston oral + 1 mg Gemeprost vaginal eingenommen wird. Die Autorinnen und Autoren der S2k-Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“ sprechen sich für die Gabe von 200 mg Mifepriston und 800 μg Misoprostol vor der 600 mg/400 μg bzw. 800 μg Dosierung aus. Eine 200 mg Mifepriston-Verordnung ist in Deutschland nur off-label möglich und die Schwangeren müssen schriftlich über den Off-label-use aufgeklärt werden. Wie wirken Mifepriston und Misoprostol? Mifepriston blockiert reversibel die Rezeptoren des die Schwangerschaft erhaltenden Hormons Progesteron. Durch die artifizielle Gelbkörperinsuffizienz löst sich das Endometrium und der Dottersack ab. Zudem wird die Kontraktilität des Myometriums gefördert und das Myometrium für Prostaglandine sensibilisiert. Misoprostol ist ein Prostaglandin. Die Einnahme bewirkt die Kontraktion des Myometriums und die Entspannung des Muttermunds. Bekommen Schwangere Mifepriston und Misoprostol in der Apotheke? Nein, Mifepriston und Misoprostol sind nicht in der Apotheke, sondern nur auf dem Sondervertriebsweg erhältlich. Das heißt: Ärztinnen und Ärzte müssen die Arzneimittel direkt beim Hersteller Nordic Pharma beziehen. Praxen müssen vor der ersten Bestellung schriftlich bestätigen, dass sie Abruptiones durchführen dürfen. Drei Tabletten Mifegyne® à 200 mg Mifepriston kosten 100 Euro, eine Tablette à 600 mg Mifepriston 75 Euro und eine Tablette MisoOne® à 400 μg Misoprostol fünf Euro, teilte Nordic Pharma auf Nachfrage der Ärzte Zeitung mit (Stand: 6. Dezember 2022). Ärzte müssen anonymisiert dokumentieren, welche Patientin welche Tablette mit welcher Registrierungsnummer bekommen hat. Können Mifepriston und Misoprostol zu Hause eingenommen werden? Laut Zulassung soll die Einnahme von Mifepriston und Misoprostol unter Aufsicht einer Ärztin, eines Arztes oder medizinischem Personals erfolgen. Die Einnahme zu Hause erfolgt demnach off-label und die Schwangeren müssen schriftlich darüber aufgeklärt werden. Der Misoprostol-„Home-use“ werde von einem Großteil der Betroffenen bevorzugt und sei in verschiedenen europäischen Ländern der Standard, meinte die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) 2015 in ihrer 218. Stellungnahme zum Vorgehen beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch. Auch sei der „Home-use“ sicher, da schwere Komplikationen, wie sehr starke Blutungen, sehr selten auftreten würden. Wichtig sei es vor allem, den betroffenen Frauen die Wahl zum „Home-use“ zu lassen. Die Mifepriston-Gabe solle jedoch unter Aufsicht erfolgen. Auch in der S2k-Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“ wird empfohlen, dass die Schwangeren wählen können sollen, ob sie das Prostaglandin (Misoprostol) in der Klinik, Praxis oder zu Hause einnehmen. Welche weiteren Medikamente sollten bei der Abruptio bereitstehen? Zum Schmerzmanagement sind laut S2k-Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“ nicht-steroidale Antiphlogistika, Metamizol oral und in bestimmten Fällen Tramadol geeignet. Paracetamol solle wegen geringer Wirksamkeit nicht angewendet werden. Auch könnte nach dem WHO-Stufenschema der Schmerztherapie ein schwaches Opioid wie Tramadol zur Verfügung gestellt werden. Zudem solle aufgrund des häufigen Auftretens von Übelkeit und Erbrechen bei der Anwendung von Misoprostol ein Antiemetikum angeboten werden. Welche Infos sollten die Schwangeren noch bekommen? Generell sollten die Schwangeren über mögliche Komplikationen, untypische Symptome (dauerhaft verstärkte Blutungen, stärker werdende Bauchschmerzen, anhaltendes Fieber, Schmierblutungen über die nächste Menses hinweg) und typische Symptome (nachlassende Blutung, leichte Unterbauchschmerzen) des Abbruchs aufgeklärt sein. Zudem sollten sie eine Notfallnummer und Kontaktdaten von kooperierenden Kliniken mitbekommen, steht im Leitfaden „Der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch in der gynäkologischen Praxis“. Was beinhaltet die nach Abruptiones sicherzustellende Nachsorge? Es muss sichergestellt werden, dass der Abbruch erfolgreich war. Dabei sollen die Frauen selbst zwischen der sonografischen Kontrolle und der telemedizinischen Selbstkontrolle zwei Wochen nach Blutungsinduktion entscheiden können, schreiben die Autorinnen und Autoren der S2k-Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“. Bei der Selbstkontrolle soll der erfolgreiche Abbruch mit einem hCG-Schwangerschaftstest mit einer Sensitivität von 1.000 IU/l festgestellt werden. Zudem sollten Frauen mit entsprechenden Risikofaktoren oder erkennbaren psychischen Belastungen nach dem Abbruch über Betreuungs- und Beratungsangebote der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen informiert werden. Und: Den Frauen solle eine Verhütungsberatung und die Initiierung der Verhütung angeboten werden. Hormonelle Kontrazeptiva könnten am Tag der Gabe der Erst- oder Zweitmedikation gegeben werden, ein Intrauterinpessar könne eingesetzt werden, sobald die Abruptio bestätigt wurde. Was ist zu tun, wenn die Schwangerschaft nach Abruptio weiter besteht? Bei weiter bestehender Gravidität soll die Patientin über die Therapieoptionen Prostaglandingabe und Vakuumaspiration aufgeklärt und ihr dies zur Schwangerschaftsbeendigung angeboten werden, empfehlen die Autorinnen und Autoren der S2k-Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“. Was ist zu tun, wenn die Blutungen stärker oder länger anhalten? Es könne erneut Misoprostol eingenommen werden, steht in der S2k-Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“. Empfohlen wird die Vakuumaspiration als Notfallbehandlung bei starken nicht sistierenden Blutungen. Wird die Abruptio von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen? Die Kosten für die Durchführung des medikamentös ausgelösten Abbruchs bis zum 63. Tag nach Einsetzen der letzten Monatsblutung, einschließlich Überwachung und Betreuung während der Austreibungsphase, werden von den gesetzlichen Kassen nicht übernommen (G-BA-Richtlinie zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch). Dies gilt auch für die Erweiterung des Gebärmutterhalskanals, die Gabe von Medikamenten zur Behandlung von Nebenwirkungen der zur Auslösung des Abbruchs verabreichten Medikamente und für die sonografische Untersuchung oder Untersuchungen zur Überprüfung des Behandlungserfolgs. Übernommen wird die ärztliche Abruptio-Beratung, die Behandlung für die Dauer der Gravidität, die Feststellung des Schwangerschaftsalters durch Ultraschall-Untersuchung, die Bestimmung von Blutgruppe und Rhesusfaktor, Rhesus-Desensibilisierung durch Injektion von Anti-D-Immunglobulin (Anti-D-Prophylaxe) bei Rhesus-negativen Frauen, die Versorgung, um Komplikationen des Abbruchs zu behandeln, die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die Untersuchung auf genitale Infektionen mit Chlamydia trachomatis. Müssen Ärzte Abbrüche melden? Das Schwangerschaftskonfliktgesetz schreibt vor, dass Abruptiones dem Statistischen Bundesamt vierteljährlich zum jeweiligen Quartalsende mitzuteilen sind. Auskunftspflichtig sind die Inhaberinnen und Inhaber der Praxen und die Leiterinnen und Leiter der Krankenhäuser, in denen Abbrüche vorgenommen werden oder vorgenommen werden sollen, so das Statistische Bundesamt auf seiner Website. Haftet die Berufshaftpflichtversicherung, wenn die Patientin bei der Abruptio geschädigt wird? Die Anwendung von Misoprostol und Mifepriston erfolgt auch off-label. Dafür bestehe bei den meisten Versicherungen Deckungsschutz, wenn die Off-label-Anwendung in der Heilkunde anerkannt sei, schreiben die Autorinnen des Leitfadens „Der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch in der gynäkologischen Praxis“. Dennoch empfehlen sie Ärzten, vor Durchführung der ersten Abruptio die Konditionen mit der Berufshaftpflichtversicherung individuell abzuklären. Einige Versicherungen bestünden zum Beispiel auf den Gebrauch von bestimmtem Aufklärungsmaterial. Quelle: Ärzte Zeitung

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