Erste Leitlinie zu sehr seltenem Morbus Still

Anhand spärlicher Evidenz zum sehr seltenen Morbus Still hat ein DGRh-Team eine S2e-Leitlinie zusammengestellt. Sie richtet sich insbesondere an Ärztinnen und Ärzte aus der Rheumatologie und der Allgemeinmedizin. Das adulte Still-Syndrom (AOSD) zählt zu den Orphan Diseases. Von der entzündlichen Erkrankung sind in Industrieländern 7 bis 68 von einer Million Menschen betroffen, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) in einer Mitteilung. Zu den Ursachen gehören Autoimmunprozesse und ein fehlreguliertes Immunsystem. Für Hinweise auf die optimale Behandlung bei dem sehr seltenen Krankheitsbild AOSD (synonym Morbus Still) gibt es bisher nur kleine Untersuchungen und Erfahrungsberichte. Trotzdem hat die DGRh kürzlich eine evidenz- und konsensbasierte S2e-Leitlinie zu Diagnose und Therapie zusammen gestellt (Z Rheumatol. 2022; online 11. November). Häufig: Fieber, Ausschlag und Gelenkschmerzen Die Symptome des AOSD sind vielgestaltig, berichtet die DGRh. Manche Betroffene machten nur eine einzelne Episode der Erkrankung durch, andere litten an akuten, rezidivierenden oder sogar chronischen Beschwerden. Diese können sehr unterschiedlich sein: „Am häufigsten macht sich das AOSD durch wiederkehrendes Fieber, Hautausschlag sowie Gelenkschmerzen und -entzündungen bemerkbar, die hauptsächlich die Knie-, Sprung- und Handgelenke betreffen“, berichtet Professor Stefan Vordenbäumen aus Meerbusch in der Mitteilung. Der Rheumatologe ist Erstautor der Leitlinie und war federführend an der Auswertung der Studienergebnisse beteiligt. „Die Erkrankung verursacht großen Leidensdruck bei den Betroffenen, und es können in seltenen Fällen lebensbedrohliche Komplikationen auftreten“, so der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Rheumatologie des Rheinischen Rheuma-Zentrums am St. Elisabeth-Hospital Meerbusch-Lank. Typisch sind erhöhte Entzündungswerte Die für die Leitlinie ausgewerteten AOSD-Studien geben unterschiedliche Häufigkeiten für die einzelnen Symptome an. „In der Gesamtschau ergibt sich jedoch eine oft charakteristische Kombination aus den führenden Symptomen wie etwa Fieber und ein bestimmter Hautausschlag, die den Weg zur Diagnose weisen“, so Vordenbäumen weiter. „Typischerweise sind außerdem Entzündungswerte – insbesondere das C-reaktive-Protein – und Ferritinwerte im Blut stark erhöht“, so der Rheumatologe. Da weder die Laborwerte allein noch die Beschwerden für eine sichere Diagnose ausreichten, müssten andere rheumatische Erkrankungen, Infektionen und Tumorerkrankungen immer ausgeschlossen werden. Steroid-Therapie bei akuter AOSD „Es existieren zudem keine Studien dazu, wann und in welcher Reihenfolge entzündungshemmende oder immunsuppressive Medikamente gegeben werden sollten“, berichtet Professor Jürgen Braun vom DGRh-Vorstand in der Mitteilung. Kohortenstudien, Fallserien und retrospektiven Analysen deuteten darauf hin, dass sich das akute AOSD zunächst mit Glukokortikoiden ausreichend kontrollieren lässt, so der Koordinator der Leitlinie. Um Nebenwirkungen zu vermeiden, sollte die Dosis jedoch bald reduziert und Betroffene stattdessen (oder zusätzlich) mit anderen Medikamenten wie Methotrexat und Ciclosporin A weiterbehandelt werden. In der Leitlinie sind die Therapieoptionen in einem Ablaufschema dargestellt. Die Krankheitsaktivität kann dabei anhand klinischer Zeichen und Laborwerte grob abgeschätzt werden. Auch darauf geht die Leitlinie detailliert ein. Diagnostik und Therapie sind interdisziplinäre Aufgabe Zunehmend wichtig sind vor allem auch Biologika, die gegen Interleukin 1 gerichtet sind. Auch IL6-Rezeptor-Antikörper kommen zum Einsatz. Solche gezielten Antikörpertherapien werden bei schweren Fällen unmittelbar oder nach Versagen anderer Therapiemöglichkeiten verordnet, erläutert Braun. Da diese zum Teil auch schon primär erfolgreich eingesetzt werden, ist zu hoffen, dass es bald auch ausreichende Evidenz für diesen Ansatz geben wird. Diagnostik und Therapie bei AOSD sei grundsätzlich eine interdisziplinäre Aufgabe, heißt es in der Mitteilung. Betroffene werden dabei individualisiert und zielgerichtet von Ärztinnen und Ärzten aus der Rheumatologie und der Allgemeinmedizin betreut. Eine frühe Überweisung in die Rheumatologie sei entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf. „Sinnvoll sind zudem flankierende Maßnahmen wie eine ergänzende Schmerztherapie, physikalisch-therapeutische und rehabilitative Maßnahmen sowie die Anbindung an Selbsthilfegruppen“, so die beiden Rheumatologen. Dort werden etwa Kurse zum Selbstmanagement angeboten. Quelle: Ärzte Zeitung

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