Von A bis Z: Neue Arzneien bei Seltenen Erkrankungen

Derzeit sind 134 Orphan-Arzneien für die Behandlung Seltener Erkrankungen in der EU verfügbar. Auch im vergangenen Jahr wurden neue eingeführt. Im folgenden Beitrag sind einige der neuen Orphan Drugs und deren Indikationen aufgeführt. Für das vergangene Jahr 2021 listet der vfa (Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.) 46 in Deutschland neu eingeführte Medikamente mit innovativem Wirkstoff. Viele davon sind Orphan Drugs. Wir präsentieren Beispiele dieser Arzneien für Patienten mit Seltenen Erkrankungen: Atidarsagen Autotemcel (Libmeldy®) ist indiziert bei Metachromatischer Leukodystrophie, eine neurodegenerative Erkrankung. In ex vivo modifizierte Stammzellen wird ein lentiviraler Vektor eingefügt, der das Enzym Arylsulfatase A (ARSA) exprimiert. Fedratinib (Inrebic®), ein oraler Kinase-Inhibitor, wird zur Therapie der krankheitsbedingten Splenomegalie oder Symptome bei Erwachsenen mit primärer Myelofibrose, Post-Polycythaemia Vera-Myelofibrose oder Post-Essentieller Thrombozythämie-Myelofibrose eingesetzt. Bei Betroffenen ist die normale Bildung von Blutzellen gestört. Das Knochenmark wird nach und nach durch fibröses Gewebe ersetzt. Symptome sind unter anderem Anämie, Schwäche, Fatigue sowie Spleno- und Hepatomegalie. Lumasiran (Oxlumo®) hilft bei Primärer Hyperoxalurie Typ 1 (PH1). Die Erkrankung ist geprägt durch Überproduktion von Oxalat und Ablagerung von Kalziumoxalat-Kristallen in Geweben. Unbehandelt schädigt PH1 die Nieren; es kann Dialyse nötig werden. Das subkutan injizierte RNAi-Therapeutikum hemmt die Expression des Hydroxysäure-Oxidase 1 (HAO1)-Gens. HAO1 kodiert für Glykolat-Oxidase (GO), einem Enzym, das dem krankheitsverursachenden Defekt der PH1 vorgeschaltet ist. Durch den Abbau der HAO1-mRNA wird die GO-Synthese reduziert, die Produktion von Oxalat verringert. Odevixibat (Bylvay®) ist ein reversibler Hemmer des ilealen Gallensäuretransporters, der die Wiederaufnahme von Gallensäure reduziert: Von der Therapie (Hartkapseln) profitieren Menschen mit progressiver familiärer intrahepatischer Cholestase. Typische Symptome sind starker Pruritus, Ikterus, schlechte Gewichtszunahme und verlangsamtes Wachstum. Bei betroffenen Kindern kann es schon innerhalb der ersten zehn Lebensjahre zu Zirrhose und Leberversagen kommen. Pemigatinib (Pemazyre®) wird bei intrahepatischen Gallengangskarzinomen angewandt. Die Betroffenen müssen ein metastasiertes oder fortgeschrittenes Cholangiokarzinom mit einer FGFR2-Fusion oder -Umordnung haben. Der in den Tabletten enthaltene Wirkstoff hemmt die FGFR (Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor)-Kinasen 1–3. Risdiplam (Evrysdi®) ist eine orale Therapie bei 5q-spinaler Muskelatrophie. Der Wirkstoff ist ein Spleißmodifikator des Survival of Motor Neuron 2 (SMN2)-Gens. Durch die Therapie steht mehr funktionsfähiges SMN-Protein zur Verfügung. Fehlt dieses Protein, sterben Motoneuronen sehr früh in der Entwicklung ab. Selumetinib (Koselugo®) ist indiziert zur Therapie von symptomatischen, inoperablen plexiformen Neurofibromen bei Kindern mit Neurofibromatose Typ 1 (NF1) im Alter ab drei Jahren. Folge der spontanen oder vererbten Mutation im NF1-Gen sind knöcherne Läsionen, Hypertonie, Lernschwächen, kutane Neurofibrome und Café au lait-Flecken. Tumoren an den Nervenscheiden können Entstellung, motorische Dysfunktion, Schmerzen, Atemwegsfunktionsstörungen, Sehbehinderungen und Blasen- oder Darmfunktionsstörungen verursachen. Der oral applizierte Wirkstoff Selumetinib, ein selektiver Inhibitor der Proteinkinasen MEK 1 und 2, blockiert Proliferation und das Überleben von Tumorzellen. Vosoritid (Voxzogo®) ist indiziert bei Kindern mit Achondroplasie ab dem zweiten Lebensjahr, bei denen die Epiphysen noch nicht geschlossen sind. Ursache der Achondroplasie ist eine Mutation im (FGFR3)Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor-3-Gen. Der zugehörige Signalweg ist dadurch überaktiviert, was zu einer Hemmung des Wachstums an der Wachstumsfuge führt. Der natürliche Gegenspieler zu FGFR3 ist das C-Typ-natriuretische Peptid (CNP). Hier setzt das subkutan verabreichte rekombinante, modifizierte CNP-Analogon Vosoritid an. Zanubrutinib (Brukinsa®) ist zugelassen zur Therapie bei M. Waldenström, ein im Allgemeinen indolentes und relativ seltenes B-Zell Lymphom, das durch eine Infiltration des Knochenmarks mit monoklonalen, IgM sezernierenden Lymphoplasmazellen gekennzeichnet ist. Der oral eingenommene Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor Zanubrutinib hemmt die Proliferation bösartiger B-Zellen. Orphan Drugs 134 Orphan-Arzneien sind derzeit in der EU verfügbar. 66 weitere Medikamente besitzen den Orphan-Status nicht mehr, weil er verordnungsgemäß nach zehn Jahren abgelaufen ist oder zurückgegeben wurde. Fast alle dieser Medikamente sind noch im Markt. Quelle: vfa (Stand 02/2022) Weitere Inos: vfa.de/orphans Quelle: Ärzte Zeitung

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