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Erschienen in: Monatsschrift Kinderheilkunde 4/2023

Open Access 28.09.2020 | Sepsis | Übersichten

Antibiotische Therapie bei kritisch kranken Kindern – Ist weniger mehr?

Ein narratives Review aktueller Studien und Bezugnahme auf die aktuelle Leitlinie der Surviving Sepsis Campaign

verfasst von: N. Bruns, Prof. Dr. C. Dohna-Schwake

Erschienen in: Monatsschrift Kinderheilkunde | Ausgabe 4/2023

Zusammenfassung

Die antibiotische Therapie stellt eine wichtige und in vielen Fällen unverzichtbare Maßnahme zum Erreichen einer Restitutio ad integrum bei bakteriellen Infektionen dar. Hierdurch können auch schwere Infektionen bei immungeschwächten Patienten geheilt werden. Wir wissen heute aber auch, dass insbesondere kritisch kranke Kinder häufig inadäquat antibiotisch behandelt werden – mit ebenfalls potenziell schädlichen Nebenwirkungen. In diesem Spannungsfeld aus kritisch krankem Kind, der Angst, etwas zu verpassen, und potenzieller Übertherapie ist es oft nicht einfach, eine rationale Therapieentscheidung zu fällen. Im vorliegenden Review werden aktuelle Studien zu wichtigen Aspekten der antibiotischen Therapie bei kritisch kranken Kindern beleuchtet und im Hinblick auf klinische Umsetzbarkeit interpretiert. Folgende Teilaspekte werden besprochen: 1) Zeitpunkt der antibiotischen Therapie und Möglichkeiten eines abwartenden Verhaltens, 2) die Auswahl der Antibiotika in der empirischen Therapie, 3) Deeskalationsstrategien und 4) die Dauer der antibiotischen Therapie. Antibiotic-Stewardship-Programme, unter Einbeziehung von pädiatrischen Infektiologen, klinischen Pharmazeuten und Mikrobiologen, spielen bei den häufig schwierigen klinischen Entscheidungen eine entscheidende Rolle.
Hinweise

Redaktion

B. Koletzko, München
T. Lücke, Bochum
E. Mayatepek, Düsseldorf
N. Wagner, Aachen
S. Wirth, Wuppertal
F. Zepp, Mainz

Hinleitung

Durch den Einsatz von Antibiotika können schwere Infektionen geheilt und damit Leben gerettet werden – dennoch sollten sie nur verabreicht werden, wenn von ihrem Einsatz tatsächlich ein Nutzen zu erwarten ist. Die Entscheidung für oder gegen eine antibiotische Therapie bzw. zu ihrer Beendigung ist im klinischen Alltag allgegenwärtig. Insbesondere bei kritisch kranken Kindern wird sie jedoch nicht ausschließlich nach rationalen Gesichtspunkten getroffen.

Hintergrund

Die Weiterentwicklung der Medizin hat in den Industrieländern zu einer Zunahme von chronisch kranken Kindern und Jugendlichen geführt, die anfällig für Infektionen sind. Beispielhaft seien die Absenkung der Grenze der Überlebensfähigkeit bei extremer Frühgeburtlichkeit, die Durchführung von Organ- und Knochenmarktransplantationen sowie die deutlich verbesserte Prognose von Patienten mit zystischer Fibrose genannt. Dies führt zu einer Zunahme infektiologischer Fälle auf pädiatrischen Intensivstationen: Eine retrospektive Studie aller Kinderintensivstationen Australiens und Neuseelands zeigte eine zunehmende Prävalenz invasiver Infektionen bei Aufnahme auf die Intensivstation, bei sinkender Mortalität [36].
Die Entscheidung für eine antibiotische Therapie wird auf der Grundlage einer lokalen oder systemischen Inflammation (Fieber, Tachykardie, Tachypnoe) in Kombination mit laborchemischen Biomarkern (Leukozytenzahlen, C‑reaktivem Protein [CRP] oder Prokalzitonin [PCT]) getroffen. Bei immunsupprimierten oder chronisch kranken Kindern und Jugendlichen können die klinischen Symptome subtiler und die laborchemische Entzündungsreaktion weniger ausgeprägt sein oder fehlen. Zudem können mit einer bakteriellen Infektion vereinbare Symptome und laborchemische Veränderungen anderweitig verursacht sein: virale Infektionen, autoimmunologische Prozesse, Grunderkrankungen wie Leukämie oder andere Erkrankungen wie Subileus oder Pankreatitis führen zu systemischer Inflammation und können eine bakterielle Infektion imitieren. Bei diesen Patienten wird die Indikation für eine antibiotische Therapie großzügig gestellt, da die Folgen einer unbehandelten schweren bakteriellen Infektion im Sinne einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks gefürchtet sind.
In pädiatrischen Risikopopulationen ist die Rate von Antibiotikatherapien hoch, wie verschiedene Punktprävalenzerhebungen zeigen: Eine europäische Studie (ARPEC: Antibiotic Resistance and Prescribing in European Children) stellte eine konstant hohe Zahl von antibiotischen Therapien, inklusive Breitspektrumantibiotika, in der stationären Kinderheilkunde auf 4 verschiedenen Kontinenten fest: 37 % aller stationär aufgenommen Patienten erhielten eine antimikrobielle Therapie [48]. In spezialisierten Bereichen wie der pädiatrischen Intensivmedizin liegt die Prävalenz antibiotischer Therapien bei bis zu 79 %, davon sind bis zu 62 % inadäquat [4]. Auch bezüglich der perioperativen Prophylaxe entspricht die Verabreichung von Antibiotika häufig nicht den Leitlinien [16]. Die Initiierung einer antibiotischen Therapie ist dabei nicht immer nur an klinischen Parametern orientiert, sondern durch die Erwartungshaltung an den Behandler bzw. die Angst oder Sorge des Behandlers mitbeeinflusst. Exemplarisch sei hier ein Zitat aus einer qualitativen Untersuchung zu Einflussfaktoren antibiotischer Therapie bei Ärzten anhand qualitativer Fragebogen erwähnt: „When it is 3:00 in the morning, depending on how busy you are, the easiest solution is to throw vancomycin and piperacillin-tazobactam at every patient because you do not have time to read the confusing guidelines that tell you 16 different things you would potentially do“ (Resident interview; [24]).
Die möglichen negativen Folgen einer antibiotischen Therapie sind vielfältig: Nephro- und Ototoxizität von Aminoglykosiden, allergische Reaktionen v. a. bei β‑Lactam-Antibiotika, gastrointestinale Nebenwirkungen und pseudomembranöse Kolitis sowie schwerwiegende Folgen wie das Syndrom des „drug rash with eosinophilia and systemic symptoms“ (DRESS) z. B. bei Vancomycin. Die kurz-, mittel- und langfristigen – zumeist negativen – Folgen einer Veränderung des Mikrobioms sind noch nicht endgültig geklärt [23, 39, 46]. Eindeutig ist der Zusammenhang zwischen zunehmendem Antibiotikaverbrauch und der Entwicklung von multiresistenten Erregern [18]. Dies gilt sowohl für den individuellen Patienten, dessen Risiko für Infektionen mit multiresistenten Bakterien bei vorheriger Antibiotikaexposition signifikant steigt, als auch für ganze Patientenpopulationen [35]. Bei Erwachsenen mit gramnegativer schwerer Sepsis zeigte sich in einer retrospektiven Studie eine signifikant höhere Sterblichkeit sowie ein signifikant höherer Anteil an resistenten und multiresistenten Erregern, wenn sie in den letzten 90 Tagen vor Beginn der Sepsis Antibiotika erhalten hatten [19]. Infektionen mit multiresistenten Bakterien scheinen das Sterberisiko zu erhöhen, allerdings wird dies nicht konsistent in allen Studien berichtet [11, 29]. Durch die zunehmende Resistenzentwicklung ist eine rationale, zielgerichtete antibiotische Therapie in den Fokus gerückt. Antibiotic-Stewardship(ABS)-Programme sind in zahlreichen Kliniken etabliert worden. Diese Programme senken den Verbrauch von Antibiotika, ohne das Outcome zu verschlechtern [9, 21, 25].
Die Übertragbarkeit von klinischen Studien im Erwachsenenalter ist limitiert. Dennoch werden einige wegweisende Arbeiten zitiert und wichtige Aspekte der 2020 erschienenen Neufassung der Leitlinien der Surviving Sepsis Campaign berücksichtigt. Wichtige Definitionen infektiologischer Begriffe, die im Rahmen der Internationalen pädiatrischen Sepsiskonsensuskonferenz [14] und der Surviving Sepsis Campaign [51] festgelegt wurden, sind Tab. 1 zu entnehmen.
Tab. 1
Definition wichtiger infektiologischer Begriffe gemäß der Internationalen pädiatrischen Sepsiskonsensuskonferenz von 2005 [14] und der Guideline Surviving Sepsis Campaign von 2020 [50]
Begriff
Definition
„Systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS)
2 oder mehr Kriterien (davon mindestens eins Körpertemperatur oder Leukozytenzahl):
Körperkerntemperatur >38,5 °C oder <36 °C
Tachykardie (Herzfrequenz >2 Standardabweichungen über der Altersnorm ohne äußere Stimuli oder Medikamente ODER eine dauerhafte Erhöhung der Herzfrequenz für mehr als 30 min ohne Erklärung)
Bradykardie (bei Säuglingen <1 Jahr: Herzfrequenz unterhalb der 10. Perzentile ohne Vagusreiz, β‑Blocker oder angeborene Herzfehler)
Tachypnoe (Atemfrequenz mehr als 2 Standardabweichungen über der Altersnorm oder akut notwendige maschinelle Beatmung)
Leukozytenzahl über die Altersnorm erhöht oder erniedrigt (nicht als Folge von Chemotherapie) bzw. mehr als 10 % Stabkernige
Infektion
Vermutete oder bestätigte Infektion ODER eine klinische Symptomkonstellation mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für eine Infektion
Sepsisa
SIRS in Kombination mit oder als Folge einer vermuteten oder nachgewiesenen Infektion
Schwere Sepsisa
Sepsis plus kardiovaskuläre Organdysfunktion ODER akute respiratorische Organdysfunktion ODER akutes respiratorisches Dysstress-Syndrom ODER mindestens 2 andere Organdysfunktionen
Septischer Schock
Schwere Infektion mit kardiovaskulärer Organdysfunktion (Hypotension trotz Gabe von mindesten 40 ml/kg Infusion, notwendige Gabe von Vasopressiva, beeinträchtigte Perfusion diagnostiziert anhand von Laktat, base excess, Kapillarfüllungszeit, Oligurie, rektal-axilläre Temperatur-Differenz)b
Sepsisassoziierte Organdysfunktion
Schwere Infektion, die zu kardiovaskulärer oder nichtkardiovaskulärer Organdysfunktion führtb
aFür Erwachsene wurden 2016 neue Definitionen und Kriterien für die Begriffe „Sepsis“ und „septischer Schock“ publiziert (Sepsis-3). Der Begriff „schwere Sepsis“ wurde gestrichen und durch eine neue Definition von Sepsis ersetzt [41]. Für die Pädiatrie wurde diese neue Terminologie bisher nicht übernommen
bFür die Guideline der Surviving Sepsis Campaign wurde bewusst keine spezifische Definition für Organdysfunktion gewählt, da es in der Literatur unterschiedliche Definitionen für die sepsisassoziierte Organdysfunktion gibt. Auch die Definition des septischen Schocks wurde allgemein gehalten [50]

Zeitpunkt der antibiotischen Therapie

Indikation zur sofortigen Therapie

Unstrittig ist der unverzügliche Beginn einer antibiotischen Therapie bei kreislaufinstabilen Patienten. Grundlage hierfür ist eine retrospektive Studie, die bei erwachsenen Patienten mit septischem Schock eine Verdoppelung der Mortalität bis zur Krankenhausentlassung zeigte, wenn die antibiotische Therapie nicht innerhalb der ersten halben Stunde begonnen wurde. Jede weitere Verzögerung um eine Stunde war im Durchschnitt mit einer Zunahme der Mortalität um 7 % vergesellschaftet [22]. In einer aktuellen Studie erwachsener Patienten mit septischem Schock konnte dieser lineare Zusammenhang nicht nachvollzogen werden, und die Unterschiede zwischen früh und verspätet verabreichter antibiotischer Therapie waren weniger ausgeprägt: Die Krankenhaussterblichkeit betrug 16 % bei Antibiotikagabe innerhalb der ersten Stunde in der Notaufnahme und war gering, aber signifikant erhöht bei Verabreichung nach 1–2 h auf 20 % und auf 22 % nach mehr als 3 h [20]. In einer retrospektiven Analyse von Kindern mit Bakteriämie in einer britischen Notaufnahme betrug die durchschnittliche Zeit bis zur Verabreichung von Antibiotika 184 min nach erster Vorstellung. Dabei war das klinische Bild bei Healthcare-assoziierten Bakteriämien offensichtlich weniger suggestiv für eine invasive Infektion als bei ambulant erworbenen Bakteriämien durch Pneumokokken, Haemophilus influenzae oder Meningokokken: Bei diesen Patienten dauerte es 1 h länger bis zur Gabe der Antibiotika [17]. Als ursächlich ist hier am ehesten die hohe Virulenz der 3 Letztgenannten zu sehen, die zu einem schwereren Krankheitsbild führt. Mit 140 min etwas kürzer war die Zeit auf einer pädiatrischen Intensivstation vom Erkennen einer schweren Sepsis oder septischem Schock bis zur Gabe eines Antibiotikums. Die kritische Schwelle mit einer signifikant erhöhten Sterblichkeit lag in diesem Studienkollektiv bei 3 h („odds ratio“ [OR] nach Adjustierung für die Schwere der Erkrankung 4,8 (95 %-Konfidenzintervall (95 %-KI) 1,5–16,2)) [50]. Eine besonders anfällige Patientengruppe für bakterielle Infektionen sind Kinder in Neutropenie nach Chemotherapie. Salstrom et al. konnten durch systematische Schulungen die mittlere Zeit bis zur Antibiotikagabe bei Kindern mit Fieber in der Neutropenie auf unter 60 min senken – die Verkürzung der Zeit war mit einer signifikant reduzierten Aufnahmerate auf der Intensivstation assoziiert [32]. Die in dieser Studie identifizierten Hürden für eine frühzeitige Administration waren 1) Wartezeit auf das Blutbild, 2) Transferzeit aus der Aufnahme bis zum Infusionszimmer und 3) Warten auf die Anordnung der Antibiotika durch den Arzt.
Die Wichtigkeit einer schnellen Antibiotikagabe bestätigt sich also auch für pädiatrische Patienten mit febriler Neutropenie und Kinder mit septischem Schock oder Organversagen. Aber kann unter bestimmten Umständen ein abwartendes Verhalten sinnvoll sein?

Möglichkeiten eines abwartenden Verhaltens

Eine viel beachtete monozentrische Studie auf einer chirurgischen Erwachsenenintensivstation leistete einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über den idealen Zeitpunkt des Therapiebeginns: In einem quasiexperimentellen Ansatz mit Vorher-nachher-Design wurden Daten aus 2 verschiedenen Perioden ausgewertet, in denen jeweils ein unterschiedliches Vorgehen gewählt wurde. Im ersten Zeitraum wurden Patienten auf der Intensivstation mit Verdacht auf eine Infektion sofort und aggressiv antibiotisch behandelt; im zweiten Zeitraum wurden zunächst Kulturen abgenommen und erst bei gesicherter Infektion wurde antibiotisch behandelt. Im zweiten Zeitraum war sowohl die Dauer der antibiotischen Therapie (17,7 vs. 12,5 Tage) als auch die adjustierte Mortalität signifikant reduziert (OR 2,5 für Versterben bei aggressiver antibiotischer Therapie (95 %-KI 1,4–4,0)) [15]. Als Grund wurde die häufiger von Beginn an adäquate antimikrobielle Therapie sowie deren kürzere Dauer angesehen. Da diese Studie prospektiv, aber nicht randomisiert kontrolliert durchgeführt wurde und zunächst der aggressive Arm gewählt wurde, muss auch ein Lerneffekt im Erkennen von schweren Infektionen durch das behandelnde Team diskutiert werden. Bei kritisch kranken Patienten mit Verdacht auf eine Sepsis ist ein abwartendes Verhalten nach aktueller Datenlage dennoch kein empfohlenes Vorgehen.
Eine in JAMA Pediatrics publizierte retrospektive Kohortenstudie bei über 10.000 Frühgeborenen <1500 g zeigt ebenfalls eine Assoziation zwischen schlechtem Outcome und nichtindizierter antibiotischer Therapie: Antibiotische Therapie ohne Vorliegen einer nekrotisierenden Enterokolitis oder kulturell nachgewiesener Sepsis war mit erhöhter Sterblichkeit verbunden [44]. Möglicherweise führte jedoch die Gabe von Antibiotika ohne bewiesene Infektion nicht per se zu einem schlechteren Outcome, sondern fungierte als Surrogatparameter für mit der Frühgeburtlichkeit assoziierte Komplikationen. Eine effektive Strategie, um die empirische Antibiotikagabe bei Neugeborenen zu reduzieren und somit unnötige Therapien zu vermeiden, ist die Nutzung eines Onlinerechners, der die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Infektion berechnet und eine Handlungsempfehlung gibt [31]: Eine Metaanalyse über den Effekt des Neonatal Early-Onset Sepsis Calculator (EOS-Calculator) auf die Häufigkeit von Antibiotikagaben zeigte eine Reduktion des relativen Risikos für eine antibiotische Therapie zwischen 3 und 60 % [1]. Der Anteil fälschlich nichtidentifizierter Infektionen betrug bei konventionellem Vorgehen 29 % und bei Nutzung des EOS-Calculators 28 % [1]. Hier wurde zwar kein abwartendes Verhalten untersucht, dennoch zeigen die Ergebnisse, dass es Potenzial zur Reduktion von Antibiotikatherapien auch im Bereich der neonatologischen Intensivmedizin gibt.
Unklar ist, ob bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion auch bei kritisch kranken Kindern unter bestimmten Umständen abgewartet werden kann. Der Ansatz wird unterstützt durch retrospektive Studien zu Bakteriämien im Kindesalter, in denen die inadäquate empirische antibiotische Therapie kein direkt nachweisbarer Risikofaktor für schlechtes Outcome war [3, 45, 51]. Diese Strategie – „watchful waiting“ genannt – kann aus klinischer Erfahrung erleichtert werden, wenn rund um die Uhr Kulturen gewonnen und angelegt sowie zeitnah abgelesen werden können, um positive Befunde schnellstmöglich auszugeben. Die Surviving Sepsis Campaign hat 2020 in einem Update zur Therapie der sepsisassoziierten Organdysfunktion und zum septischen Schock die zeitlichen Vorgaben der antibiotischen Therapie präzisiert: Im septischen Schock wird die Gabe innerhalb der ersten Stunde gefordert, bei der sepsisassoziierten Organdysfunktion wurde ein Zeitfenster von 3 h gewährt, um diagnostische Maßnahmen mit anschließend zielgerichteter Therapie zu ermöglichen.

Auswahl der Antibiotika in der empirischen Therapie

Die richtige Auswahl der kalkulierten empirischen Therapie einer bakteriellen Infektion wird durch die Zunahme an Infektionen mit multiresistenten Erregern erschwert. Eine Möglichkeit, diesem Problem v. a. bei nosokomialen Infektionen zu begegnen, ist die Wahl einer Kombinationstherapie, d. h. in der Regel ein β‑Lactam mit breitem Spektrum (Penicillin/β-Lactamase-Inhibitor-Kombinationen, 3. und 4. Generation Cephalosporine oder Carbapeneme) in Kombination mit einem Aminoglykosid oder mit einem Glykopeptid.
Bei erwachsenen Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock wurde beim randomisierten kontrollierten Vergleich einer Monotherapie mit Meropenem mit einer Kombinationstherapie aus Meropenem und Moxifloxacin kein signifikanter Unterschied im primären Zielkriterium Organdysfunktion gesehen. Allerdings hatte diese Studie nicht die Erweiterung des Wirkspektrums, sondern eine Erhöhung der Bakterizidie zum Ziel [6]. Die Hinzunahme von Vancomycin oder Aminoglykosiden zielt hingegen eher auf eine Erweiterung des Wirkspektrums entweder im grampositiven (Vancomycin) oder im gramnegativen (Aminoglykoside) Bereich.
Cephalosporine der 3. Generation in Verbindung mit Gentamicin als kurze Add-on-Therapie bei Sepsis (im Median 2 Tage), verglichen mit einer Cephalosporinmonotherapie, zeigten in einer prospektiven Studie bei Erwachsenen in den Niederlanden ein signifikant erhöhtes adjustiertes Risiko für Nierenversagen, bei nicht signifikant unterschiedlicher Schockdauer und 14-Tage-Mortalität. Die empirische Therapie war in beiden Armen nur in einem sehr geringen Prozentsatz (4 %) inadäquat, sodass die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf Bereiche oder Länder mit höheren Inzidenzen an multiresistenten Erregern übertragbar sind [28].
In der pädiatrischen Literatur zeigen sich inkonsistente Ergebnisse. In einer retrospektiven Studie zur Inzidenz einer akuten Nierenschädigung bei einer Kombinationstherapie aus einem Pseudomonas-wirksamem β‑Lactam-Antibiotikum und Vancomycin hatte die Kombination mit Piperacillin/Tazobactam ein signifikant erhöhtes Risiko [10]. Die Effektivität (Reduktion von Mortalität oder Dauer des Aufenthalts im Krankenhaus) wurde hier nicht untersucht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine weitere retrospektive Studie aus den USA. Die Kombinationstherapie aus β‑Lactam-Antibiotikum und Aminoglykosid hatte eine OR von 2,2 (95 %-KI 2,1–2,2) für akute Nephrotoxizität bei gleicher 30-Tage-Mortalität im Vergleich zur alleinigen Therapie mit β‑Lactamen [43]. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte auch für schwer kranke Kinder („pediatric risk of mortality score III“ ≥15) oder Patienten in Neutropenie keinen Vorteil in Bezug auf die 10-Tages-Mortalität erkennen. Ein signifikanter Überlebensvorteil wurde jedoch bei Patienten mit multiresistenter gramnegativer Bakteriämie gesehen [40].
Die Herausforderung hierbei ist, schon bei der empirischen Therapie Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine Infektion mit multiresistenten Erregern zu identifizieren, ohne den übrigen Patienten Antibiotika mit einem ungünstigen Nebenwirkungsprofil zu verabreichen. Eine theoretische Möglichkeit hierfür sind Kolonisationsscreenings, die teilweise bereits in der Praxis implementiert worden sind. Die Vorhersagbarkeit von gramnegativen Bakteriämien durch Screening auf Besiedelung im Gastrointestinaltrakt schwankt je nach Prävalenz multiresistenter Erreger erheblich. Bisher wurde noch kein Überlebensvorteil durch Screeningmaßnahmen nachgewiesen. Eine 2018 erschienene Metaanalyse zum prädiktiven Wert von Screeninguntersuchungen in der Neonatologie zeigte einen Zusammenhang zwischen Besiedelung mit gramnegativen Bakterien und Blutstrominfektionen. Allerdings war die Qualität der untersuchten Daten nicht ausreichend, und die Ergebnisse waren nicht eindeutig genug, um ein generelles Screening zu empfehlen [12]. Multiresistente Erreger werden meist nur aus Gründen der Krankenhaushygiene nachgewiesen. Eine allgemeine Empfehlung, diese Befunde in die kalkulierte Therapie einzubeziehen, kann aktuell nicht gegeben werden und bleibt eine Einzelfallentscheidung.
Die bereits zitierte Surviving-Sepsis-Campaign-Leitlinie gibt bei sepsisassoziierter Organdysfunktion oder septischem Schock eine schwache Empfehlung gegen eine Kombinationstherapie bei immunkompetenten Kindern ohne erhöhtes Risiko für multiresistente Erreger und eine schwache Empfehlung für eine Kombinationstherapie bei immunsupprimierten Kindern.

Resistenzgerechte Anpassung und frühzeitiges Beenden von antibiotischer Therapie

Antibiotika werden bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion verordnet. Im klinischen Verlauf bestätigt sich optimalerweise durch kulturellen Nachweis dieser Verdacht, und die Therapie wird fortgeführt. Oft bestätigt sich der Verdacht nicht, doch die antibiotische Therapie wird trotzdem nicht beendet. Unsicherheit oder Angst der behandelnden Ärzte spielt bei kritisch kranken Kindern hierfür eine wesentliche Rolle.
Bei Kindern mit Fieber in der Neutropenie zeigte eine randomisierte Studie, dass bei viraler Infektion der Atemwege frühzeitig ohne Risiko die empirisch begonnene antibiotische Therapie beendet werden kann [33]. In einer niederländischen prospektiven Multizenterstudie wurden Kinder mit Fieber in der Neutropenie in 3 Gruppen mit jeweils hohem, mittlerem und niedrigem Risiko für eine bakterielle Infektion stratifiziert [26]. Patienten mit klinischen Zeichen einer bakteriellen Infektion oder beeinträchtigten Vitalparametern im Sinne einer Sepsis wurden in die Hochrisikogruppe eingeordnet und antibiotisch behandelt. Anhand des IL-8-Werts wurden die übrigen Patienten in solche mit niedrigem bzw. mittlerem Risiko für eine bakterielle Infektion unterteilt. Patienten in der Niedrigrisikogruppe wurden stationär beobachtet und nach 12 h Fieberfreiheit entlassen. Patienten in der mittleren Risikogruppe erhielten Antibiotika und wurden nach 72 h reevaluiert. Nach der Reevaluation wurde bei 41 % der Kinder die antibiotische Therapie beendet, ohne dass es zu einem Rückfall kam. In der Niedrigrisikogruppe hatten 6 Patienten (13 %) eine Infektion mit Koagulase-negativen Staphylokokken, die letztendlich doch antibiotisch behandelt wurde. Die Autoren schlussfolgern, dass es in der mittleren Risikogruppe sicher ist, Antibiotika zu beenden, wenn die Sicherheitsmerkmale erfüllt sind. Die Definition der Niedrigrisikogruppe, die keine Therapie erfordert, stellt hingegen eine Herausforderung dar.
Eine wichtige Strategie ist die resistenzgerechte Anpassung (Deeskalation) nach Erhalt des Resistogramms. Neben der Verschmälerung des Wirkspektrums, die überwiegend auf die Vermeidung von Resistenzen abzielt, wird so auch die Medikamententoxizität für den einzelnen Patienten reduziert. Außerdem wird auf diese Weise die wirksamste vorhandene Therapie gewählt. Den Effekt einer Deeskalation der antibiotischen Therapie untersuchte eine spanische Gruppe prospektiv an Erwachsenen mit schwerer Sepsis oder septischem Schock. Bei empirisch richtig behandelten Patienten war die Deeskalation nach Erhalt der Blutkultur mit Resistogramm ein protektiver Faktor im Hinblick auf die 90-Tage-Mortalität. Anders ausgedrückt: Von den initial „richtig“ behandelten Patienten starben mehr Patienten, wenn die richtige, aber mit zu breitem Spektrum gewählte Therapie nicht angepasst wurde [13]. Die Surviving Sepsis Campaign empfiehlt die tägliche Evaluation der antibiotischen Therapie im Hinblick auf eine mögliche Deeskalation.

Dauer der Antibiotikagabe

In der Einleitung wurde bereits darauf eingegangen, dass Antibiotika häufig zu lange verabreicht werden. In diesem Abschnitt sollen aktuelle vorwiegend randomisierte Studien besprochen werden, die sich mit der Dauer der antibiotischen Therapie bei intraabdominellen Infektionen befasst haben, weil diese Infektionen besonders gut untersucht sind. Anschließend wird die Wertigkeit des Biomarkers PCT für die Dauer der antibiotischen Therapie diskutiert.
Neben einer antibiotischen Therapie ist bei intraabdominellen Infektionen (Perforation, Abszess u. a.) die operative Sanierung für den Krankheitsverlauf wesentlich. Die Dauer der postoperativen antibiotischen Therapie war Gegenstand einer randomisierten Studie bei Erwachsenen [34]: Verglichen wurde eine Dauer von 2 Tagen nach Resolution von Fieber, Leukozytose und Ileus (Maximum 10 Tage) mit einer fixen Dauer von 4 ± 1 Tag. Bezüglich des kombinierten Endpunktes Tod, rekurrierende intraabdominelle Infektion und Infektion des Operationsgebietes gab es keinen signifikanten Unterschied. Der Unterschied in der medianen Dauer der antibiotischen Therapie betrug 4 vs. 8 Tage. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Beobachtungsstudie [47] an über 1000 Erwachsenen mit komplizierter Appendizitis. Untersucht wurde der Einfluss der Dauer der Antibiotikatherapie nach Appendektomie (3 vs. 5 Tage). Auch in dieser Studie konnte kein signifikanter Unterschied auf die Entwicklung tiefer oder oberflächlicher abdomineller Infektionen gesehen werden.
Doch wie ist die Datenlage bei Blutstrominfektionen? In einer retrospektiven „Matched-pair“-Untersuchung wurde die Dauer der antibiotischen Therapie bei Kindern mit unkomplizierter gramnegativer Bakteriämie untersucht. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen einer 10- und 14-tägigen Therapie, allerdings einen Trend zu gehäuften Candidämien unter dem längeren Therapieregime [30]. Auch in einer prospektiven randomisierten kontrollierten Studie bei Erwachsenen mit unkomplizierter gramnegativer Bakteriämie waren ein CRP-gesteuertes bzw. 7‑Tage-Regime einem 14-Tage-Regime nicht unterlegen. Die Therapiedauer in der CRP-gesteuerten Gruppe betrug im Median 7 Tage [8].
Doch nicht immer ist die standardisierte Therapiedauer ausreichend, z. B. bei ausgeprägter Immunsuppression. Ein Ansatz für eine individualisierte Therapie ist die serielle Bestimmung des PCT unter antibiotischer Therapie. Die Wertigkeit des PCT hinsichtlich der Diagnose einer bakteriellen Infektion ist bereits gut untersucht [27]. Im Folgenden sollen Studien vorgestellt werden, die sich mit der PCT-gesteuerten Dauer der antibiotischen Therapie befassen.
In einer Metaanalyse [49] konnte PCT als ein sensitiver (0,77 [95 %-KI 0,72–0,81]) und spezifischer (0,79 [95 %-KI 0,74–0,84]) Marker zur Differenzierung zwischen einer Sepsis und einer nichtbakteriellen systemischen Inflammationsreaktion bestätigt werden. Eine weitere Metaanalyse von 26 randomisierten Studien zur PCT-gesteuerten Therapie respiratorischer Infektionen zeigte, dass die Exposition gegenüber Antibiotika von 8 auf 5,7 Tage gesenkt werden konnte [38]. Insbesondere zeigten sich auch eine signifikante Reduktion der Sterblichkeit mit einer OR von 0,83 (95 %-KI 0,70–0,99) sowie eine Reduktion von Nebenwirkungen durch Antibiotika. In den aktuellen AWMF-Leitlinien für die ambulant erworbene unkomplizierte Pneumonie im Kindesalter wird bereits eine Behandlungsdauer von 5 Tagen empfohlen. Bemerkenswert ist jedoch, dass in der beschriebenen Metaanalyse auch Studien mit Patienten auf der Intensivstation oder mit nosokomialer Pneumonie eingeschlossen wurden, sodass auch bei nosokomialer Pneumonie eine kurze antibiotische Behandlungsdauer möglich sein könnte (Ausnahmen sind z. B. Infektionen mit Staphylococcus aureus oder Pseudomonas aeruginosa).
Bei Erwachsenen mit schwerer Sepsis oder septischem Schock konnte in einer randomisierten Studie durch Bestimmung des PCT keine Reduktion der Mortalität erwirkt werden, allerdings eine signifikant verkürzte Exposition gegenüber antimikrobiellen Substanzen um 4,5 % [5]. Gleichermaßen verkürzte sich in einer multizentrischen randomisierten kontrollierten Studie die Dauer der Antibiotikatherapie bei Neugeborenen mit Verdacht auf „Early-onset“-Sepsis signifikant von 65 auf 55 h unter PCT-Steuerung. Das frühzeitigere Absetzen führte nicht zu vermehrten Reinfektionen. Eingeschlossen waren allerdings nur Neugeborene mit einer unwahrscheinlichen oder möglichen Infektion, sodass diese Studie primär darauf ausgelegt war, die klinische Entscheidung durch den Einsatz von Biomarkern zu unterstützen. Nicht untersucht wurde die Fragestellung, ob PCT die Dauer einer antibiotischen Therapie bei nachgewiesener oder hinreichend vermuteter Infektion effektiv verkürzen kann [42]. Zudem wird im klinischen Alltag in vielen neonatologischen Abteilungen schon jetzt ein Biomarker-gestützter Algorithmus genutzt, der innerhalb der ersten 48 h zu einer Beendigung der Therapie führt (persönliche Kommunikation). Häufig wird bei Verdacht auf Early-onset-Sepsis postnatal IL‑6 oder IL‑8 bestimmt, und im Verlauf (nach 24 h) CRP. Die aktuelle AWMF-Leitlinie Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen bescheinigt dieser Kombination eine sehr hohe Sensitivität (97 %) und Spezifität (94 %) [52].
Die aktuelle Literatur ist dahingehend konsistent, dass mithilfe von PCT der Verbrauch von Antibiotika gesenkt werden kann. So führt (bei negativem Kulturergebnis) ein Abfall bzw. ein fehlender Anstieg jeweils zum Absetzen einer antibiotischen Therapie. In einem klinischen Setting, in dem es eher zu einer Übertherapie kommt (schwer kranke Kinder, Intensivstationen), wird dieser Effekt möglicherweise kleiner, wenn viele Patienten ohne Infektion trotz negativem PCT antibiotisch behandelt werden.
Die aktuelle Surviving-Sepsis-Campaign-Leitlinie empfiehlt, die Dauer der antimikrobiellen Therapie festzulegen, in Abhängigkeit vom Ort der Infektion, dem auslösenden Erreger, dem klinischen Verlauf und der Möglichkeit einer Fokussanierung. Zur Anwendung von PCT hinsichtlich Therapiebeginn oder -dauer gibt es keine Empfehlung.

Annäherung an eine adäquate Antibiotikatherapie durch fachliche Expertise und Antibiotic-Stewardship-Programme

Die Sorge, eine bakterielle Infektion bei kritisch kranken Kindern nicht oder nicht adäquat zu behandeln, führt, wie beschrieben, zu einer Übertherapie – mit ebenfalls unerwünschten Wirkungen. Multiresistente Erreger, invasive Infektionen oder Begleiterkrankungen wie Niereninsuffizienz erschweren die kalkulierte und manchmal auch die gezielte Therapie. Um in diesem Spannungsfeld zu einer optimierten Versorgung zu kommen, haben sich im klinischen Alltag ABS-Programme bewährt. Ein gelebtes ABS-Programm (personell ausgestattet mit pädiatrischem Infektiologen, Mikrobiologen und klinischem Pharmazeuten) kann die Qualität der antibiotischen Therapie verbessern. In einer prospektiven Interventionsstudie in der Neonatologie konnte ein ABS-Programm den Antibiotikaverbrauch (gemessen in Tagen mit Antibiotikatherapie/1000 Patiententagen) signifikant um 27 % senken [7]. Ein systematisches Review über ABS-Programme in der Pädiatrie konnte zeigen, dass diese den Verbrauch von Antibiotika in Kinderkliniken senken [2]. Allerdings wurde im Bereich der pädiatrischen Intensivmedizin in keiner Studie ein Effekt nachgewiesen [2]. Als ursächlich diskutieren die Autoren, dass die Anwesenheit von Fremdmaterial und die schwere Grunderkrankung die Anwendung von Antibiotika mit schmalem Spektrum erschweren. Dennoch ist auch im Bereich der pädiatrischen Intensivmedizin davon auszugehen, dass ABS-Programme die Qualität der Antibiotikaverordnung erhöhen.
Diese Qualität kann anhand von Indikatoren gemessen werden, wie in einer aktuellen Publikation dargestellt [37]. Beispielhaft sind hier einige Indikatoren genannt, die für die Erwachsenenmedizin vorgeschlagen werden und von den Autoren für die Pädiatrie angepasst wurden (Infobox 1).
Die flächendeckende Implementierung von ABS-Programmen sowie die regelmäßige Überprüfung ausgewählter Qualitätsindikatoren im stationären Alltag könnten dazu beitragen, Antibiotika rationaler anzuwenden, ohne dadurch Patienten zu gefährden.
Infobox 1 Mögliche Qualitätsindikatoren für pädiatrische Antibiotic-Stewardship-Programme
1.
Blutkulturen abnehmen: Wichtig ist es, die für die jeweiligen Altersstufen empfohlenen Blutvolumina einzuhalten, um die Wahrscheinlichkeit einer Erregerisolierung zu erhöhen. Diese müssen nicht unbedingt peripher gestochen sein, sondern können auch aus zentralen Kathetern abgenommen werden (Empfehlung GPOH/DGPI)
 
2.
Kulturen aus primär sterilen Körperstellen gewinnen, die als Fokus infrage kommen (z. B. Liquor, Urin, Pleurasekret, Aszites u. a.)
 
3.
Verordnung von Antibiotika nach Leitlinien, die anhand von nationalen Leitlinien erstellt und an die lokale Resistenzlage angepasst wurden
 
4.
Wechsel von empirischer auf gezielte Therapie nach Erregernachweis
 
5.
Anpassen der Dosis an die Nierenfunktion
 
6.
Wechsel von i.v.-Anwendung auf orale Applikation, wenn möglich
 
7.
Erstellen eines Antibiotikaplans: Dieser beinhaltet die Dokumentation der Indikation/Diagnose (z. B. Pyelonephritis, nicht CRP-Erhöhung), Name des Antibiotikums mit Dosierung und Intervall, Weg der Applikation sowie die geplante Dauer der Therapie
 
8.
Antibiotisches Drugmonitoring für Aminoglykoside und für Vancomycin
 
9.
Beenden einer antibiotischen Therapie, wenn sich die bakterielle Infektion nicht bestätigt. In der Regel sollte nach 48–72 h die klinische und mikrobiologische Situation reevaluiert und dokumentiert werden
 
Weiterführende Informationen zum Thema
Surviving Sepsis Campaign: www.​sccm.​org
AWMF-Leitlinie Sepsis jenseits der Neonatalperiode: https://​www.​awmf.​org/​leitlinien/​detail/​ll/​024-025.​html
AWMF-Leitlinie Infektionen bei onkologischer Grunderkrankung: https://​www.​awmf.​org/​leitlinien/​detail/​ll/​048-014.​html
AWMF Leitlinie Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen:

Fazit für die Praxis

  • Die im Titel gestellte Frage lässt sich derzeit nicht endgültig beantworten.
  • Kinder mit febriler Neutropenie, septischem Schock und Organversagen profitieren von einer frühzeitigen und aggressiven antibiotischen Therapie.
  • Bei Patienten ohne Organdysfunktion erscheint ein abwartendes Verhalten in manchen Fällen vertretbar.
  • Die Entscheidung, ob eine empirische Therapie um ein Aminoglykosid oder Glykopeptid erweitert wird, bleibt eine Einzelfallentscheidung unter Abwägung des potenziellen Nutzens gegenüber dem bekannten Nebenwirkungsprofil einzelner Substanzen. Eine wesentliche Herausforderung in diesem Zusammenhang stellt die Identifizierung von Patienten mit invasiven Infektionen durch multiresistente Erreger dar.
  • Unabhängig von der gewählten empirischen Therapie ist eine frühzeitige Reevaluation mit Anpassung oder Beendigung der Antibiotkatherapie immer indiziert.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

N. Bruns und C. Dohna-Schwake geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
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Metadaten
Titel
Antibiotische Therapie bei kritisch kranken Kindern – Ist weniger mehr?
Ein narratives Review aktueller Studien und Bezugnahme auf die aktuelle Leitlinie der Surviving Sepsis Campaign
verfasst von
N. Bruns
Prof. Dr. C. Dohna-Schwake
Publikationsdatum
28.09.2020
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Monatsschrift Kinderheilkunde / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 0026-9298
Elektronische ISSN: 1433-0474
DOI
https://doi.org/10.1007/s00112-020-01027-2

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