Real-World-Daten bestätigen Nutzen von Dronabinol

Die Therapie mit Cannabiswirkstoffen bewährt sich im Alltag. Daten von 1.145 Patient*innen mit therapierefraktären chronischen Schmerzen aus dem PraxisRegister Schmerz der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) bekräftigen den Stellenwert einer Zusatzbehandlung mit Dronabinol-Rezepturen. Über zwölf Wochen wurde eine signifikante Reduktion der Schmerzintensität sowie schmerzbedingter Beeinträchtigungen von Alltag, Schlaf und Lebensqualität bei guter Verträglichkeit festgestellt. Werden Cannabiswirkstoffe entsprechend dem Cannabisgesetz zulasten der GKV verordnet, so geschieht dies in drei von vier Fällen (73,0%) zur Behandlung von therapierefraktären chronischen Schmerzen [1]. Dies zeigt eine Zwischenauswertung der Begleit-erhebung der Bundesopiumstelle (BOPST) zur Cannabistherapie. Vor diesem Hintergrund veranlasste die DGS eine retrospektive Analyse von Bestandsdaten des PraxisRegisters Schmerz zu Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Dronabinol – dem in Deutschland schon seit 20 Jahren vor allem in der Schmerz- und Palliativmedizin angewendeten Cannabiswirkstoff [1]. Basis der Analyse bildeten die anonymisierten Daten von 1.145 Patient*innen, bei denen von März 2017 bis Juni 2019 erstmalig eine Behandlung mit Dronabinol als Last-Line-Option begonnen und Schmerzen und begleitende Beschwerden über mindestens zwölf Wochen dokumentiert worden waren. Dabei war ein hoher Anteil der therapierefraktären Schmerzen auf neurologische Ursachen zurückzuführen (Tabelle 1) [1]. Tabelle 1 Therapierefraktäre Schmerzen der 1.145 mit Dronabinol behandelten Patienten: hoher Anteil mit neurologischer Komponente (modifiziert nach [1]) Springer Medizin Verlag GmbH × Die Betroffenen gaben eine Anzahl an Vor- und Zusatzbehandlungen an [1]: analgetische Vorbehandlungen: im Mittel 7,9±2,3 (median: 8; Spannweite: 2–16); bei 93,9% der Patient*innen ≥5 Pharmakotherapien, Basisbehandlung zum Zeitpunkt der Zusatzbehandlung mit Dronabinol: 4,0±1,6 (median 4, Spannweite 1–10) verschiedene Pharmakotherapien, meist in Form von Ko-Analgetika wie Antidepressiva (88,9%) oder Antikonvulsiva (65,9%), hochpotenten Opioid-analgetika (65,2%), Nichtopioiden (18,3%), niederpotenten Opioiden (17,7%) und nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR; 10,7%), zusätzliche nicht pharmakologische Zusatztherapien: ≥5 bei 87,9% der Patient*innen (n=1.007), am häufigsten transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS; 80,6%), Akupunktur (78,3%), Physio- (78,2%) und/oder Psychotherapie (74,9%). Schmerzintensität sank deutlich Dronabinol wurde schrittweise langsam auftitriert bis zum Ende der fünften Behandlungswoche. Die mittlere erreichte Dronabinol-Tagesdosis betrug 16,1±7,1mg (median 15mg), meist in drei Einzeldosen. Die Schmerzintensität (24-Stunden-Schmerzindex, PIX), schmerzbedingte Beeinträchtigungen im Alltag (modified Pain Disability Index, mPDI), Lebensqualität (Quality-of-Life Impairment by Pain, QLIP) und Schlaf (mPDI-Subitem #6) wurden wöchentlich dokumentiert [1]. Die von den Patient*innen dokumentierte Schmerzintensität sank signifikant (Abb. 1 und Tabelle 2) [1]. 46,5% der Patient*innen erfuhren eine mindestens 50%ige Linderung im Vergleich zum Ausgangsbefund. Mehr als die Hälfte der Patient*innen (54,4%) berichtete am Ende der zwölften Behandlungswoche, mit Dronabinol ihr individuelles Behandlungsziel erreicht zu haben. Abb. 1 Patient*inneneinschätzung der Schmerzintensität unter zwölf Wochen Zusatzbehandlung mit Dronabinol (modifiziert nach [1]) Springer Medizin Verlag GmbH × Tabelle 2 Effekte unter Zusatztherapie mit Dronabinol (modifiziert nach [1]) Springer Medizin Verlag GmbH × Mit dem Rückgang der Schmerzintensität kam es zu einer signifikanten Besserung der schmerzbedingt eingeschränkten Teilhabe an Aktivitäten des täglichen Lebens: Der mPDI-Wert sank von initial 64,9±18,0mm VAS (visuelle Analogskala) bei Baseline auf 37,7±20,5mm VAS am Ende der zwölften Behandlungswoche. Damit ging eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität einher: Unter Dronabinol stieg der QLIP-Summenwert von einem Basiswert von 17,4±5,9 auf 25,6±6,3 am Ende der zwölften Behandlungswoche an (p<0,001; Tabelle 2) [1]. Bei fast neun von zehn Patient*innen (86,3%) kam es zu einer Verbesserung von mindestens 50% versus Ausgangswert in mindestens einem der vier Wirksamkeitsbereiche. Weniger Ko-Analgetika Das Therapiekonzept unter Einsatz von Dronabinol ging mit einer deutlichen Abnahme des Bedarfs an zusätzlichen medikamentösen Schmerztherapien einher. Bei mehr als der Hälfte der Patient*innen (59,0%) wurde innerhalb des 12-wöchigen Dokumentationszeitraums die Dauertherapie mit mindestens einem anderen Schmerzmedikament vollständig beendet; vier von zehn Patient*innen (44,5%) beendeten die Behandlung mit hochpotenten Opioidanalgetika. Sicher und gut verträglich Die Behandlung mit dem Rezeptur-Cannabinoid Dronabinol erwies sich unter Praxisbedingungen als sicher und gut verträglich. Die Registerdaten ergaben keinerlei Hinweise auf eine missbräuchliche Anwendung, absichtliche Überdosierungen oder Toleranzentwicklung. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) wurden von 46,8% der Patient*innen berichtet. Sie waren jedoch meist harmlos und sistierten in der Regel auch ohne spezifische Gegenmaßnahmen vollständig. Häufigste UAW waren Schwindel und Somnolenz. Insgesamt 344 Patient*innen (30,0%) beendeten die Therapie vorzeitig, davon 161 wegen unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Die vorliegende Analyse ist derzeit die weltweit größte Studie zu Wirksamkeit und Verträglichkeit von Dronabinol unter Alltagsbedingungen. Sie bietet damit trotz ihrer unbestrittenen Limitationen wichtige Anhaltspunkte für die Anwendung des Cannabiswirkstoffs bei therapierefraktären Schmerzen. Auswertungen über einen längeren Zeitraum sind in Vorbereitung. Auch in Deutschland am Start: Langzeit-Datenerhebung zu zwei gut etablierten Cannabisblütensorten Daten aus drei Jahren Begleiterhebung zeigen, dass Cannabisblüten nach Dronabinol an zweiter Stelle der Verordnungen nach §31 Abs.6 SGB V stehen. Fast jede fünfte Verordnung von Cannabiswirkstoffen auf Basis des Cannabisgesetzes [2] zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherungen betrifft Cannabisblüten (18%). Hauptanwendungsgebiet sind auch hier chronische Schmerzen mit 65% der Verordnungen [3]. Vergleichbare Daten, wie sie aus dem DGS-PraxisRegister Schmerz zu Dronabinol gewonnen werden konnten, fehlen zu Cannabisblüten. Das nun initiierte Global Chronic Pain Registry soll dazu beitragen, diese Lücke zu füllen: Diese erste systematische, nicht interventionelle, prospektive Datenerhebung in Deutschland zur Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit definierter Cannabisblüten – den Tetrahydrocannabinol (THC)-reichen Sorten Red No. 2 (Sativa) und Red No. 4 (Indica) – unter Alltagsbedingungen startet aktuell [4]. Einschlusskritierien sind ein Alter von mindestens 25 Jahren, chronische, nicht tumorbedingte Schmerzen nach der ICD-11-Klassifikation der International Association for the Study of Pain (IASP-ICD-11) und eine geplante Therapie mit den THC-reichen Blütensorten Red No. 2 oder Red No. 4. Die Beschränkung auf definierte Blütensorten soll es ermöglichen, spezifische Aussagen zur Therapie zu treffen und konkrete Anwendungsempfehlungen zu erarbeiten, erklärte Dr. Christoph Wendelmuth, niedergelassener Facharzt für Anästhesie, Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie und Palliativmedizin, Potsdam. Ziel ist es, die Evidenz für die Blütentherapie zu verbessern und Anwendungsempfehlungen bei chronischen Schmerzen zu entwickeln. Beobachtet werden über einen Zeitraum von zwölf Monaten neben Daten zur Applikation und Dosierung vor allem klinische Effekte auf Schmerzintensität, Schlaf, Alltagsfunktionalität, Lebensqualität, Veränderungen des klinischen Allgemeinzustands aus der Sicht von Ärzt*innen und Patient*innen, Änderungen der sonstigen Schmerzmedikation im Behandlungsverlauf (Art + Anzahl der Wirkstoffe) sowie Sicherheit und Verträglichkeit der Blütentherapie. Helfen Sie mit! Ärzt*innen, die bereits Patient*innen mit Cannabisblüten behandeln und ihre Therapieerfahrungen in die Global Chronic Pain Registry einbringen möchten, wenden sich bitte an: de.medical@spectrum-therapeutics.com Literatur Überall A et al., Schmerzmed 2021, 37:37–47 Bundesgesundheitsblatt, Nr. 11, 9.3.2017 Schmidt-Wolf G, Cremer-Schaeffer P, Bundesgesundheitsbl 2021, 64:368–377 https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04763252 (letzter Zugriff: 14.6.2021) Impressum „Therapie mit Cannabinoiden: Neue Daten – bessere Versorgung?“ Symposium anlässlich des Deutschen Schmerz- und Palliativtags 2021, 11. März 2021, online Bericht: Dr. Kirsten Westphal, Heimstetten Artikel gedruckt in „Der Schmerz“ Band 35, Heft 5, Oktober 2021 und „DGNeurologie“ Band 4, Heft 6, November 2021 Mit freundlicher Unterstützung der Spectrum Therapeutics GmbH, Neumarkt Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Andrea Krahnert Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: DGS-PraxisRegister Schmerz - Real-World-Daten bestätigen Nutzen von Dronabinol

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