Breiter Einsatz von Atezolizumab beim ES-SCLC und NSCLC

Durch unterschiedliche Kombinationstherapien mit Atezolizumab gelingt eine zunehmend individualisierte und wirksamere Behandlung von Patienten mit Bronchialkarzinomen: Für Patienten mit aggressivem kleinzelligem Bronchialkarzinom im fortgeschrittenen Stadium („extensive stage“, ES-SCLC) ist die Zulassung des PD-L1(Programmed Death-Ligand 1)-Inhibitors in Kombination mit der Standardchemotherapie nach 20 Jahren des therapeutischen Stillstands ein deutlicher Fortschritt und bereits etablierter Standard. Auch beim fortgeschrittenen oder metastasierten nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) mit nichtplattenepithelialer Histologie sind Krebsimmuntherapien mittlerweile breit einsetzbar. Die Kombinationstherapien mit Atezolizumab haben sich mehrfach bewährt. Etwa 15% aller Lungentumoren zählen zum SCLC. Diese neuroendokrinen Tumoren sind aufgrund der hohen Zellteilungsrate und der schnellen Wachstumsprogredienz hoch maligne und aggressiv [1]. Dabei weisen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung etwa zwei Drittel der Patienten bereits ein ES-SCLC auf [1]. Trotz initialer Ansprechraten von 60–65% auf die bisherige Standardchemotherapie kommt es oft zu einem zeitnahen erneuten Tumorwachstum und dem Auftreten neuer Metastasen, sodass die Prognose mit einem medianen Gesamtüberleben (OS) von ca. zehn Monaten schlecht ist [2, 3]. Anhaltender Überlebensvorteil Im September 2019 konnte mit der europaweiten Zulassung des Checkpoint-Inhibitors Atezolizumab (Tecentriq®▼) als erstes Krebsimmuntherapeutikum in Kombination mit Carboplatin und Etoposid ein Durchbruch in der First-Line-Therapie von ES-SCLC-Patienten erzielt werden [4]. Der humanisierte monoklonale Antikörper bindet zielgerichtet an das Protein PD-L1, das sich auf Tumorzellen und tumorinfiltrierenden Immunzellen befindet [4]. PD-L1 interagiert mit den Proteinen PD-1 und B7.1 auf der Oberfläche von T-Zellen und führt zur T-Zell-Hemmung. Durch die Blockade dieser Wechselwirkung ermöglicht Atezolizumab die Aktivierung von T-Zellen und stellt so deren Fähigkeit zur Erkennung und Bekämpfung von Tumorzellen wieder her. Die Zulassung erfolgte auf Basis der Interimsanalyse der globalen, doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Phase-III-Studie IMpower133 mit 403 unbehandelten ES-SCLC-Patienten [2]. Die Studienmedikation bestand nach einer 1:1-Randomisierung aus einer Chemotherapie mit Carboplatin und Etoposid entweder in Kombination mit Atezolizumab (n=201) oder Placebo (n=202). Die anschließende Erhaltungsphase erfolgte ohne den Einsatz von Chemotherapie. Die primären Endpunkte waren das OS und das progressionsfreie Überleben (PFS). Für die immunonkologische Kombinationstherapie ergaben sich bereits nach einem medianen Follow-up von 13,9 Monaten die ersten positiven Daten. So war das Mortalitätsrisiko signifikant reduziert (p=0,007; [2]). Update der IMpower133-Studie: Neue Daten bestätigen Vorteile Die Daten der IMpower133-Studie wurden von der aktualisierten explorativen OS-Analyse bestätigt (medianes Follow-up 22,9 Monate; Hazard Ratio [HR] 0,76; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,60–0,95; p=0,0154) [5]. Unter der kombinierten Therapie mit Atezolizumab und der Standard-First-Line-Therapie mit Carboplatin plus Etoposid lebten nach 18 Monaten noch 34% der Studienteilnehmer versus 21% unter der alleinigen Chemotherapie (Abb. 1). Sowohl nach 12 Monaten als auch nach 18 Monaten lebten unter der Krebsimmuntherapie 13% mehr Teilnehmer als unter der Chemotherapie. Abb. 1 Langzeit-Update der IMpower133-Studie – Gesamtüberleben (OS) der Intention-to-Treat (ITT)-Population (modiﬁziert nach [5]) Springer Medizin Verlag GmbH × Damit bestätigt das Update der IMpower133-Studie den klinisch relevanten Vorteil einer immunonkologischen Behandlung mit Atezolizumab bei Patienten mit ES-SCLC. Aufgrund der IMpower133-Daten hat sich der monoklonale Antikörper auch in der aktualisierten Leitlinie der DGHO (Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie) als therapeutischer Standard in der First-Line-Behandlung beim ES-SCLC etablieren können [1]. Atezolizumab ermöglicht NSCLC-Patienten eine individuelle Therapie Der Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab hat die Therapieoptionen bei Patienten mit NSCLC mit nichtplattenepithelialer Histologie deutlich erweitert. Für die First-Line-Therapie ist Atezolizumab in diesen Indikationen unabhängig vom PD-L1 (Programmed Death-Ligand 1)-Status in Kombination mit Bevacizumab (Avastin®) und Chemotherapie (IMpower150) sowie alleiniger Chemotherapie (IMpower130) zugelassen [4]. Damit kann den Patienten ein wirksames immunonkologisches Therapiekonzept angeboten werden, das eine patientenindividualisierte Behandlung über klassische Biomarker hinweg ermöglicht. Chance für Patienten mit Lebermetastasen und sensitivierenden EGFR-Mutationen Patienten mit EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor)-Mutation nach Versagen zielgerichteter Therapie sowie Patienten mit Lebermetastasen in der First-Line profitieren besonders von der Immuntherapie. Darauf weisen die Ergebnisse der internationalen, multizentrischen, randomisierten Open-Label-Phase-III-Studie IMpower150 hin, in der die Wirksamkeit und Sicherheit von Atezolizumab in Kombination mit Bevacizumab und Carboplatin/Paclitaxel bei therapienaiven Patienten mit fortgeschrittenem nichtplattenepithelialem NSCLC untersucht wurden [6]. Das Mortalitätsrisiko bei Lebermetastasierung konnte unter dem Kombinationsregime mit Atezolizumab nahezu halbiert werden (Hazard Ratio [HR] 0,52; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,33–0,82) (mOS: 13,3 Monate versus 9,4 Monate). Damit bestätigen diese Daten, dass Patienten mit Lebermetastasen, die als ein Marker für eine schlechte Prognose gelten, besonders von der Kombination aus Antiangiogenese und Checkpoint-Inhibition profitieren. Darüber hinaus zeigte die IMpower150 bei den Patienten mit aktivierenden EGFR-Mutationen Del19 und L858R nach Versagen zielgerichteter Therapien unter dem Kombinationsregime mit Atezolizumab ein um 61% reduziertes Risiko zu versterben (HR 0,39; 95%-KI 0,14–1,07) [6]. Option für Patienten mit Komorbiditäten Die Zulassungserweiterung für eine First-Line-Therapie bei NSCLC-Patienten, die weder eine EGFR- noch eine ALK (Anaplastic Lymphoma Kinase)-Mutation im Tumor aufweisen, basiert auf den Daten der internationalen, multizentrischen, randomisierten Open-Label-Phase-III-Studie IMpower130 [7]. In die Studie wurden insgesamt 723 chemotherapienaive Patienten eingeschlossen. Atezolizumab plus Carboplatin/nab-Paclitaxel wurde mit der Chemotherapiekombination allein verglichen. In der Intention-to-treat-Population mit Wildtyp-Status für das EGFR- und ALK-Gen erreichten Patienten, die mit der Atezolizumab-basierten Kombination behandelt wurden, ein signifikant längeres medianes OS (18,6 Monate versus 13,9 Monate; HR 0,79; 95%-KI 0,64–0,98; p=0,033) [7]. Die individuelle Therapiesteuerung von Atezolizumab in Kombination mit nab-Paclitaxel kann für ältere und komorbide Patienten* aufgrund der wöchentlichen Gabe und der steroidsparenden Möglichkeit wichtig sein. In beiden zugelassenen Therapiesituationen, deren Erhaltung zudem chemotherapiefrei erfolgt, erwies sich Atezolizumab als sicher und gut verträglich; das Nebenwirkungsprofil war konsistent mit den bereits bekannten Sicherheitsprofilen [6, 7]. Fazit Krebsimmuntherapien haben insbesondere auch in der Pneumoonkologie die Therapielandschaft maßgeblich um wirksame Optionen erweitert. Patienten mit Lungenkarzinom profitieren zunehmend von weiter individualisierten, indikationsspezifischen Behandlungen mit Atezolizumab. Dadurch gelingt es, die Prognose der Patienten zu verbessern und Lungenkrebs zunehmend in eine chronische Erkrankung zu überführen. *basierend auf Erfahrungen mit dem Chemotherapie-Backbone Platin/nab-Paclitaxel, das sich aufgrund seines Verträglichkeitsprofils, flexibler Therapiesteuerung durch wöchentliche Gabe und der hepatischen Elimination von nab-Paclitaxel besonders für ältere, komorbide Patienten bzw. Patienten mit Nierenfunktionsstörung eignet. Diese Patientengruppen wurden in der IMpower130-Studie nicht gesondert betrachtet bzw. ausgewertet. ▼ Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Bitte melden Sie Nebenwirkungen an die Roche Pharma AG (grenzach.drug_safety@roche.com oder Fax +49 (0)7624/14–3183) oder an das Paul-Ehrlich-Institut (www.pei.de oder Fax: +49 (0) 6103/77–1234). Literatur https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/lungenkarzinom-kleinzellig-sclc/@@guideline/html/index.html, letzter Zugriff: 04.06.2020 Horn L et al., N Engl J Med 2018, 379:2220–2229 Kalemkerian GP et al., J Natl Compr Canc Netw 2018, 16:1171–1182 Fachinformation Tecentriq®, Stand: Mai 2020 Reck M et al., Oncol Res Treat 2020, 43 (Suppl 1):233, Abstract 886 Reck M et al., Lancet Respir Med 2019, 7:387–401 West H et al., Lancet Oncol 2019, 20:924–937 Impressum „Individuelle Therapieoptionen beim Bronchialkarzinom: Breiter Einsatz von Atezolizumab beim ES-SCLC und NSCLC“, Literaturarbeit Berichterstattung: Dr. Katrina Recker, Hamburg Artikel gedruckt in PNEUMONEWS 4/2020, Band 12, Heft 4, Ausgabe Juli 2020 Mit freundlicher Unterstützung der Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Friederike Holthausen Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature. Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Individuelle Therapieoptionen beim Bronchialkarzinom - Breiter Einsatz von Atezolizumab beim ES-SCLC und NSCLC

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