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2017 | Buch

Spielsucht

Ursachen, Therapie und Prävention von glücksspielbezogenem Suchtverhalten

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Über dieses Buch

Dieses Therapiefachbuch stellt umfassend das gesamte Thema Glücksspiel und Spielsucht dar. Anhand zahlreicher Fallbeispiele werden Fragestellungen und Therapieschritte praxisnah beschrieben. Die Neuauflage wurde komplett überarbeitet, ergänzt und aktualisiert. Sie wurde um Kapitel erweitert, die sich mit dem Online-Glücksspiel befassen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einführung
Zusammenfassung
Die Einführung verweist auf die Besonderheiten des Glücksspiels im Vergleich zu anderen Spielformen. Für viele Menschen bietet das Spiel um Geld eine anregende Form der Unterhaltung, die problemlos in das Alltagsleben integriert ist. Einige Spieler verlieren jedoch die Kontrolle über ihre Spielteilnahme und entwickeln eine glücksspielbezogene Störung. Als Folge der weltweiten Expansion des Angebots ist die Anzahl der Betroffenen in den letzten Jahrzehnten gewachsen, verbunden mit einem exponentiellen Zuwachs wissenschaftlicher Publikationen. Zahlreiche Forschungsbefunde belegen inzwischen, dass es sich um eine Suchterkrankung handelt. Das Buch greift die Befunde und eigene Erfahrungen im Umgang mit Spielsüchtigen auf und spannt einen Bogen von theoretischen und therapeutischen bis hin zu präventiven Perspektiven. Den übergeordneten Rahmen gibt dabei das Suchtkonzept vor. Abschließend werden der Aufbau und Inhalt des Buches näher erläutert.
Gerhard Meyer
2. Glücksspiel: Allgemeine Hintergrundinformationen
Zusammenfassung
Erste Zeugnisse von Glücksspielen sind aus der ägyptischen Kultur etwa um 3000 v. Chr. überliefert. Eines der ältesten Glücksspiele ist das Würfeln, wie der Fund von Würfeln aus Elfenbein aus dem Jahr 1573 v. Chr. in Ägypten belegt (Wykes 1967). In historischen Niederschriften der indischen Hochkultur werden Schicksale von Spielern beschrieben, die ihr ganzes Vermögen beim Würfelspiel verloren.
Gerhard Meyer
3. Glücksspielbezogene Störung – Spielsucht
Zusammenfassung
Das Kapitel informiert über das Erscheinungsbild der Spielsucht und die Verläufe einer »Spielerkarriere«. Aufgrund der Symptomatik und deren Ähnlichkeiten mit der stoffgebundener Abhängigkeiten, konsistent hoher Komorbiditätsraten, gemeinsamer ursächlichen Bedingungen und größtenteils überlappender Behandlungssettings wird die glücksspielbezogene Störung als Suchtverhalten klassifiziert. Über den Geldeinsatz beim Glücksspiel (die Vornahme einer Handlung) lässt sich ebenso zuverlässig und effektiv der Erlebniszustand in Richtung Stimulation oder Entspannung verändern wie durch den Konsum von Suchtstoffen, verbunden mit individuellen und sozialen Folgeschäden. Im DSM-5 wurde eine entsprechende Reklassifikation des Störungsbildes als Verhaltenssucht vorgenommen, in der ICD-10 ist pathologisches Spielen als abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle eingeordnet. Neben den diagnostischen Kriterien und psychometrischen Screeningverfahren sind voneinander abgrenzbare Spielersubgruppen, weltweite epidemiologische Befunde sowie Daten zur Behandlungsnachfrage in Deutschland weitere Themen des Kapitels.
Gerhard Meyer
4. Entstehungsbedingungen der glücksspielbezogenen Störung: Das Drei-Faktoren-Modell der Suchtentwicklung als übergeordnetes Rahmenkonzept
Zusammenfassung
Die vielfältigen Ursachen der Entstehung und Aufrechterhaltung der glücksspielbezogenen Störung werden im Rahmen des Drei-Faktoren-Modells der Suchtentwicklung über eine wechselseitige Beeinflussung von Eigenschaften des Glücksspiels, des Spielers und seines sozialen Umfeldes veranschaulicht. Die unmittelbare psychotrope Wirkung von Glücksspielen ist eng mit den Veranstaltungsmerkmalen wie Ereignisfrequenz, Fast-Gewinne und Kontrollillusionen verbunden. Ein junges Lebensalter, männliches Geschlecht und Impulsivität gelten als individuelle Risikofaktoren. Forschungsbefunde beziffern den Einfluss genetischer Faktoren auf die Varianz des Störungsbildes mit 50–60 %. Einzelne Persönlichkeitsmerkmale wie Impulsivität und antisoziale Persönlichkeit sind als prädisponierende, nicht aber als notwendige Bedingungen aufzufassen. Als Umweltfaktoren stellen ungünstige familiäre Lebensbedingungen in der Kindheit und Jugend, spielende Mitglieder in der Familie und Peergroup sowie eine hohe Verfügbarkeit des Glücksspiels Prädiktoren einer hohen Spielintensität dar. Die Befunde breit angelegter Längsschnittstudien sind als Beleg für einen biopsychosozialen Erklärungsansatz zu werten, der multiple Risikofaktoren einbezieht.
Gerhard Meyer
5. Theoretische Erklärungsansätze zur Entstehung und Aufrechterhaltung des glücksspielbezogenen Suchtverhaltens
Zusammenfassung
Die Abhandlung theoretischer Erklärungsansätze der Neurobiologie, Psychoanalyse, Lerntheorie, Kognitions- und Sozialwissenschaften verweist in Abhängigkeit von der jeweiligen wissenschaftlichen Ausrichtung auf sehr unterschiedliche ursächliche Prozesse. Die Neurotransmitter Dopamin, Serotonin, Noradrenalin und Opioide regulieren in komplexen Interaktionen affektive Zustände, rufen Lustempfinden und Entspannung infolge der Spielteilnahme hervor. Nach psychoanalytischen Hypothesen verursachen ungelöste, v. a. ödipale Konflikte selbstzerstörerische Schuldgefühle, die als unbewusstes Strafbedürfnis zu Verlusten beim Spielen motivieren. Die Lerntheorie betrachtet die Spielsucht als erlerntes Fehlverhalten, das allgemeinen Lernprinzipien, wie Modelllernen, operante und klassische Konditionierung sowie impliziten Lernprozessen, folgt. Während die verzerrte Realitätswahrnehmung im Fokus kognitionstheoretischer Ansätze steht, erklären die Sozialwissenschaften die Fehlentwicklung mit Bedingungen des sozialen Umfeldes. Integrative Modelle, wie das Pfadmodell, verknüpfen theorieübergreifend verschiedene Aspekte und werden damit der Komplexität des Störungsbildes eher gerecht.
Gerhard Meyer
6. Individuelle und soziale Folgen
Zusammenfassung
Das Kapitel dokumentiert die individuellen sozialen Folgeschäden der glücksspielbezogenen Störung. Verschuldung, emotionale Belastung und Suizidalität, innerfamiliäre Konflikte sowie strafbare Handlungen betreffen sowohl den Spieler als auch dessen soziales Umfeld. Illegale Geldbeschaffung von Spielsüchtigen zur Fortsetzung des Glücksspiels lässt sich auf die Suchterkrankung zurückführen. In diesem Kontext stellt sich die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit (§§ 20, 21 StGB) und anzuwendenden Maßregel (§§ 63, 64 StGB). Die gesetzlichen Bestimmungen zur Beurteilung der Schuldfähigkeit werden erläutert, Kriterien für die entsprechende Begutachtung genannt und Fallbeispiele zur Veranschaulichung genutzt. Angezeigt ist – entgegen der bisherigen Gesetzgebung – die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Darüber hinaus werden die Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit diskutiert. Die abschließende Kosten-Nutzen-Analyse für den Glücksspielmarkt kommt zu dem Ergebnis, dass Spielautomaten eine besonders negative Wohlfahrtsbilanz offenbaren.
Gerhard Meyer
7. Selbsthilfe
Zusammenfassung
Ratgeber und Selbsthilfemanuale informieren über das Krankheitsbild und regen zu einer aktiven Auseinandersetzung mit der Spielsucht an. Ziel ist es, die Selbstheilungskräfte zu nutzen. Der Ansatz »Hilfe zur Selbsthilfe« kommt dem Wunsch vieler Spieler entgegen, ihr Problem aus eigener Kraft zu lösen. Die Selbsthilfebewegung der Anonymen Spieler lehnt sich stark an das Programm der Anonymen Alkoholiker an. Es hat sich gezeigt, dass der Besuch von Selbsthilfegruppen dann erfolgreich ist, wenn eine regelmäßige Teilnahme stattfindet, sich der Teilnehmer in den Schilderungen der anderen wie in einem Spiegel wiedererkennt, die Spieler Erfahrungen, Gedanken und Gefühle offen und ehrlich austauschen, die Gruppe bei der Bewältigung von Problemen hilft und einfühlendes Verständnis, Zuneigung und solidarische Anteilnahme erfahren werden. Insbesondere die hohe Fluktuation in den Selbsthilfegruppen ist ein Indiz dafür, dass diese Maßnahme nicht für alle Hilfesuchenden zielführend ist. Bei zusätzlichen psychischen und psychiatrischen Komplikationen ist frühzeitig professioneller Rat in Anspruch zu nehmen.
Gerhard Meyer
8. Telefon-Hotline und Online-Beratung
Zusammenfassung
Telefon- und internetgestützte Beratungskonzepte für Spieler und Angehörige zeichnen sich durch Benutzerfreundlichkeit, hohe Verfügbarkeit und leichte Zugänglichkeit aus. Die Anonymität der Hilfesuchenden gewährleistet ein hohes Maß an individueller Sicherheit, Distanz und Unverbindlichkeit. Ein therapeutischer Beziehungsaufbau kommt bei diesem Verfahren nicht zustande, und es ist mit einer höheren Abbruchrate zu rechnen. Das niedrigschwellige Angebot der Hotlines zielt darauf ab, die vorhandenen Beratungs- und Behandlungsbarrieren zu überwinden und soll gleichzeitig als Brücke zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention fungieren. Die Beratung über das Internet ermöglicht eine selbstbestimmte und abgestufte Vorgehensweise sowie eine leichte Modifizierbarkeit. Sie bewegt sich allerdings auf einer Plattform in der Nähe zu Glücksspielangeboten. Zu den wesentlichen Bestandteilen gehören Screening und Rückmeldung, Auswertung der individuellen Problemlage, die dazu in der Lage sind, Rückfallgeschehen zu initiieren, Verhaltensregeln und interaktives Aufklärungsmaterial.
Gerhard Meyer, Meinolf Bachmann
9. Grundsätzliches zur Spielsuchttherapie
Zusammenfassung
Suchtbehandlung findet in enger Kooperation verschiedener ambulanter und stationärer Beratungs- und Behandlungseinrichtungen statt. Die neuerdings erfolgte Diagnostizierung (DSM-5) als Sucht unterstützt unsere bisherige Herangehensweise: Das Suchtmodell unterscheidet zwischen den Phasen der Entstehung (Einstieg, Kontrollverlust) und dem therapeutischen Vorgehen (Motivation/Entzug des Suchtmittels, Krankheitseinsicht bzw. Akzeptanz – Festigung des Abstinenzwunsches, Therapie der Ursachen, Entwicklung und Umsetzung von Alternativen sowie Rückfallprävention). Irrationale Vorstellungen über Gewinnchancen und der Umgang mit Geld sind weitere Bausteine in der Behandlung. Eine besondere Aufmerksamkeit findet der Aufbau entspannender und stressreduzierender Alternativen, die eine Rekonstruktion des Belohnungssystems zur Zielsetzung haben. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, die dazu notwendigen konkreteren Verhaltensänderungen tatsächlich umzusetzen und damit neue stabile Gewohnheiten sowohl psychisch als auch physiologisch (im Belohnungssystem) zu verankern. Nicht der Verzichtsgedanke steht im Vordergrund, sondern die Erweiterung des Interessens- und Aktivitätsspektrums, an vielen anderen Lebensaspekten wieder Interesse und Freude zu finden und eine ausgewogene Lebensgestaltung anzustreben. Die Bedingungen der Suchtentstehung und Überwindung der Abhängigkeit sind in einer »Suchformel« zusammengefasst. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem gruppentherapeutischen Vorgehen führt zu einem Hervorheben einer guten Atmosphäre, strukturierten zielorientierten Bedingungen und einem manualisierten Arbeiten, das ein kooperatives und effektives Lernen in der Gruppe, unter Einbeziehung von Kleingruppen, ermöglicht. Besonderheiten in der Klientel sind weiter ausgearbeitet, beziehen spezifische Krankheitsausprägungen und therapeutische Zielsetzungen beim »Spielen im Internet«, der »Spielsucht von Frauen«, »Glücksspielen bei Kindern und Jugendlichen«, »Spielen im Alter« und »Migration« mit ein.
Meinolf Bachmann
10. Ambulante Behandlung
Zusammenfassung
Zwei erfahrene »Pioniere« der ambulanten Suchtbehandlung berichten vom Vorgehen und den Problemen in diesem Bereich des Suchthilfesystems, der wohl die weitaus meisten Kontakte zu Spielsüchtigen und ihren Angehörigen hat. Schon frühzeitig orientierten sie sich überwiegend am Suchtmodell. Sie waren an der Gründung von (expertengestützten) Selbsthilfegruppen beteiligt und bezogen hier oft ebenfalls die Angehörigen mit ein. Seit 2001 (Empfehlungsvereinbarung) sind sie in die Rehabilitationsbehandlungen der Rentenversicherungen einbezogen und ihre Behandlungskonzepte folgen deren Richtlinien. Die Beratungsstellen decken von der ersten Kontaktaufnahme, Behandlung und Übermittlung in stationäre Therapien sowie deren Nachsorge ein breites Spektrum der Spielerversorgung ab. Es stellt einerseits eine schwierige Aufgabe da, den ersten Kontakt herzustellen, ihn aufrecht zu erhalten und die Motivation für eine umfassende Behandlung herzustellen. Andererseits bietet die Therapie unter lebensnahen Bedingungen eine realistische Auseinandersetzung mit spielauslösenden Reizen, notwendigen Abstinenzbedingungen und dem Aufbau belohnungsfähiger Alternativen (z. B. begleitete Freizeitaktivitäten). Dem Suchtmodell folgend sind die Stabilisierung des sozialen Umfeldes (Familie, Schule, Beruf, soziales Umfeld), die Vertiefung der Krankheitseinsicht, Festigung des Abstinenzwunsches, Bearbeitung der Ursachen der Krankheitsentwicklung und der Aufbau belohnungsfähiger Alternativen wesentliche Bestandteile der Behandlung. Eine recht hohe Rückfälligkeit und Abbruchquote belasten häufig das Therapiegeschehen und sind Anlass für eine Weitervermittlung in tagesklinische- oder stationäre Einrichtungen.
Meinolf Bachmann
11. Spieler in stationärer Therapie
Zusammenfassung
Scheitern ambulante Therapieversuche, sind die Patienten aufgrund starker psychischer Probleme (z. B. Ängste, depressive Verstimmungen, Suizidversuche) und/oder sozialer Notlagen zusätzlich belastet, ist ein stationärer Aufenthalt häufig dringend indiziert. Testpsychologische Diagnostik (z. B. in Bezug auf Persönlichkeit, Ängste, Depressivität) sowie eine ausführliche Sozial- und Suchtanamnese sorgen dafür, dass bereits vor Beginn der eigentlichen Therapie differenzierte und umfassende Informationen über den Patienten vorliegen. Sich mit der Erkrankung zu identifizieren (Krankheitseinsicht), fällt in der Klinik leichter, wobei die Solidarität der Mitpatienten und eine gute Gruppenkohäsion dabei einen wichtigen Rückhalt bilden und es im Klinikrahmen in gewisser Weise Normalität ist, suchtkrank und spielfrei zu sein. Die Akzeptanz freiwilliger Einschränkungen (z. B. in der Bewegungsfreiheit, der Verfügbarkeit des Geldes) ist insbesondere zu Beginn der Behandlung dazu in der Lage, den Abstinenzwunsch zu sichern. Die stationären Rahmenbedingungen und das jeweilige Ausmaß an Fremdkontrolle machen jedoch die Fragestellung notwendig, inwieweit Therapiefortschritte auf die reale Lebenssituation transferierbar sind und eine oft rasch empfundene »Symptomfreiheit« realistisch ist. Eine quasi »24-Stunden-Therapie« des Klinikaufenthalts, gestützt durch die Gemeinschaft der Gruppe, bietet in besonderer Weise die Plattform, Verhaltensalternativen zum Glücksspielen zu erarbeiten, neue stabile Gewohnheiten auszubilden und das Belohnungssystem zu rekonstruieren. Ein interessant und abwechslungsreich gestaltetes multimodales Therapieprogramm in einer guten haltbietenden Klinik- und Gruppenatmosphäre wirken Therapieabbrüchen an ehesten entgegen. Verlustängste gegenüber häuslichen Beziehungen, Gefühle der Hilflosigkeit bei sozialen/finanziellen Problemen, Heimweh, Versagergefühle, nicht mehr zu erfüllende Rollenerwartungen machen dennoch häufiger Kriseninterventionen notwendig.
Meinolf Bachmann
12. Der pathologische Glücksspieler und die Familie
Zusammenfassung
Die Familienangehörigen pathologischer Glücksspieler sind in unterschiedlicher Weise in das Krankheitsgeschehen involviert. Um das Familiensystem zu stabilisieren, sind Verhaltensweisen von Familienmitgliedern (Koabhängigkeit) ebenso zu berücksichtigen, wie die Belastungssituation und Behandlungsbedürfnisse von Partnerinnen, Kindern und Eltern des Betroffenen. Zur Anwendung kommen dabei Familiengespräche mit den Eltern, Paargespräche, Paarseminare und Maßnahmen zur Einbeziehung der Kinder. In edukativer Weise werden den Angehörigen Informationen über das Krankheitsbild der Spielsucht und deren Folgen, den Persönlichkeitsveränderungen des Spielers und psychosozialen Belastungen, vermittelt. Ganz individuell sind Gruppen-, Einzel- oder Paargespräche indiziert, um Ursachen und Folgen der Erkrankung therapeutisch zu behandeln und belastende Konflikte aufzulösen. Hinzu kommt die Aufgabe, Partnerschaften zu erhalten, wieder zu stabilisieren und zu intensivieren. Insgesamt ist die Kommunikation in der Familie zu fördern, ein reger Gesprächs- und nicht verletzender Gefühlsaustausch in Gang zu setzen und gegenseitiges Vertrauen wiederherzustellen. Den Kindern ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken und es ist insgesamt sorgfältig zu prüfen, ob einzelne Familienmitglieder über die Entwöhnungstherapie hinausgehende, beratende bzw. psychotherapeutische Hilfeleistungen benötigen.
Meinolf Bachmann
13. Rückfälligkeit
Zusammenfassung
Unterschiedliche Rückfallmodelle bilden Hypothesen über Rückfallursachen (z. B. unausgewogener Lebensstil, gravierende psychische Belastungen, Leichtsinn im Zusammenhang mit einer zurückgehenden bzw. fehlenden Krankheitseinsicht) und Folgen des erneuten Glücksspielkonsums. Kleinere Rückfälle sollten nicht zu der Annahme führen, unbedingt weiterspielen zu müssen oder nun völlig versagt zu haben. Schon in der Therapie ist eine informative Präventionsarbeit und therapeutische Auseinandersetzung mit individuell vorhandenen Rückfallgefahren und potenziellen Bewältigungsstrategien zu führen. Ein offener, nicht überwiegend von Schulgefühlen geprägter Umgang mit einem eingetretenen Rückfall, die rechtzeitige Inanspruchnahme von Hilfe (z. B. Suchtberatungsstelle, Selbsthilfegruppe, nahestehende Personen, Psychotherapeuten/Hausarztes) wirken einer Vertiefung des Glücksspielverhaltens entgegen. Unter diesen Voraussetzungen sind wichtige Lernprozesse zur Festigung des Abstinenzwunsches möglich und insgesamt ist eher ein Fortschritt, denn ein Rückschritt zu verzeichnen. Eine abwechslungsreiche Lebensgestaltung, ein konstruktiver Umgang mit Stress sowie eine Wachsamkeit gegenüber scheinbar ungefährlichen Entscheidungen (z. B. in der Spielhalle Kaffee zu trinken, höhere Geldsummen bei sich zu tragen, mit früheren Spielkumpanen zusammen zu sein) sowie Offenheit und Hilfeinanspruchnahme bei einem kurzfristigen Rückfall, sind Strategien, nicht wieder in früheres Suchtverhalten zurückzufallen.
Meinolf Bachmann
14. Ansatzpunkte präventiver Maßnahmen
Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Palette an präventiven Maßnahmen und der Beurteilung ihrer Effektivität können folgende Handlungsoptionen als erfolgversprechend gewertet werden: Einsatz und Kombination eines breitgefächerten und aufeinander abgestimmten Spektrums an verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen, Stärkung von Lebenskompetenzen im Kindes- und Jugendalter, Vermittlung von Wissen, Einstellungen und Fähigkeiten in Bezug auf einen verantwortungsbewussten Umgang mit Glücksspielen, Reduzierung der generellen Verfügbarkeit und Griffnähe von Glücksspielen mit dem Ziel der Verringerung des Pro-Kopf-Umsatzes, abgestufte primär- und sekundärpräventive Maßnahmen in Abhängigkeit vom Suchtpotenzial der verschiedenen Spielformen, stark beschränktes Angebot von Spielformen mit hohem Gefährdungspotenzial, Eingriffe in die Spielstruktur und Angebotsform, Verpflichtung zur Früherkennung für Anbieter von Glücksspielen, Schulung der Mitarbeiter, Ausschluss von gefährdeten Personengruppen (Jugendliche, Problemspieler), Beschränkung des Tabak- und Alkoholkonsums während des Glücksspiels und eine unabhängige Kontrollinstanz.
Gerhard Meyer
Backmatter
Metadaten
Titel
Spielsucht
verfasst von
Gerhard Meyer
Meinolf Bachmann
Copyright-Jahr
2017
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-54839-4
Print ISBN
978-3-662-54838-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-54839-4