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03.01.2023 | ST-Hebungsinfarkt | Nachrichten

Zeitfaktor entscheidend

STEMI: Primäre PCI nicht immer von Vorteil!

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Ob man sich bei einem STEMI-Patienten für eine primäre PCI oder eine Strategie mit initialer Fibrinolyse entscheidet, kommt sehr auf das Zeitfenster an, innerhalb dessen eine Intervention stattfinden kann. Ein Team aus Sydney hat verschiedene Szenarien verglichen.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Bei Patienten mit ST-Strecken-Hebungsinfarkt spielt der Zeitfaktor eine wichtige Rolle. Nach den europäischen Leitlinien ist die primäre PCI (pPCI) die bevorzugte Reperfusionsstrategie, sofern ein Zeitfenster von unter zwei Stunden vom ersten Arztkontakt bis zur Intervention eingehalten werden kann. In der Praxis kommt es jedoch immer wieder vor, dass eine pPCI durchgeführt wird, obwohl dieser Zeitraum überschritten ist und eigentlich eine initiale Fibrinolyse angezeigt wäre.

Verschiedene Szenarien im Vergleich

Ein Team der Universität Sydney hat nun mehrere Szenarien verglichen: 

  • Die primäre PCI, die a) zeitnah oder b) verspätet durchgeführt wird. Dabei wurden unterschiedliche Definitionen für das Zeitfenster berücksichtigt, einerseits die in Europa üblichen 120 Minuten, andererseits die in Australien empfohlenen 90 Minuten bei Patienten, bei denen vom Symptombeginn bis zum ersten Arztkontakt ein Zeitraum von bis zu zwei Stunden vergangen ist. 
  • Die sogenannte pharmakoinvasive PCI (PI-PCI) mit initialer medikamentöser Fibrinolyse, auf die dann entweder eine geplante oder eine notfallmäßige (Rescue-)PCI folgt.

Bei verspäteter pPCI steigt die Mortalität

An der Studie hatten insgesamt 2091 Patienten teilgenommen, die zwischen Oktober 2006 und März 2014 einen STEMI erlitten und während ihres anschließenden Klinikaufenthalts eine PCI erhalten hatten. Als primären Endpunkt hatte das Forscherteam um Javeria Jamal die Mortalität innerhalb von drei Jahren untersucht.

  • Die Ergebnisse zeigen zum einen (wenig überraschend), dass die verspätete mit einer deutlich höheren Mortalität als die zeitnahe pPCI verbunden war (20,2% gegenüber 6,7%). Bei einem Zeitfenster von 90 Minuten lag die Sterblichkeit bei 6,4%, zwischen 90 und 119 Minuten bei 7,4% und ab 120 Minuten bei 20,2%.
  • Beim Vergleich der beiden Strategien – pPCI versus PI-PCI – war Erstere insgesamt deutlich unterlegen, mit einer 3-Jahres-Mortalität von 11,1% gegenüber 6,2%. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass fast ein Drittel der pPCI-Patienten die Intervention verspätet erhalten hatte. 
  • Auch bei der pharmakoinvasiven Strategie kam es sehr darauf an, unter welchen Umständen die PCI erfolgt war: Handelte es sich um eine Notfallintervention, lag die Mortalität bei 9,4%, bei geplanter PCI dagegen bei 4,8%.

Unter Berücksichtigung von Patientencharakteristika (mithilfe des Propensitäts-Score-Matchings) erwies sich eine zeitnah durchgeführte primäre PCI im Hinblick auf die 3-Jahres-Mortalität als gleichwertig mit der geplanten Intervention im Rahmen einer PI-PCI. Dagegen war die Mortalität bei zeitnaher pPCI gegenüber Rescue-PCI halbiert. Aber: Eine verspätet durchgeführte pPCI war mit einer mehr als doppelt so hohen Sterblichkeit verknüpft wie die geplante PCI.

Ab zwei Stunden wird’s kritisch

Die insgesamt schlechteren Überlebensraten nach pPCI im Vergleich zur pharmakoinvasiven Strategie erklären Jamal und Kollegen mit der deutlich höheren Sterblichkeit bei einer Dauer von mehr als zwei Stunden zwischen erstem Arztkontakt und Intervention in der Klinik. Den Autoren zufolge erkennt man an den Daten im Verlauf, dass die Beliebtheit der pPCI vor allem nach Publikation der Landmark-Studie von Keeley et al., in der ihre Überlegenheit gegenüber der Fibrinolyse gezeigt wurde, deutlich zugenommen hat. In dieser Metaanalyse sei allerdings die CAPTIM-Studie noch nicht berücksichtigt gewesen. Hier war die pPCI erstmals mit einer pharmakoinvasiven Strategie verglichen worden. Die Sicherheit und Effektivität der PI-PCI konnte später in der STREAM-1-Studie bestätigt werden.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: 3-Jahres-Mortalität von STEMI-Patienten nach primärer PCI bzw. pharmakoinvasiver Strategie (PI-PCI, initiale Fibrinolyse mit späterer PCI), abhängig vom Zeitmanagement.

Antwort: Bei unselektierten STEMI-Patienten, die im Verlauf einer PCI unterzogen wurden, war die Mortalität etwa gleich, egal ob sie eine primäre PCI innerhalb von 120 Minuten nach Arztkontakt oder eine PI-PCI erhalten hatten. Von den pPCI-patienten hatte allerdings jeder dritte die Intervention verspätet erhalten. In dieser Gruppe war die Mortalität deutlich erhöht.

Bedeutung: Bei der Wahl der Reperfusionsstrategie spielt der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle.

Einschränkung: Australische Studie; Leitlinienempfehlungen zum zeitlichen Management unterscheiden sich von denjenigen in Europa; nur Patienten berücksichtigt, die den Infarkt überlebt hatten und stabil genug für eine PCI waren; für die Fibrinolyse wurden verschiedene Substanzen eingesetzt, abhängig von der jeweiligen Studienlage; Ergebnisse können nicht verallgemeinert werden.


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Literatur

Jamal J et al. Late outcomes of ST-elevation myocardial infarction treated by pharmaco-invasive or primary percutaneous coronary intervention. European Heart Journal 2022; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac661

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