Viele Typ-1-Diabetiker erkranken im Alter über 30

Zwar ist ein Diabetes, der sich jenseits der 30 manifestiert, meistens eine Typ-2-Erkrankung. Aber auch fast die Hälfte der Typ-1-Fälle tritt erst in diesem Alter auf. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die familiäre Veranlagung für einen Typ-1-Diabetes hängt von mehreren Genen ab. Wie stark die Prädisposition ist, lässt sich aus dem Vorhandensein entsprechender Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs) mit Hilfe eines genetischen Risikoscores abschätzen. Nur sehr wenige Typ-1-Diabetiker (< 5%) erreichen in diesem Score Werte, die unterhalb der 50. Perzentile von Gesunden oder von Typ-2-Diabetikern liegen. Das heißt, Diabetiker mit einem niedrigeren Scorewert haben mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Typ-2-Erkrankung. Dieses Wissen haben sich Forscher der Universität Exeter zunutze gemacht, um die Häufigkeit von Typ-1- und Typ-2-Neuerkrankungen im Alter bis 60 Jahre zu quantifizieren. Als Datenbasis diente die UK Biobank, die u. a. Gentests von einer halben Million Menschen enthält. Genetisch definierter Typ-1-Diabetes Die Wissenschaftler um Nicholas Thomas beschränkten sich auf die Daten von 380.000 hellhäutigen Europäern, für die der Typ-1-Diabetes-Risikoscore valide ist. Auf der Basis des Scores wurden sie zwei gleich großen Gruppen zugeteilt, je nachdem, ob ihr Risiko das mediane Risiko über- oder unterschritt. In der Gruppe mit dem niedrigeren Typ-1- Risiko waren bis zum 60. Lebensjahr 5982 an Diabetes erkrankt, bei denen es sich folglich um Typ-2-Diabetiker handelte. In der Gruppe mit hohem Risiko hatten 7268 Teilnehmer einen Diabetes entwickelt. Weil das Typ-1-Risiko keinen Einfluss auf das Auftreten eines Typ-2-Diabetes hat, ist davon auszugehen, dass Letzterer genauso häufig auftrat wie in der Gruppe ohne diese Veranlagung, also ebenfalls bei 5982 Patienten. Mithin handelte es sich bei den überzähligen 1286 Fällen um Typ-1-Erkrankungen (9,7% aller Diabetesdiagnosen). Zwei von fünf Diagnosen zwischen 30 und 60 537 genetisch definierte Typ-1-Diabetes-Diagnosen waren erst im Alter zwischen 31 und 60 gestellt worden, das waren 42% aller Typ-1-Fälle. Damit machten sie jedoch nur 4% der jenseits des 30. Lebensjahrs gestellten Diagnosen aus, 96% waren Typ-2-Diagnosen. Umgekehrt verhielt es sich erwartungsgemäß im Alter bis 30: Hier waren 74% der Diagnosen Typ-1-Erkrankungen. Die spät erkrankten Typ-1-Diabetiker unterschieden sich klinisch von den Typ-2-Diabetikern: Sie hatten einen niedrigeren BMI (27 vs. 32 kg/m2), wurden schneller insulinpflichtig (89% vs. 6% im ersten Jahre) und mussten häufiger wegen einer Ketoazidose stationär behandelt werden (11% vs. 0,3%). Später Typ-1-Diabetes nicht harmloser Die Studie hat wichtige klinische Konsequenzen, wie die Forscher betonen: „Typ-1-Diabetes darf nicht als Krankheit angesehen werden, die bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt.“ Wegen der schnellen Progression zur Insulinabhängigkeit und dem erheblichen Risiko einer Ketoazidose müsse auch bei einem Diabetes, der sich erst später manifestiere, an einen Typ-1-Diabetes gedacht werden. „Die Diagnose eines Typ-1-Diabetes sollte vor allem dann in Betracht gezogen werden, wenn bei neu erkannten Diabetespatienten mittleren Alters trotz rascher Therapieeskalation keine gute Blutzuckerkontrolle erreicht wird, besonders wenn die Patienten auch noch schlank sind“, so die Empfehlung der Studienautoren. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie häufig tritt ein Typ-1-Diabetes nach dem 30. Geburtstag auf? Antwort: Vier von zehn Typ-1-Diabetesfällen manifestieren sich erst zwischen 31. und 60. Lebensjahr. Das ist jede 25. Neuerkrankung in dieser Altersspanne. Bedeutung: Auch wenn ein Diabetes jenseits der 30 beginnt, muss an eine Typ-1-Erkrankung gedacht werden, vor allem bei schlanken Patienten mit schlecht kontrollierbarem Blutzucker. Einschränkung: Die Studienteilnehmer sind vor 1971 geboren. Seitdem hat sich die Manifestation des Typ-1-Diabetes in jüngere Jahre verschoben.

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