Neue Wege zum Schutz von Niere und Herz

Die chronische Nierenerkrankung (CKD, chronic kidney disease) ist eine der wichtigsten Komplikationen des Typ-2-Diabetes-mellitus (T2DM). Auch bei Patientinnen und Patienten mit Herzerkrankungen ist ein T2DM mit begleitender CKD eine sehr häufige Konstellation. Therapeutisch standen bisher in erster Linie Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) zur Verfügung, welche die Progression der CKD in begrenztem Umfang bremsen können. Der nichtsteroidale Mineralokortikoidrezeptorantagonist (nsMRA) Finerenon* hat für Patientinnen und Patienten mit CKD in Verbindung mit T2DM positive Ergebnisse gezeigt. Finerenon konnte im Rahmen der FIDELITY-Analyse in zwei randomisierten, kontrollierten Studien das Risiko renaler und kardiovaskulärer Ereignisse bei CKD in Verbindung mit T2DM deutlich senken. Entscheidend ist, diejenigen Patientinnen und Patienten, für die diese Behandlung infrage kommt, früh zu erkennen, um die protektiven Potenziale voll ausschöpfen zu können. Portrait Prof. Haller: © MDIBL, Mount Desert Island Biological Laboratory, Maine, Bar Harbor, USA; Portrait Prof. Kellerer: © Dirk Deckbar; Portrait Prof. Laufs: © UKL; Portrait Dr. Merker: © Dr. Ludwig Merker; Portrait Prof. Wanner: © Prof. Dr. Christoph Wanner Springer Medizin Verlag GmbH × Umfassende und interdisziplinäre Versorgung CKD bei Typ-2-Diabetes früh erkennen und das renale und kardiovaskuläre Risiko senken Bei T2DM kommt eine begleitende CKD häufig vor, dennoch wird sie oft zu spät diagnostiziert. Mit einer Urindiagnostik können Betroffene rechtzeitig erkannt und leitliniengerecht therapiert werden. Etwa 8,5 Millionen Menschen mit T2DM gibt es in Deutschland, schätzt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und geht zudem von einer Dunkelziffer von etwa zwei Millionen Menschen aus [1]. Ein erheblicher Anteil dieser Patientinnen und Patienten entwickelt eine CKD: Expertinnen und Experten schätzen, dass es zu einer mikrovaskulär bedingten Nierenbeteiligung bei mindestens vier von zehn Betroffenen mit T2DM kommt [2]. T2DM ist damit die wahrscheinlich wichtigste CKD-Ursache – gleichzeitig trägt er schon aufgrund seiner Häufigkeit auch bei vielen Patientinnen und Patienten mit CKD anderer Ursache zu einer Verschlechterung der Erkrankung bei. Die CKD ist bei T2DM von enormer prognostischer Relevanz, wie Prof. Dr. Christoph Wanner, Würzburg, anhand von Zahlen zur Nierenbeteiligung bei T2DM deutlich machte, die schon vor fast zehn Jahren erhoben worden waren: Danach gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Nierenschädigung, gemessen an Albuminurie und geschätzter glomerulärer Filtrationsrate (eGFR), und der Übersterblichkeit (Abb. 1). Lagen sowohl eine Albuminurie als auch eine eingeschränkte eGFR vor, war die Hälfte der Patientinnen und Patienten nach zehn Jahren nicht mehr am Leben [3]. Abb. 1 Übersterblichkeit nach zehn Jahren bei T2DM und begleitender CKD in Abhängigkeit von Albuminurie und eGFR (modifiziert nach [3]) Springer Medizin Verlag GmbH × Dazu passen Berechnungen des Verlusts an Lebensjahren bei T2DM mit begleitender CKD. Träte diese Konstellation bereits früh, z. B. im 30. Lebensjahr, auf, dann würden die Betroffenen im Schnitt 16 Lebensjahre verlieren, so Wanner. Eine CKD allein führt in diesem Alter zu einem Verlust von sechs Lebensjahren, ein T2DM allein von zehn Lebensjahren [4]. Prof. Dr. Ulrich Laufs, Leipzig, ergänzte Daten zu Klinikeinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz bei Patientinnen und Patienten mit T2DM und begleitender CKD. Hier gebe es einen klaren Zusammenhang zwischen einer Verschlechterung der Nierenfunktion und einer Zunahme des Hospitalisierungsrisikos (Abb. 2) [5]. Abb. 2 Risiko für Klinikeinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz und kardiovaskulärem Tod bei T2DM und begleitender CKD abhängig von eGFR (links) und UACR (rechts) (modifiziert nach [5]) Springer Medizin Verlag GmbH × Holistische Herangehensweise „Wir müssen die betroffenen Patienten allumfassend behandeln“, so Wanner. „Wir brauchen eine holistische Herangehensweise, die darauf abzielt, das Outcome und die Prognose zu verbessern.“ Diesen Ansatz adressieren auch die Empfehlungen der Leitlinien, wie die im Jahr 2022 aktualisierte Leitlinie der American Diabetes Association (ADA) [6], oder die vorläufigen Empfehlungen der internationalen nephrologischen Fachgesellschaft KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) [7], die in Deutschland üblicherweise übernommen werden. Für die Nephroprotektion stehen mittlerweile nicht mehr nur RAS-Inhibitoren zur Verfügung, wie das noch bis vor Kurzem der Fall war. Ergänzt wird das Spektrum nephroprotektiver Medikamente bei CKD in Verbindung mit T2DM durch den nsMRA Finerenon (Kerendia®)* [8], der in den randomisierten Studien FIDELIO [9] und FIGARO [10] sowie in der gepoolten, präspezifizierten FIDELITY-Analyse [11] das Risiko für renale und kardiovaskuläre Ereignisse deutlich senken konnte. Finerenon* ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit CKD im Stadium 3 und 4 mit Albuminurie in Verbindung mit T2DM [8]. Nephroprotektive Wirkungen haben außerdem Inhibitoren von SGLT2 (natriumabhängiger Glukosetransporter 2, sodium dependent glucose cotransporter 2), die ebenfalls in wichtigen Leitlinien vertreten sind. In der neuen ADA-Leitlinie erhält der nsMRA Finerenon für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit CKD und erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse oder Fortschreiten der CKD eine Empfehlung mit Evidenzgrad A [6]. Auch in der vorläufigen Version der neuen KDIGO-Leitlinie wird Finerenon mit dem Evidenzgrad A empfohlen [7]. Wanner zeigte sich zuversichtlich, dass nsMRA auch in der endgültigen KDIGO-Leitlinie für Patientinnen und Patienten mit einer eGFR ≥25 ml/min/1,73m² empfohlen werden, wenn unter maximaler RAS-Hemmung weiterhin eine Albuminurie bestehe. Diese Patientinnen und Patienten seien deswegen besonders geeignet für einen nsMRA, weil sie ein hohes Risiko für eine CKD-Progression und für kardiovaskuläre Ereignisse aufwiesen. Jene nsMRA, die wie Finerenon einen in klinischen Studien dokumentierten Vorteil für die Funktion von Niere und Herz zeigen, sollten bei der Behandlung priorisiert werden, so Wanner. Für Screening der Betroffenen ist Urindiagnostik wichtig Eine individualisierte Nephroprotektion bei Menschen mit T2DM und begleitender CKD ist nur dann möglich, wenn die CKD in möglichst frühen Stadien erkannt wird, betonte Dr. Ludwig Merker, Haan: „Wie finden wir die Patienten, die profitieren? Es braucht ein Screening und es braucht ein interdisziplinäres Management der Patienten.“ Entscheidend dabei sei, dass nicht nur das Serum-Kreatinin bestimmt bzw. die eGFR daraus berechnet wird, sondern dass auch eine Urindiagnostik erfolgt. Standard dabei sollte der Einsatz eines Mehrfachfelder-Streifentests sein, ggf. gefolgt von einer Ermittlung des Urin-Albumin-Kreatinin-Verhältnisses (UACR, urine albumin creatinin ratio) im Spontanurin. „Je nach Ausmaß der Proteinurie sollte die UACR ein- bis viermal jährlich bestimmt werden“, betonte Merker. Die Nutzung von sowohl eGFR als auch UACR ist deswegen so hilfreich, weil die Kombination der beiden Parameter besser als die jeweiligen Einzelparameter Auskunft darüber gibt, wie stark die Niere geschädigt ist und wie schnell die Schädigung voranschreitet. Wanner nutzte hier die Metapher eines Zugs, der auf eine Klippe zufährt: Die eGFR entspricht dabei der Entfernung von der Klippe, die UACR der Geschwindigkeit des Zugs. Wir müssen sowohl eGFR als auch UACR messen. Stellen Sie sich einen Zug vor, der sich auf eine Klippe zubewegt. Die Klippe ist das terminale Nierenversagen. Der Patient ist der Zug. Die eGFR zeigt an, wie weit der Zug von der Klippe entfernt ist. Und die UACR sagt Ihnen, wie schnell der Zug fährt. Wir brauchen beides.“ Prof. Dr. Christoph Wanner, Würzburg Prof. Dr. Christoph Wanner × Ich muss bei Patienten mit einer Risikokonstellation wissen, wie viel Urin und wie viel Albumin sie ausscheiden. Wenn ich das nicht messe, dann ist das schlechte Medizin. Wir sollten auch aufhören, immer über Nephroprotektion zu reden. Wir behandeln chronisch kranke Patienten mit Niereninsuffizienz." Prof. Dr. Hermann Haller, Hannover MDIBL, Mount Desert Island Biological Laboratory, Maine, Bar Harbor, USA × Wir müssen die Früherkennung der Niereninsuffizienz auf breiter Front intensivieren durch eine regelmäßige, strukturiert durchgeführte Bestimmung der Albuminurie und der eGFR. Nur wenn wir das tun, können Hausärzte und Diabetologen einerseits und Nephrologen und Kardiologen andererseits zielführend interagieren.“ Dr. Ludwig Merker, Haan Dr. Ludwig Merker × Beide Informationen zusammen helfen in interdisziplinären Versorgungsnetzwerken, den richtigen Ansprechpartner aus der richtigen Fachrichtung zum richtigen Zeitpunkt zu involvieren. Merker präsentierte die Heatmap der KDIGO zum Progressionsrisiko einer CKD in Abhängigkeit von eGFR und UACR (Abb. 3) [12]. Sie könne als Orientierungshilfe dienen, wann eine T2DM-Patientin bzw. ein T2DM-Patient mit CKD eine Fachpraxis für Diabetologie bzw. Nephrologie aufsuchen sollte. Je höher das Risiko, umso wichtiger wird die Einbeziehung der Nephrologie. Und insbesondere bei moderatem Albumin-Anstieg bzw. leichtem bis moderatem eGFR-Abfall sollten Hausärztinnen und -ärzte zunächst Fachleute aus der Diabetologie involvieren, damit sie ggf. die Medikation in Richtung Nephroprotektion anpassen können, bevor zusätzlich die Nephrologie involviert wird. Abb. 3 Die Heatmap der KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) 2012 kann als Orientierungshilfe für die Überweisung in eine nephrologische oder kardiologische Fachpraxis dienen (modifiziert nach [12]) Springer Medizin Verlag GmbH × Umsetzung im Praxisalltag bleibt herausfordernd Die Heatmap ist nur als eine grobe Orientierung zu verstehen. Bei Verdacht auf eine nicht diabetische Nierenerkrankung kann die Konsultation der Nephrologinnen bzw. Nephrologen auch früher indiziert sein, nicht erst bei hohem Progressionsrisiko. Auch die Kardiologie gehöre mit in das interdisziplinäre Netzwerk, so Merker. In einer kardiologischen Praxis sollte routinemäßig einmal im Jahr eine Vorstellung erfolgen, außerdem bei Zeichen von Herzinsuffizienz oder akuten Beschwerden: „Eine frühzeitige Überweisung zum Nephrologen und Kardiologen kann Leben retten.“ In der täglichen Versorgungsrealität gebe es insbesondere bezüglich der UACR-Bestimmung noch erheblichen Verbesserungsbedarf, betonte Prof. Dr. Monika Kellerer, Stuttgart. Sie hat gemeinsam mit Wanner eine Umfrage zu Art und Häufigkeit von Albuminmessungen bei den unterschiedlichen Facharztgruppen durchgeführt [13]. Dabei zeigte sich, dass die UACR-Bestimmung in den nicht nephrologischen Fachgruppen deutlich seltener durchgeführt wird (Tabelle 1). Tabelle 1 Frequenz der UACR (Urin-Albumin-Kreatinin-Verhältnis)-Messung in Deutschland: Umfrage unter Arztgruppen, die Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes-mellitus betreuen (modifiziert nach [13]) Art der Albuminuriemessung nach Fachgruppe Nephrologie (n=163) Kardiologie (n=121) Diabetologie (n=316) Allgemein- medizin (n=1.026) gesamt (n=1.626) Mikroalbumintest 17,2% 28,4% 63,8% 58,7% 53,3% UACR (Labor) 72,4% 15,6% 17,1% 7,9% 17,0% UACR (Streifentest) 3,7% 4,6% 9,8% 5,1% 5,8% andere Methode 3,7% 0,0% 1,0% 0,8% 1,1% kein Test 3,1% 51,4% 8,3% 27,5% 22,8% Häufigkeit der Albuminuriemessung pro Fachgruppe Nephrologie (n=163) Kardiologie (n=121) Diabetologie (n=316) Allgemein-medizin (n=1.026) gesamt (n=1.626) bei jedem Besuch 29,0% 2,8% 3,2% 0,8% 4,3% 1x pro Quartal 50,6% 22,2% 40,3% 32,0% 34,9% 1x pro Jahr 16,7% 15,7% 47,6% 38,2% 36,3% seltener als 1x pro Jahr 0,6% 7,4% 0,6% 1,4% 1,6% kein Test 3,1% 51,9% 8,3% 27,6% 22,8% Finerenon*: neue Therapieoption bei CKD mit begleitendem T2DM Das Erkennen einer CKD bei Patientinnen und Patienten mit T2DM ist deswegen so wichtig, weil mittlerweile Therapien existieren, mit denen sich die Verschlechterung der Nierenfunktion bremsen und die renale und kardiovaskuläre Prognose verbessern lässt. Prof. Dr. Hermann Haller, Hannover, ging auf Finerenon als den ersten Vertreter der neuen Medikationsklasse der nsMRA detaillierter ein. Prinzipiell werde die diabetische Nierenerkrankung über folgende Faktoren reguliert, so Haller: hämodynamische Faktoren, metabolische Faktoren sowie inflammatorische und fibrotische Faktoren. All diese Faktoren führten in individuell unterschiedlichem Umfang zu tubulären und glomerulären Schäden sowie einer Expansion des Mesangiums, was am Ende in Nierenfibrose und CKD-Progression münde. Eine wichtige Schaltstelle dabei sei der Mineralokortikoidrezeptor (MR), der auf Zellkernebene sowohl an der Regulation der Flüssigkeits- und Elektrolyt-Homöostase als auch an der Regulation von Inflammation und Fibrose beteiligt sei. Medikamentös ließen sich diese CKD-fördernden Prozesse auf zweierlei Weise adressieren, so Haller. Zum einen könne in die homöostatische Regulation eingegriffen werden, etwa durch RAS-Hemmer oder durch steroidale MRA. Daneben komme als zweiter prinzipieller therapeutischer Ansatzpunkt die Regulation von Inflammation und Fibrose infrage. Vor allem hier setze die Behandlung mit Finerenon an, betonte Haller: „Anders als steroidale MRA interferiert der nsMRA Finerenon in erster Linie mit der Regulation von Inflammation und Fibrose und weniger mit der homöostatischen Regulation.“ Mit anderen Worten: Finerenon ist keine weitere Iteration von Spironolacton, sondern wirkt über einen neuen, für die Hemmung der CKD-Progression sehr günstigen Mechanismus. Das lässt sich auch klinisch zeigen. So hatte Finerenon in der FIDELIO-Studie nur einen sehr moderaten Effekt auf den Blutdruck [9]. Und in der randomisierten Phase-IIb-Studie ARTS-DN, die auf Sicherheit und Verträglichkeit fokussiert hatte, gab es bei Patientinnen und Patienten mit T2DM und begleitender CKD bei Finerenon-Therapie keine Korrelation zwischen der Verringerung des UACR und der Veränderung im systolischen Blutdruck [14]. „Wir sehen also eine spezifische Wirkung von Finerenon auf die Niere“, betonte Haller. Dass Finerenon nicht in erster Linie hämodynamisch wirke, zeige sich auch an den Daten zur Hyperkaliämie. Was bei steroidalen MRA in Sachen Sicherheit ein Hauptproblem ist, sei bei Finerenon deutlich weniger prominent, so Haller: „In den Studien ist anhand der Kaliumwerte kaum zu sehen, wer den nsMRA nimmt und wer nicht. Es ist nicht so, dass die Hyperkaliämie gar keine Rolle spielt, aber es ist kein Vergleich mit steroidalen MRA.“ FIDELITY-Analyse Finerenon verlangsamt eGFR-Verlust und reduziert Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen Die beiden komplementär geplanten, randomisierten, placebokontrollierten Studien FIDELIO-DKD [9] und FIGARO-DKD [10] wurden gepoolt in der präspezifizierten FIDELITY-Analyse [11] ausgewertet. An der Studie FIDELIO-DKD nahmen 5.734 Patientinnen und Patienten mit T2DM und begleitender CKD teil, an der Studie FIGARO-DKD 7.437. Alle waren optimal mit RAS-Inhibitoren behandelt und hatten einen Serum-Kaliumwert von ≤4,8 mmol/l. „Es handelt sich dabei um das bisher größte Studienprogramm bei CKD mit T2DM überhaupt“, betonte Haller. Die präspezifizierte, gepoolte FIDELITY-Analyse hatte einen kombinierten kardiovaskulären Endpunkt aus der Zeit bis zum kardiovaskulären Tod, bis zum nicht tödlichen Herzinfarkt/Schlaganfall oder bis zur Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz; außerdem gab es einen kombinierten renalen Endpunkt aus der Zeit bis zum Nierenversagen (definiert als Einleitung einer chronischen Dialyse für ≥90 Tage oder Nierentransplantation) oder bis zum anhaltenden eGFR-Rückgang um ≥57% im Vergleich zur Baseline oder bis zum Tod durch Nierenversagen. FIDELITY: renale Endpunkte Im primären renalen Endpunkt zeigte sich eine signifikante Überlegenheit der Finerenon-Therapie im Vergleich zu Placebo, mit einer Number needed to treat (NNT) von 60 über einen Zeitraum von drei Jahren (p=0,0002; Abb. 4). Dies liege in etwa in derselben Größenordnung wie bei einer SGLT2-Inhibitor (SGLT2i)-Therapie, betonte Haller. Dies zeigt die Subgruppenanalyse „CREDENCE-like“ der Studie FIDELIO-DKD, in der das unterschiedliche Studiendesign von CREDENCE, einer Untersuchung des SGLT2i Canagliflozin, berücksichtigt ist [15]. Es sei eine wichtige Frage, inwiefern sich die NNT durch die Kombination der beiden medikamentösen Ansätze weiter optimieren lasse. Abb. 4 Gepoolte FIDELITY-Analyse der Studien FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD: Risiko für den kombinierten renalen Endpunkt (modifiziert nach [11]) Springer Medizin Verlag GmbH × Bei der Detailanalyse zeigte sich auch bei den Einzelkomponenten des kombinierten renalen Endpunkts jeweils ein deutlicher Vorteil für die Therapie mit Finerenon [11]. „Aus nephrologischer Sicht ist das wichtig: Wir haben eine Substanz, die sowohl die eGFR als auch die anderen relevanten Nierenendpunkte positiv beeinflusst“, so Haller. Bei der eGFR, die bei Finerenon-Therapie initial wirkmechanismusbedingt abfällt, kommt es nach etwa zwei Jahren zur Kreuzung der Kurven von Placebo- und Finerenon-Gruppe. Danach gehen die eGFR-Kurven zugunsten von Finerenon immer weiter auseinander. „Der Langzeiteffekt von Finerenon ist eine Verlangsamung des eGFR-Verlusts. Der auf die Klippe zufahrende Zug wird langsamer“, so Haller. Kombination von Finerenon und SGLT2-Inhibitor Eine weitere, praxisrelevante Detailanalyse der FIDELITY-Daten beschäftigte sich mit der Interaktion von Finerenon mit einem SGLT2i. Etwa 6,7% der Teilnehmenden in FIDELITY nahmen zu Studienbeginn bereits einen SGLT2i. Es zeigte sich, dass der UACR-Abfall durch Finerenon unabhängig davon war: Ohne SGLT2i zu Beginn sank die UACR im Mittel im Vergleich zu Placebo um 32%, mit SGLT2i lag die UACR-Reduktion bei 37% [16]. Auch Kellerer betrachtet die Kombination aus Finerenon mit einem SGLT2i als eine attraktive Option, um das kardiovaskuläre und renale Risiko von T2DM-Erkrankten mit CKD optimal zu senken. Die Ergebnisse von FIDELITY hält sie für plausibel: „Pathophysiologisch lässt sich das gut verstehen. Das sind unterschiedliche Wirkansätze.“ Neue Daten zur Kombination von Finerenon mit dem SGLT2i Empagliflozin sollen im Rahmen der randomisierten Phase-II-Studie CONFIDENCE erhoben werden. In dieser Studie wird die Kombination aus Finerenon und Empagliflozin im Vergleich zu Finerenon bzw. Empagliflozin allein bei 807 Personen mit T2DM und CKD untersucht [17]. Patienten mit Typ-2-Diabetes sind ein Hochrisikokollektiv. Große Studien wie ADVANCE haben uns gezeigt: Mit sinkender eGFR und steigender Albuminurie nimmt das Risiko kardiovaskulär bedingter Mortalität zu. Mit den neuen Medikamenten können wir das kardiorenale Risiko unserer Patienten erheblich reduzieren.“ Prof. Dr. Monika Kellerer, Stuttgart Dirk Deckbar × Wir lernen gerade, dass wir uns trauen sollten, beim Diabetes die antiglykämische Therapie anzupassen. Die Frage, ob wir einen Patienten, der auf Metformin und DPP4-Hemmer gut eingestellt ist, auf moderne Therapien wie SGLT2i und nsMRA umstellen sollten, muss meines Erachtens mit ‚Ja’ beantwortet werden. Wir sehen eine eindeutige Reduktion der Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz und haben Hinweise auf eine Verringerung des Risikos von Vorhofflimmern.“ Prof. Dr. Ulrich Laufs, Leipzig UKL × FIDELITY: kardiovaskuläre Endpunkte Laufs ging auf den kardiovaskulären Endpunkt der FIDELITY-Analyse ein: eine Kombination aus der Zeit bis zum kardiovaskulären Tod, nicht tödlichen Herzinfarkt/Schlaganfall oder bis zur Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz. Auch hier gab es einen signifikanten Vorteil für die Finerenon-Therapie im Vergleich zur Placebo-Behandlung (p=0,0018; Abb. 5) [11]. Die NNT betrug 46 über einen Zeitraum von drei Jahren. Abb. 5 Gepoolte FIDELITY-Analyse der FIDELIO- und FIGARO-Studien: Risiko für den kombinierten kardiovaskulären Endpunkt (modifiziert nach [11]) Springer Medizin Verlag GmbH × „Der Vorteil für Finerenon in der FIDELITY-Analyse ist bedingt durch eine Reduktion von Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz. Die anderen Endpunktkomponenten zeigen aber alle in dieselbe Richtung“, betonte Laufs. So lag das Risiko für kardiovaskulären Tod bei Finerenon-Therapie numerisch um 12% und für nicht tödlichen Myokardinfarkt um 9% niedriger als bei Placebo-Gabe (Abb. 6). Abb. 6 Gepoolte FIDELITY-Analyse der FIDELIO- und FIGARO-Studien: Einzelkomponenten des kardiovaskulären Endpunkts (modifiziert nach [11]) Springer Medizin Verlag GmbH × Die Kaliumwerte seien in der FIDELITY-Analyse kein großes Thema gewesen, so Laufs. Zu Studienbeginn lag die Kaliumkonzentration in der Finerenon- und Placebogruppe jeweils im Mittel bei 4,35 mmol/l. Nach vier Monaten Therapie lag die Kaliumkonzentration unter Finerenon im Durchschnitt um 0,21 mmol/l höher als unter Placebo. Danach änderte sich an diesem geringen Unterschied kaum noch etwas. Hyperkaliämie-bezogene unerwünschte Ereignisse traten bei 14,0% der Patientinnen und Patienten unter Finerenon und bei 6,9% unter Placebo auf. Tödliche Komplikationen gab es keine, und nur bei 1,7% (Finerenon) bzw. 0,6% (Placebo) musste die Behandlung dauerhaft beendet werden. Krankenhauseinweisungen wegen Hyperkaliämie waren in 0,9% bzw. 0,2% der Fälle erforderlich. Im Gegensatz zu steroidalen MRA wurden keine Nebenwirkungen beobachtet, die auf eine unselektive Bindung an Androgen- und Progesteron-Rezeptoren zurückzuführen wären [11]. Fibrosehemmung aus kardiologischer Sicht Auch Laufs betonte aus kardiologischer Sicht noch einmal die Bedeutung von Fibrosierungsprozessen für das Fortschreiten einer Herzinsuffizienz. Es gebe einen hohen Bedarf an Therapien, die genau diese fibrotischen Prozesse hemmten. In eigenen, präklinischen Arbeiten hatten Laufs und Mitwirkende schon vor einigen Jahren zeigen können, dass oral aufgenommenes Finerenon im Krankheitsmodell strukturelles myokardiales Remodelling verhindern kann. Dies korrelierte mit einer besseren Herzfunktion in der Echokardiographie [18]. Fibrosehemmung durch nsMRA ist damit nicht nur ein Thema für die Nephrologie, sondern möglicherweise auch für die Kardiologie. Diese Mechanismen sind u. a. deswegen interessant, weil die mit myokardialen Fibroseprozessen einhergehenden Zytokinveränderungen und auch der damit in Zusammenhang stehende oxidative Stress wahrscheinlich an der Entstehung von Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz beteiligt sind. So ist es denkbar, dass ein antifibrotisch wirkendes Medikament in dieser Hinsicht günstige Effekte hat, wie Laufs erläuterte. Explorativ analysiert worden sei dieser Zusammenhang in der FIDELIO-DKD-Studie, so Laufs. Hier hatten nach vier Jahren in der Finerenon-Gruppe 3,2% der Patientinnen und Patienten neu aufgetretenes Vorhofflimmern, gegenüber 4,5% in der Placebo-Gruppe [19]. Die Studie war für diesen Endpunkt allerdings nicht ausgelegt: „Sollte sich das aber bestätigen, könnte dies relevant sein, weil es eine Möglichkeit wäre, das Auftreten von Vorhofflimmern in Risikopopulationen günstig zu beeinflussen“, so Laufs. Weitere klinische Studien mit Finerenon Nach Abschluss der Studien FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD wird Finerenon in weiteren randomisierten, klinischen Studien untersucht. Im kardiologischen Kontext besonders interessant ist die Studie FINEARTS-HF, eine großangelegte Langzeitstudie zum Einsatz von Finerenon bei Herzinsuffizienz mit erhaltener oder nur moderat reduziert Pumpfunktion (HFpEF/HFmrEF). Diese Studie ist auch im Kontext von Typ-2-Diabetes-mellitus wichtig, denn HFpEF/HFmrEF ist eine häufige Komorbidität bei betroffenen Patientinnen und Patienten. Eine weitere klinische Studie, die FIONA-CKD Studie, evaluiert Finerenon bei Kindern mit chronischer Niereninsuffizienz und stark erhöhter Proteinausscheidung. Die FIND-CKD Studie schließlich fokussiert auf die nicht diabetische CKD. Interdisziplinäres Management besser umsetzen Insgesamt waren sich die Experten aus Nephrologie, Kardiologie und Diabetologie einig, dass Patientinnen und Patienten mit T2DM und begleitender CKD stark von einer konsequent interdisziplinären Begleitung profitieren, bei der sowohl renale als auch kardiale Pathologien und Risikofaktoren früh erkannt und wenn möglich therapiert werden. Zwar müsse nicht jede Patientin und jeder Patient mit T2DM auch zum Kardiologen oder Nephrologen, so Laufs. Aber dass ein erheblicher Anteil der Betroffenen im Verlauf eine CKD entwickle, sollte den behandelnden Ärztinnen und Ärzten bewusst sein. Entsprechend müsse darauf auch konsequent geachtet werden: „Etwa 40% unserer Patienten sind Diabetes-Patienten. Eine Verschlechterung der Nierenfunktion bei diesen Patienten ist prognostisch relevant und auch aus kardiologischer Sicht verheerend. Wir können das einfach detektieren und sollten das auch tun“, appellierte Laufs. Wie die interdisziplinäre Kooperation bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit T2DM optimalerweise aussehen sollte, stellte der Diabetologe Merker in einem kurzen Überblick vor. Prinzipiell sei die Hausarztpraxis die optimale koordinierende Instanz für diese Patientinnen und Patienten. Hier müsse dann aber auch zumindest einmal jährlich, bei entsprechender Krankheitsdynamik auch häufiger, die Nierenfunktion evaluiert werden, und zwar sowohl die eGFR als auch die Albuminausscheidung, idealerweise anhand der im Spontanurin messbaren UACR. Das interdisziplinäre Netzwerk schließt die Fachrichtungen Nephrologie, Diabetologie und Kardiologie ein, die bedarfsweise hinzugezogen werden. Die Diabetologie komme ins Spiel, wenn Hilfe bei der Optimierung von Blutzucker oder Lipiden benötigt werde. Auch die Anpassung der blutzuckersenkenden Medikation an Komorbiditäten bzw. an eine fallende eGFR sollte in Abstimmung mit den Diabetologinnen und Diabetologen erfolgen. Nephrologische Kompetenz sei u. a. bei der Differenzialdiagnose von Nierenschäden, bei der Initiierung nephroprotektiver Maßnahmen und ggf. beim Blutdruckmanagement hilfreich. Die Kardiologie schließlich sollte nicht erst bei der Behandlung komorbider Herzerkrankungen, sondern bereits bei der Initiierung kardioprotektiver Maßnahmen miteinbezogen werden. *Finerenon ist zugelassen zur Behandlung von chronischer Nierenerkrankung (Stadium 3 und 4 mit Albuminurie) in Verbindung mit Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen und seit Oktober 2022 auf dem deutschen Markt verfügbar. Kurzgefasst im Video Die wichtigsten Aussagen aus dem Expertenworkshop finden Sie hier in einer Zusammenfassung Literatur Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Diabetes Hilfe (Hrsg.), Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022 Alicic RZ et al., Clin J Am Soc Nephrol 2017, 12:2032–2045 Afkarian M et al., J Am Soc Nephrol 2013, 24:302–308 Wen CP et al., Kidney Int 2017, 92:388–396 Matsushita K et al., Lancet Diabetes Endocrinol 2015, 3:514–525 American Diabetes Association Professional Practice Committee, Diabetes Care 2022, 45 (Suppl 1):S175–S184 https://kdigo.org/wp-content/uploads/2022/03/KDIGO-2022-Diabetes-Management-GL_Public-Review-draft_1Mar2022.pdf (letzter Zugriff: 14.07.2022) European Medicines Agency (EMA), Produktinformation Kerendia, aktueller Stand; https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/kerendia-epar-product-information_de.pdf (letzter Zugriff: 13.07.2022) Bakris GL et al., N Engl J Med 2020, 383:2219–2229 Pitt B et al., N Engl J Med 2021, 385:2252–2263 Agarwal R et al., Eur Heart J 2022, 43:474–484 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) CKD Work Group, KDIGO 2012 Clinical Practice Guideline for the Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease, Kidney inter Suppl 2013, 3:1–150 Kellerer M, Wanner C, Allgemeinarzt 2022, 2:28–31 Bakris GL et al., JAMA 2015, 314:884–894 Agarwal R et al., Nephrol Dial Transplant 2022, 37:1261–1269 Rossing P et al., ASN 2021, Abstract SA-OR22 Clinical Trials.gov Identifier: NCT05254002 Lavall D et al., Biochem Pharmacol 2019, 168:173–183 Filippatos G et al., J Am Coll Cardiol 2021, 4:S0735–S1097 Impressum „Finerenon bei chronischer Nierenerkrankung in Verbindung mit Typ-2-Diabetes” Virtueller Springer Medizin Expertenworkshop, 27. Juni 2022 Bericht: Philipp Grätzel von Grätz, Berlin Artikel als Beilage in „Die Innere Medizin“ Band 63, Heft 10, Oktober 2022 Mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Leverkusen Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Annette Schilling Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: Typ-2-Diabetes und CKD - Neue Wege zum Schutz von Niere und Herz MA-M_FIN-DE-0292-1

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