Gips spalten ohne Angst vor der Säge

Ein einfaches Hilfsmittel aus Metall, bestehend aus einer Führungs- und einer Schutzschiene, verhindert offenbar sehr wirksam, dass es beim Spalten von Gipsverbänden mit der oszillierenden Säge zu Hautschäden kommt. Fast ebenso wichtig: Die Patienten hatten angesichts des Instruments deutlich weniger Angst vor der Prozedur. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Das penetrante Surren der oszillierenden Gipssäge gehört zum Alltag in orthopädischen Abteilungen. Begleitet wird es oft von dem flauen Gefühl, man könnte den Patienten beim Durchtrennen des Gipsverbands verletzen. Adnan Sevencan, Orthopäde an der türkischen Universitätsklinik Eskişehir Osmangazi, wollte sich mit dieser Unsicherheit und der Angst, die er vor allem bei kleinen Patienten wahrnahm, nicht mehr abfinden. Er konstruierte daher ein simpel handhabbares Instrument, bestehend aus zwei etwa 30 cm langen und 0,5 bis 1 mm dicken flexiblen Metallstreifen, der untere breiter (ca. 2 cm), der obere schmäler (ca. 1 cm), die an einem Ende durch Nieten zusammengehalten werden. Der untere Teil wird der Länge nach in den Gipsverband geschoben und dient als Hautschutz. Der obere, versetzt angebrachte Teil erfüllt die Funktion einer Führungsschiene für die Säge. Keine Kratzer, keine Hitzeschäden Dass seine Konstruktion ihren Zweck erfüllt, konnte Sevencan durch eine Studie belegen, in der er das Verfahren mit dem herkömmlichen Vorgehen (Gipsspaltung freihändig oder unter Zuhilfenahme eines in den Verband eingeschobenen Plastikstreifens oder Holzstabs) verglich. Mitgemacht hatten insgesamt 208 Patientinnen und Patienten mit Unterschenkel- oder Unterarmgips, der jüngste fünf, der älteste 74 Jahre alt. Bei 106 Patienten wurde der Gips auf die klassische Art entfernt (Gruppe 1), die restlichen kamen in den Genuss der neuen Erfindung (Gruppe 2). In Gruppe 1 hinterließ das Sägeblatt in 19 Fällen (18%) leichte Kratzer auf der Haut, in einem Fall (0,9%) sogar eine blutige Lazeration. 26 Patienten (22%) gaben an, die Hitze des Sägeblatts hätte ihnen Schmerzen bereitet, darunter waren drei, bei denen sogar objektiv Zeichen einer leichten Verbrennung sichtbar waren. In Gruppe 2 hatte es dagegen keinerlei Verletzungen gegeben, weder Kratzer noch Hitzeschäden. Deutlich weniger Angst Das neue Verfahren diente offensichtlich auch dem Angstabbau. Um solche subjektiven Empfindungen zu messen, hatte Sevencan die Subjective Units of Disturbance Scale sowie die Children’s Fear Scale in modifizierter Form angewendet. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen in der kombinierten Skala war signifikant: Während 57% aus Gruppe 1 bei der Abnahme des Gipsverbands mittelgradige Angst empfunden hatten, betrug der Anteil in Gruppe 2 nur 6%. Große Angst, wie bei neun Patienten in Gruppe 1 (8%), war in Gruppe 2 gar nicht vorgekommen. Hinzu kam, dass die Prozedur des Sägens durch die kombinierte Führungs -und Schutzschiene im Schnitt um mehr als 25% verkürzt werden konnte. Mit dem neuen Tool hatte sie, je nach Länge des Gipsverbands, zwischen fünf und zehn Minuten in Anspruch genommen. Nach Sevencan sind Verletzungen beim Gipsspalten gar nicht selten, sie können z. B. auftreten, wenn mit dem Sägeblatt wiederholt hin- und hergefahren oder nicht auf die Temperatur des Sägeblatts geachtet wird. Dieses könne sich durch Reibung mit dem Verbandsmaterial erhitzen. An der herkömmlichen Technik zum Hautschutz, bei der z. B. ein Plastikstreifen in den Verband geschoben wird, kritisiert der Orthopäde, dass das Hilfsmittel von außen nicht sichtbar sei. Auch bei einem in den Verband integrierten Sicherheitsstreifen könne es leicht passieren, dass man mit der Säge von der vorgezeichneten Bahn abweiche. Mit der äußeren Führungsschiene dagegen wisse der Chirurg genau, wo er schneiden müsse und wann das Ende des Protektors erreicht sei. „Warum ist mir das nicht eingefallen!“ Studienkommentator Dr. James P. Waddell vom St. Michaels Hospital in Toronto sieht in der Erfindung Potenzial, nicht nur, weil sie vor Verletzungen schütze, sondern auch wegen der verbesserten Patientenzufriedenheit. Waddell wäre nicht überrascht, wenn bald eine kommerzielle Version in chirurgischen Kliniken und Notaufnahmen Verbreitung finden würde. Das Fazit des Kanadiers: „Warum ist mir das nicht eingefallen?“ Das Wichtigste in Kürze Frage: Lassen sich Verletzungen beim Gipsspalten durch ein neuartiges Instrument mit kombinierter Schutz- und Führungsschiene verhindern? Antwort: Mit dem herkömmlichen Vorgehen war es in 18% der Fälle zu Kratzern gekommen, in 22% hatten die Patienten über ein Hitzegefühl geklagt, in knapp 3% hatte die Haut sogar leichte Verbrennungsspuren aufgewiesen. Die Verletzungsrate mit dem neuen Tool dagegen lag bei 0%. Auch die Angst der Patienten vor dem Prozedere konnte damit deutlich reduziert werden. Bedeutung: Das simple Hilfsmittel könnte die Zufriedenheit der Patienten deutlich steigern. Einschränkung: Monozentrische Studie; Instrument vom Autor selbst konstruiert, nicht kommerziell verfügbar.

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