Vitamin D zur Prophylaxe psychischer Störungen?

Erhalten Kinder in den ersten beiden Lebensjahren hoch dosiertes Vitamin D, entwickeln sie anschließend seltener Internalisierungsprobleme wie Ängste und sozialen Rückzug. Das geht aus einer finnischen Interventionsstudie mit allerdings nur wenigen Betroffenen hervor. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Vitamin D gilt als wahres Multitalent und ist auch für die Hirnentwicklung von Kindern essenziell. Vitamin-D-Mangel könnte daher neuropsychiatrische Entwicklungsstörungen begünstigen, ein Zusammenhang wird mit Autismusstörungen, ADHS sowie Externalisierungs- und Internalisierungsproblemen gesehen. Eine kausale Verbindung ließ sich bisher jedoch kaum nachweisen, da die meisten Daten aus epidemiologischen Studien mit erheblichem Verzerrungsrisiko stammen. Von besonderem Interesse wären daher Interventionsstudien, die positive Effekte von Vitamin D auf die Hirnentwicklung von Kindern belegen. Ein Team um Dr. Samuel Sandboge von der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Universität Tampere in Finnland hat anhand von Daten der randomisiert-kontrollierten Studie „Vitamin D Intervention in Infants“ (VIDI) nach solchen Effekten geschaut. Es fand bei Kindern, die hochdosiertes Vitamin D in den ersten beiden Lebensjahren erhalten hatten, nur halb so oft Internalisierungsprobleme wie bei Kindern mit niedrig dosiertem Vitamin D. Allerdings beruhen die Resultate auf sehr wenigen Kindern mit solchen Problemen. An der Studie haben ursprünglich knapp 1000 Familien mit ihren Neugeborenen teilgenommen. Die Untersuchung lief an der Kätilöopisto-Geburtsklinik in Helsinki und sollte die Auswirkungen einer Vitamin-D-Supplementierung auf die Entwicklung der Kinder prüfen – Vitamin-D-Mangel ist in sonnenarmen nördlichen Ländern bekanntlich besonders verbreitet. Unterschiede nur bei internalisierenden Störungen Die eine Hälfte der Kinder erhielt in den ersten beiden Lebensjahren randomisiert und verblindet eine niedrige Dosis des Vitamins (400 IU/d), die andere eine hohe Dosis (1200 IU/d). Eine erste Auswertung nach zwei Jahren ergab jedoch keine größeren neuropsychiatrischen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, Kinder mit hochdosiertem Vitamin D entwickelten sogar eher etwas mehr Externalisierungsprobleme, berichten Sandboge und Mitarbeitende. Da psychische Probleme in der Regel viel später auftreten, veranlassten die Forschenden aus Tampere und Helsinki eine weitere Auswertung, als die Kinder sechs bis acht Jahre alt waren. Sie schickten den Eltern die „Child Behavior Checklist“ (CBCL) mit 113 Fragen zum Verhalten und berechneten daraus Summenscores für Gesamtauffälligkeiten sowie externalisierende und internalisierende Probleme. Diese konvertierten sie wiederum in alters- und geschlechtsstandardisierte T-Scores. T-Werte über 64 galten als klinisch relevant. Insgesamt füllten die Eltern von 346 Kindern den Fragebogen aus, 177 der Kinder hatten in den ersten beiden Lebensjahren die hohe, 169 die niedrige Dosis bekommen. Im Schnitt waren die 182 Jungen und 164 Mädchen rund sieben Jahre alt. Der Auswertung zufolge erfüllten 30 Kinder die Kriterien für klinisch relevante internalisierende Probleme wie Ängstlichkeit, Traurigkeit oder sozialen Rückzug, 20 davon stammten aus der Gruppe mit niedrig dosiertem, 10 aus der mit hoch dosiertem Vitamin D. Der Anteil war damit in der Hochdosisgruppe signifikant geringer (Odds Ratio, OR = 0,40, p = 0,04). Externalisierende Probleme wie Aggression, Unruhe, Trotzigkeit und Impulsivität wurden bei 16 Kindern in jeder der beiden Gruppen festgestellt, hier gab es keine signifikante Differenz, ebenso wenig wie bei der Summe der Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten. Das Team um Sandboge schaute auch nach den Vitamin-D-Spiegeln während der Schwangerschaft der Mütter. Etwa ein Drittel hatte zu niedrige Werte (unter 30 ng/ml). Kinder solcher Mütter entwickelten, wenn sie nur die niedrige Vitamindosis bekommen hatten, tendenziell häufiger internalisierende Probleme als Kinder mit hoher Dosis. Signifikant war der Unterschied aber nur zu Kindern mit hoher Dosis und Müttern ohne Vitaminmangel. Danach könnten sowohl eine gute Vitamin-D-Exposition in utero als auch eine Supplementierung in den ersten Lebensjahren die Entwicklung von internalisierenden Problemen bremsen. Ein großes Manko der Untersuchung ist jedoch die schwache Datenbasis. Die Ergebnisse sind nur ohne Alphafehlerkorrektur signifikant, und das auch nur knapp. Ohne Bestätigung durch größere Studien lässt sich letztlich nicht sagen, ob eine Vitamin-D-Supplementierung Ängste und Traurigkeit bei Kindern in typischen Vitamin-D-Mangelregionen vermeiden kann. Das Wichtigste in Kürze Frage: Kann eine Vitamin-D-Supplementierung Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern vermeiden? Antwort: Die Nachauswertung einer randomisiert-kontrollierten Studie deutet auf eine geringere Inzidenz von internalisierenden Problemen bei Sechs- bis Achtjährigen, die in den ersten beiden Lebensjahren hochdosiertes Vitamin D (1200 IU/d) bekommen haben. Bedeutung: Möglicherweise bremst Vitamin D die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten. Einschränkung: Schwache Datenbasis, Resultate nach Alphafehlerkorrektur nicht mehr signifikant.

Springer Medizin

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