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30.06.2021 | Online-Artikel

Metformin und PPI

Vitamin-B12-Mangel durch Arzneimittel

Einige häufig verordnete Medikamente wie das orale Antidiabetikum Metformin oder Protonenpumpeninhibitoren (PPI) können einen Mangel an Vitamin B12 verursachen. Bei einer Langzeitmedikation mit diesen Wirkstoffen sollte daher an ein mögliches Defizit gedacht werden. Erfahren Sie hier, worauf dabei zu achten ist.

Metformin ist das Antidiabetikum der ersten Wahl zur Behandlung des Typ-2-Diabetes [1] und wird entsprechend häufig verordnet. Dabei ist zu bedenken, dass bei dauerhafter Metformin-Einnahme das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel deutlich ansteigt [2,4], weil das Antidiabetikum die aktive Resorption von Vitamin B12 im Darm behindert (Abb. 1).

Unter Metformin-Therapie: regelmäßiger B12-Check

So ergab eine Metaanalyse, die 31 Studien umfasste, dass Diabetes-Patienten unter Metformin-Therapie ein signifikant höheres Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel hatten als Diabetiker, die kein Metformin einnahmen (Relatives Risiko 2,09). Das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel war dabei von der Dosis und der Dauer der Metformin-Therapie abhängig. Patienten, die eine tägliche Dosis von mehr als 2000 mg Metformin einnahmen, hatten ein 3-fach höheres Risiko als Typ-2-Diabetes-Patienten ohne Metformin-Einnahme. Bei Diabetes-Patienten sollte daher einmal jährlich der Vitamin-B12-Status bestimmt und bei Bedarf präventive oder therapeutische Maßnahmen ergriffen werden, empfehlen die Autoren [3].

Orale oder parenterale Vitamin-B12-Therapie?

Entgegen früherer Annahmen kann die Therapie eines Vitamin-B12-Mangels selbst bei gestörter Resorption durch eine orale Applikation erfolgen. Hierbei ist es erforderlich, Vitamin B12 ausreichend hoch zu dosieren. In Studien haben sich 1.000 µg Vitamin B12/Tag (z.B. enthalten in B12 Ankermann®) als wirksam erwiesen [8,9]. Bei entsprechend hoher oraler Dosierung kann eine ausreichende Menge des Vitamins auch unabhängig vom Intrinsic Factor durch passive Diffusion über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Auch eine herabgesetzte Säurekonzentration im Magen - beispielsweise in Folge einer PPI-Therapie - beeinträchtigt die Resorption oraler Supplemente nicht, da das Vitamin bereits in freier (nicht an Nahrungsprotein gebundener) Form vorliegt. Bei einer schweren neurologischen Symptomatik sollte initial eine parenterale Applikation erfolgen, die anschließend durch eine orale Erhaltungstherapie fortgesetzt werden kann [8]. Lesen Sie hier mehr zur Therapie >>

Verbesserte Nervenfunktion und Lebensqualität

Welchen klinischen Nutzen eine Vitamin-B12-Supplementation für Diabetes-Patienten unter Metformin-Therapie haben kann, zeigt eine aktuelle randomisierte, placebokontrollierte Studie: 90 Patienten mit Typ-2-Diabetes, die seit mindestens 4 Jahren mit Metformin behandelt wurden und sowohl unter einer peripheren als auch autonomen Neuropathie litten, erhielten ein Jahr lang täglich eine orale Therapie mit 1.000 µg Vitamin B12 oder Placebo. Alle Patienten hatten zu Studienbeginn insuffiziente Vitamin-B12-Spiegel von weniger als 400 pmol/L*. Durch die hochdosierte orale Vitamin-B12-Therapie stiegen die Vitamin-B12-Spiegel an. Zudem konnten alle neurophysiologischen Parameter sowie der Schmerz-Score und die Lebensqualität der Patienten in der Verumgruppe gegenüber der Kontrollgruppe signifikant gebessert werden. Nicht signifikant war der Einfluss der Supplementation auf den kardialen autonomen Reflextest [10].

© Wörwag Pharma GmbH

>> Download der Studienzusammenfassung

Aktuelle Empfehlungen 

Auch Fachgesellschaften, wie die Deutsche und die Amerikanische Diabetes-Gesellschaft, empfehlen, bei Patienten unter Metformin-Therapie regelmäßig die Vitamin-B12-Spiegel zu überprüfen [12, 14]. Ein internationales Experten-Team erinnert in einer Publikation im Journal der Amerikanischen Diabetes-Gesellschaft ADA, dass ein Vitamin-B12-Mangel bei bis zu 30% der Patienten unter Metformin-Therapie auftritt. Dieser Mangel zählt zu den häufigsten Imitatoren einer diabetischen Neuropathie und lässt sich durch eine Therapie vollständig beheben. Für die Therapie des Mangels empfehlen die Autoren eine orale Supplementation von 1.000 µg Vitamin B12 pro Tag. Die Dauer der Vitamin-B12-Therapie kann – abhängig von den Ursachen des Mangels - lebenslang notwendig sein [13].

Arzneimittelkommission warnt vor verkanntem Mangel

Im August 2022 informierten auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft AkdÄ und die britische Arzneimittelbehörde über das Risiko eines Vitamin-B12-Mangels im Zusammenhang mit dem Antidiabetikum Metformin [15,16].

Die AkdÄ warnte, dass einige klinische Symptome eines Vitamin-B12-Mangels in dieser Patientengruppe als Diabetes- oder altersbedingt fehlinterpretiert werden könnten, wie z. B. Polyneuropathien [15].

Die Empfehlung: Risikogruppen sollten regelmäßig überwacht und Vitamin-B12-Defizite durch eine Supplementation ausgeglichen werden. Lesen Sie hier im Fallbeispiel, wie eine Vitamin-B12-Mangel-Neuropathie bei Diabetes-Patienten erfolgreich behandelt werden kann.

Wachsam sein bei Therapie mit PPI oder H2-Rezeptor-Antagonisten

Weitere häufig verordnete Arzneimittel, die zu einem Vitamin-B12-Mangel führen können, sind PPI wie Omeprazol oder Pantoprazol: Da Magensäure erforderlich ist, um das Vitamin aus dem Nahrungsprotein freizusetzen, kann eine durch diese Medikamente herabgesetzte Säurekonzentration die Vitamin-B12-Resorption erheblich reduzieren [5]. Das an das Eiweiß gebundene Vitamin kann im Darm nicht absorbiert werden und wird ungenutzt ausgeschieden.

In einer Fall-Kontroll-Studie zeigte sich, dass Personen, die PPI über mindestens zwei Jahre einnahmen, ein um 65% höheres Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel aufwiesen als Personen ohne diese Medikation. Bei einer Therapie mit H2-Rezeptor-Antagonisten erhöhte sich das Risiko um 25%. Eine aktuelle und eine zurückliegende Einnahme von Magensäureinhibitoren ist signifikant mit einem Vitamin-B12-Mangel assoziiert [6].

Doppeltes Risiko

Besonders gefährdet sind Patienten, die mehrere Medikamente einnehmen. Ein relevantes Beispiel: Rund 40% der Diabetes-Patienten leiden unter einer gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) [11], die häufig mit PPI behandelt wird. Viele von ihnen erhalten daher Metformin plus Säureblocker, wodurch das Risiko für einen Mangel potenziert wird. 

Checkliste für die Praxis

Bei Langzeittherapie mit folgenden Medikamenten sollten Sie an einen möglichen Vitamin-B12-Mangel denken [7]:

  • Metformin
  • PPI/H2-Antagonisten
  • Antibiotika (z. B. Aminoglykoside, Neomycin, Chloramphenicol)
  • Colchicin 
  • Colestyramin (Lipidsenker)
  • Antiepileptika
  • Methyldopa

Bei Patienten mit entsprechender Langzeitmedikation sollte daher regelmäßig der Vitamin-B12-Status überprüft werden, um durch frühzeitige Therapie eines Mangels Folgeschäden verhindern zu können. 


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* Die Autoren weisen darauf hin, dass insbesondere bei älteren Diabetes-Patienten Anzeichen einer neurologischen Dysfunktion schon bei Vitamin-B12-Spiegeln auftreten können, die allgemein noch als normal angesehen werden. Der Bereich von 150 bis 400 pmol/L wird daher bei diesen Patienten als „relativer“ Mangel

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Literatur

[1] Landgraf R et al.: Therapie des Typ-2-Diabetes. Diabetologie 2019;14(Suppl. 2):S167-S187

[2] Damião CP et al. Prevalence of vitamin B12 deficiency in type 2 diabetic patients using metformin: a cross-sectional study. Sao Paulo Med J. Epub June 03, 2016, https://doi.org/10.1590/1516-3180.2015.01382111

[3] Yang W et al.: Associations between metformin use and vitamin B12 level, anemia and neuropathy in patients with diabetes: a meta-analysis. J Diabetes 2019;11(9):729-743. Online verfügbar unter: https://europepmc.org/article/med/30615306 (abgerufen am 18.01.2021)

[4] Shivaprasad C et al. Metformin Usage Index and assessment of vitamin B12 deficiency among metformin und non-metformin users with type 2 diabetes mellitus. Acta Diabetologica 2020; 57: 1073-1080. Abstract online verfügbar unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32266492/ (abgerufen am 18.01.2021)

[5] Zdilla MJ. Metformin with either histamine H2-receptor antagonists or proton pump inhibitors: A polypharmacy recipe for neuropathy via vitamin B12 depletion. Clin Diabetes 2015; 33(2): 90-95. Online verfügbar unter: https://clinical.diabetesjournals.org/content/33/2/90.short (abgerufen am 18.01.2021)

[6] Lam JR et al. Proton pump inhibitor and histamine 2 receptor antagonist use and vitamin B12 deficiency. JAMA 2013;310(22):2435-2442. Online verfügbar unter: https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/1788456 (abgerufen am 18.01.2021)

[7] Reiners K. Vitamin-B12-Mangel: Symptome, Ursachen und Behandlung. CME-Fortbildung, Springer Medizin 2020

[8] Andrès E et al.Vitamin B12 (cobalamin) deficiency in elderly patients. CMAJ 2004; 171(3): 251-259. Online verfügbar unter: https://www.cmaj.ca/content/cmaj/171/3/251.full.pdf (abgerufen am 18.01.2021

[9] Andrès E et al. Systematic Review and Pragmatic Clinical Approach to Oral and Nasal Vitamin B12 (Cobalamin) Treatment in Patients with Vitamin B12 Deficiency Related to Gastrointestinal Disorders. J Clin Med 2018;7(304);doi:10.3390/jcm7100304

[10] Didangelos T et al. Vitamin B12 Supplementation in Diabetic Neuropathy: A 1-Year, Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. Nutrients 2021, 13, 395. https://doi.org/10.3390/nu13020395

[11] Wang X et al. Increased prevalence of symptoms of gastroesophageal reflux diseases in type 2 diabetics with neuropathy. World J Gastroenterol 2008; 14 (5): 709–712

[12] American Diabetes Association. 3. Prevention or delay of type 2 diabetes: Standards of Medical Care in Diabetes-2021. Diabetes Care 2021;44(Suppl. 1):S34-S39

[13] Pop-Busui et al. 2022 American Diabetes Association; Diagnosis and Treatment of Painful Diabetic Peripheral Neuropathy; ADA Clinical Compendia Series 2022; available online at https://professional.diabetes.org/monographs#PDN  

[14] Skurk T et al. Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft.Empfehlungen zur Ernährung von Personen mit Typ-2-Diabetes mellitus Diabetologie. 2021; 16 (Suppl 2): S255–S289

[15] Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Drug Savety Mail vom 25.08.2022; Online verfügbar unter: https://www.akdae.de/arzneimittelsicherheit/drug-safety-mail/newsdetail/drug-safety-mail-2022-34. (abgerufen am 2.11.2022)

[16] Medicines & Healthcare products Regulatory Agency: Metformin and reduced vitamin B12 levels: new advice for monitoring patients at risk: https://www.gov.uk/drug-safety-update/metformin-and-reduced-vitamin-b12-levels-new-advice-for-monitoring-patients-at-risk (letzter Zugriff: 22. August 2022). Erscheinungsdatum: 20. Juni 2022.
 

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