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12.10.2022 | Vorhofflimmern | Nachrichten

Vorhofflimmern

DOAK statt Vitamin-K-Antagonist: Die Niere dankt's

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Patienten mit Vorhofflimmern tun ihren Nieren etwas Gutes, wenn sie statt Vitamin-K-Antagonisten direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) nehmen. In einer Kohortenstudie aus Schweden schützten Letztere sowohl vor Verschlechterung einer chronischen Nierenerkrankung als auch vor akuter Niereninsuffizienz.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Nach der Diagnose VHF (Vorhofflimmern) erhalten die meisten Patientinnen und Patienten eine orale Antikoagulation, um sie vor einem Schlaganfall oder einer systemischen Embolie zu schützen. Dass es speziell mit Blick auf die Niere nicht egal ist, welche Substanz man dabei wählt, scheint jetzt eine Studie aus Schweden zu bestätigen. Das wissenschaftliche Team um Marco Trevisan vom Karolinska Institutet konnte zeigen, dass die Therapie mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) offenbar mit einem deutlich geringeren Risiko für progrediente Nierenschäden und akute Niereninsuffizienz einhergeht als ein Vitamin-K-Antagonist (VKA, in der Studie Warfarin).

Studie mit Einwohnern Stockholms

Die Kohortenstudie basiert auf dem Stockholm Creatinine Measurements-(SCREAM)-Projekt. Darin wurden alle Einwohner Stockholms zwischen 2006 und 2018 Labortests unterzogen, die dann mit nationalen Gesundheitsdatenbanken verknüpft wurden. Auf diese Weise ließ sich feststellen, wie sich die Nierenfunktion bei den Teilnehmenden – insgesamt 32.699 Patientinnen und Patienten mit neu diagnostiziertem VHF, von denen 56% mit DOAK therapiert wurden ­– entwickelt hatte. Als primärer Endpunkt galten

  • zum einen die Verschlechterung einer chronischen Nierenerkrankung, definiert als Nierenversagen (eGFR dauerhaft < 15 ml/min/1,73 m2, Beginn einer Dialyse oder Nierentransplantation) oder permanente Verschlechterung der eGFR um mehr als 30%, 
  • zum anderen das Auftreten einer akuten Niereninsuffizienz (AKI).

Deutlich bessere Nierenwerte unter DOAK

Zu einer fortschreitenden Verschlechterung der Nierenfunktion war es unter Berücksichtigung zahlreicher Einflussfaktoren (u. a. Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und -therapien, Schlaganfall- und Blutungsrisiko) bei den mit DOAK behandelten Teilnehmenden deutlich seltener gekommen als bei denen, die einen VKA erhalten hatten (1208 gegenüber 2244 Fälle, adjustierte Hazard Ratio, HR 0,87); der mittlere Beobachtungszeitraum betrug drei Jahre. Die Inzidenzen lagen bei 30,4 gegenüber 36,3 pro 1000 Personenjahre. Vor allem das Nierenversagen konnte mit einem DOAK offenbar in vielen Fällen verhindert werden (HR 0,43).

Eine AKI entwickelt hatten im selben Zeitraum 1825 Stockholmer unter DOAK und 3277 unter dem VKA (46,7 bzw. 54,5 pro 1000 Personenjahre); damit war auch hier die Substanzklasse der DOAK maßgeblich im Vorteil (HR 0,88). Wie Trevisan und sein Team berichten, war vor allem Apixaban zum Einsatz gekommen (71%), in weitem Abstand gefolgt von Dabigatran (17%) und Rivaroxaban (12%).

An dem Ergebnis änderte sich wenig, wenn man die Analyse beschränkte auf Patienten mit erhöhtem Schlaganfallrisiko (CHA2DS2-VASc-Score ≥ 2), Patienten ohne venöse Thrombembolie in der Vorgeschichte (also ohne zweifache Indikation zur Antikoagulation) oder Patienten, die mit der Antikoagulation innerhalb von 90 Tagen nach der VHF-Diagnose gestartet hatten.

Schwere Blutungen vermieden

Die Forschenden hatten nicht versäumt, nach Blutungen und kardiovaskulären Ereignissen zu schauen: Wie zu erwarten, war das Risiko schwerer Blutungen unter DOAK deutlich niedriger (HR 0,77), das galt speziell auch für intrakranielle, nicht aber für andere Arten von Blutungen, z. B. im Magen-Darm-Trakt. Auch bei den ischämischen Schlaganfällen unterschieden sich die beiden Gruppen kaum, ebenso wenig bei der Gesamtmortalität oder der kardiovaskulären Mortalität. Nach median knapp vier Jahren waren 3222 aus der DOAK- und 4842 aus der VKA-Gruppe verstorben.

Was auffiel, war, dass die Teilnehmenden der VKA-Gruppe deutlich häufiger auf ein anderes Präparat zur Antikoagulation umgestiegen waren oder die Therapie ganz beendet hatten. In der VKA-Gruppe betraf das zwei Drittel, in der DOAK-Gruppe dagegen nur jeden Fünften.

Keine Unterschiede bei Embolien und Mortalität

Das Forschungsteam fasst die Ergebnisse so zusammen: Bei den beteiligten VHF-Patienten aus der klinischen Praxis sei der Beginn einer Antikoagulation mit DOAK im Vergleich zu VKA günstiger für die Niere gewesen, mit einem niedrigeren Risiko für die Progression einer chronischen Nierenschädigung oder einer akuten Niereninsuffizienz. Die Ergebnisse aus den stratifizierten Analysen sollte man den Forschenden zufolge allerdings zurückhaltend interpretieren, da hier potenzielle Einflussfaktoren nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Ergebnisse aus großen Studien wie RE-LY, ROCKET-AF oder ARISTOTELE seien nicht einheitlich ausgefallen. Immerhin: Der Befund, dass DOAK mit einem geringeren Risiko für schwere und intrakranielle Blutungen einhergehen, bestätigt das Ergebnis einer bereits publizierten Kohortenstudie, ebenfalls aus Schweden. Auch hier seien die Raten für Schlaganfälle und systemische Embolien, für ischämische Schlaganfälle und Tod unter DOAK und VKA jeweils annähernd gleich gewesen.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Risiko der Verschlechterung einer chronischen Nierenerkrankung bzw. für eine akute Niereninsuffizienz unter direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) im Vergleich mit einem Vitamin-K-Antagonisten.

Antwort: DOAK waren in beiderlei Hinsicht signifikant im Vorteil und führten deutlich seltener zu schweren Blutungen. Keine signifikanten Unterschiede gab es in puncto Schlaganfall, systemische Embolien und Mortalität.

Bedeutung: Die Studie beruht auf Daten der routinemäßigen Versorgung einer großen schwedischen Region und spiegelt Praxisverhältnisse wider. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Behandlung von VHF-Patienten mit DOAK im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten die Niere besser vor akuten Schäden bzw. vor Verschlechterung einer chronischen Erkrankung schützt.

Einschränkung: Beobachtungsstudie; beschränkt auf die Bevölkerung von Stockholm; keine Informationen zu Dosierungen und Therapiedauer.

Literatur

Trevisan M et al. Cardiorenal Outcomes Among Patients With Atrial Fibrillation Treated With Oral Anticoagulants. American Journal of Kidney Diseases 2022; https://doi.org/10.1053/j.ajkd.2022.07.017

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