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Erschienen in: Die Urologie 6/2022

Open Access 17.02.2022 | Enterostoma | Originalien

Stellenwert wasserbezogener Rehabilitationsmaßnahmen bei Stomaträgern

Ergebnisse eines Pilotprojekts und Literaturübersicht

verfasst von: Dr. med. Juliane Putz, PD Dr. med. Angelika Borkowetz, Gina Benita Schlumberger, Prof. Dr. Dr. med. Johannes Huber, Prof. Dr. med. Christian Thomas

Erschienen in: Die Urologie | Ausgabe 6/2022

Zusammenfassung

Hintergrund

Die Anlage eines Hautstomas nach exenterativen Beckeneingriffen stellt für Betroffene einen drastischen Einschnitt in die körperliche Integrität dar. Vielfach führen ästhetische und funktionelle Bedenken dazu, dass wasserbezogene Angebote zur Rehabilitation nicht genutzt werden.

Fragestellung

Ziel war es, im Rahmen des Pilotprojekts „UROAquaFIT“ die Möglichkeit einer wasserbezogenen Rehabilitationsmaßnahme für Patienten nach Zystektomie mit inkontinenter Harnableitung zu evaluieren.

Methode

Im Rahmen des Pilotkurses „UROAquaFIT“ wurde Patienten nach radikaler Zystektomie mit inkontinenter Harnableitung die Möglichkeit einer wasserbezogenen Rehabilitationsmaßnahme angeboten. Aufgeteilt in Kleingruppen erfolgte ein Wassergymnastikkurs unter Anleitung einer Physiotherapeutin und einer Stomatherapeutin unter ärztlicher Aufsicht. Daten zur Lebensqualität und der persönlichen Beurteilung des Kurses mittels Fragebögen wurden vor Beginn und 6 Monate nach Kursende erhoben und qualitativ ausgewertet. Darüber hinaus erfolgte eine Literaturrecherche (MEDLINE) zum Thema Aquagymnastik in der Onkologie.

Ergebnis und Diskussion

Das Kursangebot wurde von allen Teilnehmern als durchweg positiv und bereichernd empfunden. Wohlbefinden und Selbstwertgefühl der Probanden konnten gesteigert werden. Wassergymnastik unter gezielter physio- und stomatherapeutischer Anleitung kann somit eine höchst effektive Rehabilitationsmaßnahme für Patienten nach inkontinenter Harnableitung darstellen. Darüber hinaus stärkt sie die körperliche Integrität der Betroffenen und erweitert somit die Möglichkeiten der sozialen Reintegration. Diese Form der Therapie sollte als fester Baustein in der Rehabilitation nach exenterativen Beckeneingriffen mit Stomaanlage verankert werden.
Hinweise
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Einleitung

Die Anlage eines Hautstomas nach Zystektomie oder Beckenexenteration stellt einen tiefgreifenden Einschnitt für die betroffenen Patienten dar. Nicht nur die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der zumeist tumorbedingten Diagnose [1], sondern auch die Veränderung des empfundenen Körperbildes führen zu einer Beeinflussung der körperlichen Integrität und oftmals auch des Selbstbildes. Darüber hinaus besteht beispielsweise nach operativer Entfernung der Harnblase und inkontinenter Harnableitung initial eine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit, die besondere Anforderungen an rehabilitative Maßnahmen stellt [911, 14].
Im klinischen Alltag existieren zwar postoperative Rehabilitationsmaßnahmen zur Stärkung der physischen Fitness, jedoch erfolgen diese zumeist ohne Nutzung des Elements Wasser [13].
Auf den ersten Blick stellt die Wassergymnastik eine besondere Herausforderung für diese Patienten dar – sowohl funktionell als auch von ästhetischer Seite. Bisher gibt es keine wissenschaftlich untersuchten wasserbezogenen Trainingsmöglichkeiten für diese Patientengruppe. Dies ist bedauerlich, da sich Wassergymnastik und Schwimmen als eine optimale Maßnahme zum Muskelaufbau und zur Stärkung der Knochendichte sowie Verbesserung der kardiovaskulären Funktion anbieten [15, 16, 18].
Aus diesem Grund wurde das Pilotprojekt „UROAquaFIT“ an der Klinik und Poliklinik für Urologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden (UKD) initiiert. Ziel dieses Kurses war es, Patienten mit inkontinenter Harnableitung nach Zystektomie unter professioneller physio- und stomatherapeutischer Anleitung die Möglichkeit einer wasserbezogenen Rehabilitationsmaßnahme zu bieten. Darüber hinaus führten wir eine Literaturrecherche zu dem Thema Wassersport und Onkologie durch.

Methode

Pilotprojekt „UROAquaFIT“

Im Rahmen der Projektförderung „Rudern gegen Krebs“ des Nationalen Zentrums für Tumorerkrankungen (NCT) etablierten wir im Jahr 2019 das Pilotprojekt „UROAquaFIT“ [12]. Die Teilnahme wurde Patienten mit inkontinenter Harnableitung (Ileumconduit oder Ureterokutaneostomie) nach radikaler Zystektomie angeboten. Eingeschlossen wurden Patienten mit einem postoperativen Zeitintervall von mindestens 6 Monaten sowie mit einem guten Allgemeinzustand (ECOG 0-1). Tumorprogress oder laufende uroonkologische Systemtherapien waren Ausschlusskriterien. Die Kontaktaufnahme mit potenziellen Patienten erfolgte über die Zystektomiedatenbank der Klinik und Poliklinik für Urologie am Universitätsklinikum Dresden.
Die Initiierung der Wassergymnastik erfolgte unter physiotherapeutischer Anleitung über einen Zeitraum von 90 min. Weitere 30 min wurde freies Schwimmen vollzogen. Die genaue Durchführung ist in Tab. 1 beschrieben. In den Jahren 2019 und 2020 wurde jeweils ein Initiierungskurs angeboten. Teilnehmer des ersten Kurses konnten auch am zweiten Kurs teilnehmen.
Tab. 1
Umsetzung des Projekts „UROAquaFIT“ sowie Teilnehmercharakteristika
Allgemeine Angaben
Ort
Indoor-Schwimmbecken
Beckengröße
13 × 6 m (78 m2)
Wassertiefe
1,35 m
Frequenz und Dauer
1 × wöchentlich 120 min
Art der Übungen
Klassische Aquagymnastik,
Übungen zur Koordination und Kräftigung,
freies Schwimmen
Umsetzung der Übungen
Stationär vs. in Bewegung,
Einzelübungen vs. Partnerübungen
Zeitdauer der angeleiteten Übungen
Bis 55 min
Hilfsmittel
Schwimmbretter, -nudeln, -hanteln, -bälle etc.
Teilnehmerstruktur
Jahr
2019
2020
Anzahl Teilnehmer (n)
9
7
(davon 4 Wiederholungsteilnehmer aus 1. Kurs)
Form der Harnableitung
Sämtlich Conduit
Sämtlich Conduit
Anzahl Ursache Harnableitung maligne/benigne
8/1
5/2
Geschlechterverteilung männlich/weiblich
7/2
4/3
Mittleres Alter in Jahren und Interquartilsabstand
68,2/16
64,6/7
Maximale Teilnehmer pro Kurs (n)
8
7
Die Initiierungskurse basierten auf 4 Sitzungen im wöchentlichen Abstand. Im Anschluss erhielten die Patienten die Möglichkeit, die erlernten Übungen in einem heimatnahen Schwimmbad selbstständig fortzusetzen. Während der Kurse wurden die Patienten von einer Stomatherapeutin vor Ort betreut, um die Dichtigkeit des Stomabeutels zu überprüfen. Zur zusätzlichen Sicherheit wurde von den Patienten ein spezieller Schwimmgürtel, eine sog. Schwimmbandage, getragen (hier: Stomacare-Bandage HydroActive, Basko Healthcare, Zaandam, Niederlande). Alle Übungen wurden sowohl mit als auch ohne diese Bandage ausgeführt, um ggf. relevante Unterschiede zu detektieren.
Die Lebensqualität der Patienten wurde anhand von Fragebögen vor Beginn der Wassergymnastik und nach 6 Monaten evaluiert. Hierfür wurden validierte Fragebögen und selbst entwickelte Fragebögen genutzt. Als validierte Fragebögen wurden der FACT-G- („functional assessment of cancer therapy-general“) sowie der EORTC QLQ-30-Fragebogen Version 3.0 („quality of life questionnaire“ mit 30 Einzelfragen) angewendet. Der eigens für das Projekt „UROAquaFit“ entwickelte Fragebogen ist in Tab. 2 dargestellt.
Tab. 2
Freie Fragen an die Teilnehmer vor Beginn des Projekts „UROAquaFIT“ mit Ergebnissen (Mehrfachnennungen möglich; n = 12)
Was ist Ihre Motivation zur Teilnahme?
Hoffnung auf das Erlernen des Umgangs mit dem Stoma bei Schwimmen (Handling)
n = 4
Hoffnung auf Steigerung der körperlichen Fitness (Kondition)
n = 5
Hoffnung auf Wiederaufnahme der Teilnahme am sozialen Leben sowie Abbau von Selbstzweifeln und Vorbehalten (soziale Komponente)
n = 4
Bestehen bei Ihnen Vorkenntnisse im Schwimmen mit dem Stoma?
Ja
n = 2
Information via Internet
Nein
n = 10
Gründe für Vorbehalte:
Angst vor Infektionen und Keimen
n = 5,
Angst vor Lösen der Conduitplatte
n = 5,
Hemmungen im Bereich des öffentlichen Lebens im Umgang mit Stoma
n = 3
Welche Maßnahmen haben Sie bisher in Anspruch genommen, um postoperativ Ihre körperliche Leistung zu steigern?
Reha-Sport n = 3
Gartenarbeit n = 3
Walking n = 1
Radfahren n = 1
Keine Maßnahmen n = 4
Waren Sie mit den bisherigen Maßnahmen zufrieden?
Ja
n = 3
Keine Angabe/Mangel an Anleitung
n = 9
Darüber hinaus erfolgte eine Literaturrecherche über MEDLINE bezüglich wasserbezogener Rehabilitationsmaßnahmen in der Onkologie. Hierfür wurden die drei Suchbegriffe „sport, water, oncology“ verwendet. Berücksichtigt wurden in der Auswertung nur Originalarbeiten, die sich inhaltlich mit dem Thema Wassersport und Wassergymnastik im Rahmen der Behandlung von onkologischen Patienten auseinandersetzten.

Ergebnisse

Insgesamt nahmen 12 Patienten an dem Kurs teil. Die Umsetzung des Projekts „UROAquaFIT“ sowie die Teilnehmercharakteristika sind in Tab. 1 aufgeführt.
Am Initiierungskurs 2019 nahmen insgesamt 9 Patienten teil; 7 davon besuchten mindestens 3 Trainingseinheiten; 2 Teilnehmer verstarben innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung des Initiierungskurses 2019 aus onkologischen Gründen.
Am Initiierungskurs 2020 nahmen insgesamt 7 Patienten teil; 6 davon besuchten mindestens 3 Trainingseinheiten.
Bei keinem der Teilnehmer musste eine Trainingseinheit aufgrund gesundheitlicher Probleme abgebrochen werden. Gründe für das Nichtteilnehmen waren konkurrierende Termine oder akut krankheitsbedingte Absagen.
Während beider Initiierungskurse konnte keine Ablösung der Stomaplatte während der Übungen oder beim Schwimmen sowohl mit als auch ohne Bandage festgestellt werden. Schwimmbadassoziierte Harnwegsinfekte wurden nicht registriert. Bedingt durch die Coronapandemie konnte die initial geplante heimatnahe Fortsetzung der Wassergymnastik im Verlauf nicht durchgeführt und somit auch nicht evaluiert werden.
Die Rücklaufquote der Fragebögen vor Beginn des Kurses und nach 6 Monaten lag bei jeweils 100 % für alle noch lebenden Teilnehmer.
Der für das Projekt entwickelte Fragebogen zu Kursbeginn ist in Tab. 2 mit den entsprechenden Ergebnissen dargestellt. Hier spiegelt sich die Motivation der Teilnehmer sowie die subjektiv ursächlich empfundene zu geringe Unterstützung im Hinblick auf Anleitung zur körperlichen Rehabilitation gut wider. Nur 2 von 12 Patienten hatten bis zum Kursbeginn Erfahrung in Bezug auf Schwimmen mit Stoma. Hauptgründe für das bisherige Meiden von Wasser waren die Sorge vor Harnwegsinfektionen sowie die Gefahr der Ablösung des Stomabeutels.
Die initiale Erfassung der Lebensqualität der Teilnehmer über den FACT-G-Fragebogen mit Erfassung von physischen, sozialen, emotionalen und funktionellen Aspekten zeigen die in Tab. 3 dargestellten Ergebnisse.
Tab. 3
Ergebnisse des FACT‑G („functional assessment of cancer therapy-general“) initial, sowie 6 Monate nach Kursteilnahme am Projekt „UROAquaFIT“ (n = 10)
Subskala
Zeitpunkt
 
 
Vor Kursbeginn
n=10
6 Monate nach erfolgtem Kurs
n=10
KWB (MW/SD)
5,6 ± 5,18
6,3 ± 7,28
SWB (MW/SD)
17,1 ± 7,44
19 ± 4,64
EWB (MW/SD)
9,5 ± 2,79
8,6 ± 4,5
FWB (MW/SD)
16 ± 6,58
15,9 ± 6,5
Summenscore (MW/SD)
48,2 ± 9,21
50,3 ± 5,96
p-Wert des t‑test
0,58 (n. s.)
Ergebnisse der FACT-G-Auswertungen aller Teilnehmer, welche auch das Follow-up erfüllen konnten
Angabe der jeweiligen Mittelwerte (MW) und Standardabweichungen (SD)
KWB körperliches Wohlbefinden; SWB soziales Wohlbefinden; EWB emotionales Wohlbefinden; FWB funktionelles Wohlbefinden; MW Mittelwert; SD Standardabweichung
Alle 10 Bögen der Probanden, welche auch das Follow-up erfüllen konnten, gingen in die Auswertung ein. Körperliches und emotionales Wohlbefinden waren hier zu Kursbeginn nachweislich am stärksten eingeschränkt.
Der erfasste Verlauf konnte in den Subskalen des körperlichen und emotionalen Wohlbefindens keine signifikante Verbesserung gegenüber dem Zeitpunkt der initialen Datenerfassung dokumentieren. Demgegenüber wurde durch die freien Fragen (s. unten) ein stark konträres, sehr positives Bild hierzu geliefert.
Die Ergebnisse der EORTC QLQ-C30 sind in Tab. 4 abgebildet.
Tab. 4
Ergebnisse des EORTC (European Organization for Research and Treatment of Cancer) QLQ-C30 („quality of life questionnaire“) initial, sowie 6 Monate nach Kursteilnahme am Projekt „UROAquaFIT“ (n = 10)
Items
Vor Kursbeginn
(n = 10)
6 Monate nach erfolgtem Kurs
(n = 10)
t‑Test
(p-Werte)
Globaler Gesundheitszustand/Lebensqualität
23
22
_
Funktionelle Scores/Belastbarkeit
Körperlich
93,6
92,3
_
Arbeit/Freizeit
78,3
83,3
0,19 (n.s.)
Emotional
91,5
90
_
Konzentration
88,3
86,6
_
Familie/Freunde
79,2
75,8
_
Symptomscores
Müdigkeit
16,3
14,8
0,35 (n.s.)
Übelkeit/Erbrechen
2,5
1,7
0,13 (n.s.)
Schmerzen
7,5
12,5
_
Single Items
Atemnot
36,7
53,3
_
Schlafstörungen
56,7
50
0,33 (n.s.)
Appetitmangel
10
6,7
0,31 (n.s.)
Verstopfung
20
10
0,17 (n.s)
Durchfall
16,7
16,7
_
Finanzielle Probleme
20
13,3
_
Werte der EORTC-QLQ-C 30-Auswertungen zu Kursbeginn bzw. 6 Monate nach erfolgtem Schwimmkurs. Befragte Patientenanzahl initial n = 10 (ohne im Verlauf verstorbene Patienten) sowie 6 Monate nach erfolgtem Kurs n = 10 (jeweils nur Erstteilnehmerbefragung). Darstellung der Werte als jeweilige Mittelwerte. Mögliche Zahlenspanne 0–100 nach linearer Transformation. Hoher Score entsprechend hohem Maß an Lebensqualität bzw. Belastbarkeit. Hoher Score im Bereich Symptomatik bzw. der „single items“ entsprechend einer starken Ausprägung der erfassten Symptome. Bei gebesserten Werten nach Absolvierung des Kurses Testung der statistischen Signifikanz mittels t‑Test
n.s. nicht signifikant
Auch hier konnten keine gravierenden Änderungen der Lebensqualität i. Allg. im Gegensatz zu den frei erfassten Fragen abgebildet werden.
Gerade die allgemeine Lebensqualität zeigte einen nahezu identischen Punktwert (23 vs. 22) zur Zeit vor Kursbeginn und im Follow-up.
Für die Parameter, welche sich nach Kursabsolvierung besserten (u. a. Müdigkeit, Übelkeit, Schlafstörungen oder Appetitmangel), konnten leider aufgrund der kleinen Fallzahl aktuell keine Signifikanzen ermittelt werden.
Einschränkend und erklärend hierfür muss vor allem gesagt werden, dass aufgrund der Coronapandemie die Möglichkeit der heimatnahen Fortsetzung von Aquagymnastik nicht gegeben war. Somit konnte aufgrund dessen keine valide Auswertung der FACT‑G und EORTC-QLQ-C30 im Verlauf erfolgen.

Hohe Patientenzufriedenheit

Betrachtet man die Kursevaluation nach 6 Monaten, zeigt sich, wie hoch die Patientenzufriedenheit mit dem Angebot war und dass diese deutlich von der Maßnahme profitiert haben.
Als besonders positiv fiel dabei die Idee als solche und die gemeinschaftliche Aktivität auf. Außerdem wurden die Atmosphäre im Kurs, eine gute Interaktionsmöglichkeiten mit den Kursleiterinnen und der Abbau von allgemeinen Ängsten hervorgehoben.
Dabei ergaben sich folgende einzelne Erkenntnisse unter Berücksichtigung der freien Fragen (n = 10):
  • Gesamtzufriedenheit mit dem Angebot des Kurses als solchem:
    Schulnote 1 („sehr gut“) 8‑mal bzw. 2 („gut“) 2‑mal, einmal fehlende Angabe.
  • Subjektiver Benefit durch die Maßnahme:
    9‑mal „ja“, einmal fehlende Angabe.
  • Nennung positiver Aspekte des Kurses:
    Wassergymnastik als solche (6-mal), gemeinschaftliche Aktivität (3-mal), Atmosphäre des Kurses (3-mal), Interaktion mit den Kursleiterinnen (3-mal), Abbau der initialen Ängste im Umgang mit Wasser und Gewinnung von Selbstvertrauen (2-mal).
  • Nennung möglicher Verbesserungen:
    einmaliger Ausfall der Gegenstromanlage im Wasser, Uhrzeit des Kurses, bei einigen wenigen Übungen subjektiv schwierige Umsetzung dieser im Wasser.
Neun der 10 Teilnehmer sahen sich bestärkt im Selbstbewusstsein zur Nutzung öffentlicher Schwimmangebote. Alle Teilnehmer gaben an, den Kurs weiterzuempfehlen. 3 Teilnehmer hatten das Schwimmen im Verlauf fest in den Alltag integrieren können, waren jedoch im Verlauf durch pandemiebedingte Auflagen in der konkreten Umsetzung wieder eingeschränkt.

Literaturrecherche Wassersport nach Stomaanlage

In der MEDLINE-basierten Recherche für Reha-Angebote mit Bezug zu Wassersport (letzter Zugriff 10.04.2021) ergaben sich unten den Suchbegriffen: „water“, „sport“ und „oncology“ insgesamt 251 Treffer.
Acht von 251 (3,2 %) wissenschaftlichen Arbeiten evaluierten den Stellenwert wasserbasierter Rehabilitationsangebote für Patienten nach Tumorerkrankungen. Schwerpunkt hierbei bilden Patientenstudien nach Brustkrebs, wobei die größte Gruppe 68 Teilnehmerinnen umfasste. In keiner einzigen Studie wurde bisher der Stellenwert von Wassersport/Wassergymnastik bei Stomaträgern evaluiert. In Tab. 5 sind hierzu die Resultate der genannten Studien zusammengefasst [28, 17].
Tab. 5
Ergebnisse der PubMed-basierten Literaturrecherche zur Thematik wasserbezogener Rehabilitationsmaßnahmen in der Onkologie (Suchbegriffe „water, sport, oncology“); chronologische Aufzählung
Autor
Jahr
Erkrankung
Studiendesign
Teilnehmer
Dauer
Trainingsinhalte
Messinstrumente
Ergebnisse
Salacinski AJ et al. [17]
2021
Brustkrebs
Vorher/nachher Beobachtung
Alle w
n = 10
12 Wochen
Wasser-Aerobic
Körperanalyse,
Körperfett,
Muskelmasse,
Wassergehalt
Keine Signifikanzen,
kein erhöhtes Lymphödemrisiko
Asensio-García MDR et al.
[2]
2021
Brustkrebs
Vorher/Nachher
Beobachtung
Alle w
n = 6 nach Brustkrebs
n = 15 gesunde Frauen
4 Monate
Rudern
Fragebögen:
DASH, CMS, EQ-5D
Statistisch signifikante Besserung in allen Kategorien
Gavala-González J et al.
[8]
2020
Brustkrebs
Vorher/Nachher
Beobachtung
Alle w
n = 30
12 Wochen/3 × pro Woche 60–90 min
Rudern
Fitness-Tests inklusive Herzfrequenzmessung
Statistisch signifikant bessere Fitness
Dionne A et al.
[7]
2018
Lymphödem nach Melanom oder gyn. Tumoren
Vorher/Nachher
Beobachtung
Alle w
n = 7
6 Wochen
12 Sitzungen von je 45 min
Yoga,
Aqua-Jogging,
Wasserfahrrad,
Aquastep,
Trampolin
6‑min-Gehtest,
Handkraft,
QLQ Lymphödem,
Impedanzmessungen,
Beinumfang
In allen Kategorien signifikante Besserung
Büntzel J et al.
[3]
2016
Larynxtumoren
Vorher/nachher
Beobachtung
n = 12
2 ×/Monat
Schwimmen und Wassergymnastik
Freie Fragen
Positiver Effekt auf Wohlbefinden
Cuesta-Vargas A et al.
[6]
2014
Brustkrebs
Kontrollierte klinische Studie
n = 42
Studiengruppe:
8 Wochen lang 3 ×/Woche
„Deep water running“
„Piper fatigue scale“,
QoL,
allgemeine Gesundheit
In allen Kategorien signifikante Besserung
Cantarero-Villanueva I et al.
[4]
2013
Brustkrebs
Kontrollierte klinische Studie
n = 68
Studiengruppe:
8 Wochen lang 3 ×/Woche
je 60 min
Wasser-Aerobic
„Piper fatigue scale“,
„profile of mood states“,
Bauch- und Beinstärke
Besserung Fatigue, Bauch- und Beinstärke
Cantarero-Villanueva I et al.
[5]
2012
Brustkrebs
Randomisiert kontrollierte klinische Studie
n = 66
Studiengruppe: 8 Wochen lang 3 ×/Woche je 60 min
Wasser-Aerobic
Nacken- und Schulterschmerz, „pressure pain treshold“; verschiedene Triggerpunkte
Besserung Nacken- und Schulterschmerz; Reduktion Triggerpunkte; allgemeine Druckschmerz unbeeinträchtigt
DASH „disability of the arm, shoulder, and hand“, CMS Constant-Murley score, EQ-5D „European Quality of Life 5 dimensions“, w weiblich, QoL „quality of life“

Zusammenfassung und Diskussion

Das Element Wasser ist bei Rehabilitationsmaßnahmen für Patienten nach operativen onkologischen Eingriffen nur unzureichend abgebildet. Die größte Datenlage existiert für Brustkrebspatientinnen. Hier zeigt sich, dass durch die Wassergymnastik eine signifikante Verbesserung der körperlichen Fitness und der Lebensqualität erreicht werden kann. Ein entsprechend positiver Effekt durch solche Maßnahmen sollte sich, in Anlehnung an die vorhandenen Daten, entsprechend einer Hypothesengenerierung der Übertragung solcher Rehabilitationsmodelle, auch für uroonkologische Erkrankungen zeigen. Allerdings konnten wir in unserer Literaturrecherche keine Daten für Stomaträger identifizieren. Dies erklärt, weshalb sowohl von ärztlicher als auch von Patientenseite oft Unkenntnis über die Möglichkeiten der Nutzung dieser Form der körperlichen Betätigung besteht. Das durch den mutilierenden Eingriff häufig erhöhte Schamgefühl führt weiterhin dazu, dass das Element Wasser zur körperlichen Ertüchtigung von den Betroffenen kaum genutzt wird. Dies findet durch unseren freien Fragebogen vor Kursbeginn Bestätigung. Nur 2 von 12 Teilnehmern wiesen bisherige Erfahrungen in Bezug auf das Schwimmen mit Stoma auf.
Verstärkt wird dieser Informationsmangel durch fehlende Erfahrung auf ärztlicher Seite bzgl. wasserbasierter Rehabilitationsmaßnahmen. Die Option der Rezeptierung eines speziellen Schwimmgürtels zur Stomaabdeckung ist vielen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen nicht bekannt (Empfehlung hierzu s. Infobox).
Mit einer speziell für die oben genannte Patientengruppe etablierten Maßnahme konnte in dem hier dargestellten Kursmodell „UROAquaFIT“ eine Anleitung zur Aquagymnastik und zum Schwimmen mit Urostoma umgesetzt werden.
In Kleingruppen wurde den Patienten unter physiotherapeutischer Anleitung die Möglichkeit gegeben, verschiedene Bewegungsformen im Wasser auszuprobieren. Die parallele stomatherapeutische Begleitung schaffte unter diesen Bedingungen Vertrauen im Umgang mit der Harnableitung.
Wie sich in der Erfassung der Zufriedenheit mit der Maßnahme insbesondere in den freien Fragebögen zeigte, trugen die Kurse erheblich zum Abbau von Vorbehalten, Ängsten und Selbstzweifeln bei den Betroffenen bei. Auch wenn aufgrund der Coronapandemie eine heimatnahe eigeninitiativ getragene Fortsetzung der Rehabilitationsmaßnahmen nicht stattfinden konnte, gehen wir davon aus, dass bei Fortsetzung der erlernten Trainingsinhalte mit einer Steigerung der allgemeinen körperlichen Fitness und Beweglichkeit sowie Muskelaufbau und Konditionsverbesserung zu rechnen ist.
Die aktuell beschriebene kleine Fallzahl mit limitiertem Follow-up ist in Bezug auf eine valide Erhebung von Lebensqualitätsdaten noch stark eingeschränkt zu betrachten und muss für die Zukunft anhand größerer Teilnehmerzahlen verifiziert werden.
Die zahlreichen Anfragen zur Wiederholung des Angebots und die bewegenden Momente mit den Patienten nach Abschluss des Kurses lassen jedoch ein weitaus positiveres Bild vermuten, als über die oben genannten derzeitigen Messinstrumente erfasst werden konnte.
Für die in bestimmten Items nachweisbaren Vorteile konnte aufgrund kleiner Gruppengröße und den oben genannten einschränkenden Gründen derzeit noch keine Signifikanz abgeleitet werden. Der Effekt der Wassergymnastik auf die Lebensqualität und körperliche Fitness anhand validierter Fragebögen wird zeitnah in einer prospektiv angelegten Studie evaluiert. Dabei gehen wir davon aus, dass unsere hier beschriebene Hypothese des Benefits von Wassergymnastik bei Patienten mit urolonkologischen Erkrankungen und Stomaanlage untermauert werden kann.

Zukunftsvision urologischer Rehabilitation nach Stomaanlage

Ziel für die Zukunft soll es sein, das beschriebene Pilotprojekt als prospektive Studie und möglichst flächendeckend für Patientengruppen anbieten zu können. Hier könnte gerade von urologischer Seite ein längst überfälliger Beitrag zum physischen und auch psychischen Wohlbefinden unserer Patienten nach inkontinenter Harnableitung geleistet werden. Die insgesamt geringe Zahl der recherchierten wasserbezogenen Angebote für onkologische Patienten unterstreicht den Bedarf hierfür deutlich.
Angestrebt wird daher eine langfristige Kooperation mit Reha-Einrichtungen, Krankenkassen, Verbänden von Physiotherapeuten und Stomatherapeuten, um die sehr motivierenden Erfahrungen dieses Projekts zukünftig möglichst vielen Betroffenen als Teil der Routineversorgung anbieten zu können.
Infobox 1 PRAXISTIPP – Rezeptierung von Schwimmbandagen zur Stomaversorgung
Feldbefüllung Rezept:
Hilfsmittel
1 Stück xxxxx (Name Bandage)
HMV Pos.-Nr.: xxxxxx (entsprechend Bandage)
Diagnose: Urothelkarzinom der Harnblase etc.
Stomaart: Urostomie/Ileumconduit etc.
Indikation: K43.9

Fazit für die Praxis

  • Wasserbasierte Rehabilitationsmaßnahmen nach onkologischen Eingriffen sind wissenschaftlich unterrepräsentiert und werden im klinischen Alltag aktuell kaum angewendet.
  • Die Durchführbarkeit und der Effekt von Wassergymnastik bei Stomaträgern nach Zystektomie und Beckenexenteration wurde bisher wissenschaftlich nicht untersucht.
  • Wassergymnastik ermöglicht langfristig einen schonenden Muskelaufbau und fördert die Kondition von Patienten nach exenterativen Beckeneingriffen.
  • Unter gezielter physio- und stomatherapeutischer Anleitung konnte der neu etablierte Spezialkurs „UROAquaFIT“ in Dresden die Lebensqualität und das Selbstwertgefühl betroffener Patienten steigern.
  • Wasserbezogene Rehabilitationsmaßnahmen nach Beckenexenteration mit Stomaanlage sollten aufgrund des absehbar deutlichen Benefits für die Betroffenen breitflächig im Rahmen der rehabilitativen Frühförderung angeboten werden.

Danksagung

Wir danken Frau Ilena Trepte vom Universitätsphysiotherapiezentrum des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden für die physiotherapeutische und Frau Birgith Kalkbrenner für die stomatherapeutische Unterstützung. Darüber hinaus danken wir Frau Marianne Gottburg für die administrative Unterstützung.

Förderung

Das Projekt „UROAquaFIT“ wurde von der Stiftung „Rudern gegen Krebs“ außerhalb einer Studie finanziell unterstützt.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

J. Putz, A. Borkowetz, G.B. Schlumberger, J. Huber und C. Thomas geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
3.
Zurück zum Zitat Büntzel J, Büntzel H, Mücke R et al (2016) Sport in the rehabilitation of patients after total laryngectomy. Anticancer Res 36(6):3191–3194PubMed Büntzel J, Büntzel H, Mücke R et al (2016) Sport in the rehabilitation of patients after total laryngectomy. Anticancer Res 36(6):3191–3194PubMed
6.
Zurück zum Zitat Cuesta-Vargas AI, Buchan J, Arroyo-Morales M (2014) A multimodal physiotherapy programme plus deep water running for improving cancer-related fatigue and quality of life in breast cancer survivors. Eur J Cancer Care 23(1):15–21. https://doi.org/10.1111/ecc.12114CrossRef Cuesta-Vargas AI, Buchan J, Arroyo-Morales M (2014) A multimodal physiotherapy programme plus deep water running for improving cancer-related fatigue and quality of life in breast cancer survivors. Eur J Cancer Care 23(1):15–21. https://​doi.​org/​10.​1111/​ecc.​12114CrossRef
Metadaten
Titel
Stellenwert wasserbezogener Rehabilitationsmaßnahmen bei Stomaträgern
Ergebnisse eines Pilotprojekts und Literaturübersicht
verfasst von
Dr. med. Juliane Putz
PD Dr. med. Angelika Borkowetz
Gina Benita Schlumberger
Prof. Dr. Dr. med. Johannes Huber
Prof. Dr. med. Christian Thomas
Publikationsdatum
17.02.2022
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Urologie / Ausgabe 6/2022
Print ISSN: 2731-7064
Elektronische ISSN: 2731-7072
DOI
https://doi.org/10.1007/s00120-021-01737-9

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